Legales „Spicken“: Online-Bewertung von Lehrern erlaubt

Schüler dürfen ihre Lehrer im Internet bewerten. Das entschied der Bundesgerichtshof in Karlsruhe am Dienstag und beendete damit einen Streit, der seit zwei Jahren zwischen einer Lehrerin und dem Portal "spickmich.de" tobte. Für die Betreiber ist das Urteil ein Wegweiser in Richtung Meinungsfreiheit – auch für andere Portale.
Von PRO

Mit einem Notendurchschnitt von 4,3 fallen deutsche Schüler durch ihr Abitur, Studenten müssen eine bessere Note erreichen, um eine Klausur zu bestehen. Durchgefallen – dieses Urteil traf 2007 auch eine Frau, die die Schulbank lange verlassen hat, obwohl sie immer noch zu ihrem täglichen Arbeitsleben dazugehört. Im Internetportal „spickmich.de“ hatten Schüler die Lehrerin für Geschichte und Religion schlecht bewertet. Sie sah daraufhin ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt und klagte gegen ihre Darstellung auf „spickmich.de“. Dort können Schüler seit 2007 Lehrkräfte bewerten, etwa in den Kategorien „cool und witzig“, „beliebt“, „guter Unterricht“, „menschlich“ oder „faire Noten“. Die Schüler können ein Profil ihrer Lehrer erstellen oder auch Zitate von ihnen wiedergeben.

Im Mai 2007 hatte die Lehrerin mit Unterstützung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) eine Unterlassungsverfügung beim Landgericht Köln beantragt. Sie sehe ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht und das Bundesdatenschutzgesetz als verletzt an. Es gehe bei der „Bewertung“ auch um private Charaktereigenschaften sowie um die Gefahr, dass ein möglicherweise manipuliertes Persönlichkeitsprofil erstellt werde. Die Teilnehmer des Portals müssten sich zwar registrieren lassen, es könne sich aber jedermann unter Angabe eines frei gewählten Namens anmelden und als Schüler Bewertungen abgeben, erklärten die Kläger damals laut der „Süddeutschen Zeitung“. Für die Betreiber von „spickmich.de“ hingegen stellt das Portal vor allem eine Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung dar, mit deren Hilfe eine Qualitätsverbesserung erreicht werden könnte. Das Landgericht entschied im Juli 2007 gegen den Antrag der Lehrerin.

Mehrere Klagen scheiterten

Dennoch nahm „spickmich.de“ im September 2007 die Bewertungskategorien „sexy“, „gelassen“ und „leichte Prüfungen“ aus dem Netz. Vor einem Jahr entschied die nächsthöhere Instanz, das Oberlandesgericht Köln, die Bewertung von Lehrern im Portal sei erlaubt, es handle sich um eine grundrechtlich geschützte Meinungsäußerung, da die Bewertung sich auf die berufliche Tätigkeit von Lehrern beziehe und weder eine Schmähkritik noch ein An-den-Pranger-Stellen sei. Eine weitere Klage vom Januar 2008 scheiterte ebenfalls.

Ähnlich sah es am Dienstag, in letzter Instanz, auch der Bundesgerichtshof. „Die Bewertungen stellen Meinungsäußerungen dar, die die berufliche Tätigkeit der Klägerin betreffen, bei der der Einzelne grundsätzlich nicht den gleichen Schutz wie in der Privatsphäre genießt. Konkrete Beeinträchtigungen hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Die Äußerungen sind weder schmähend noch der Form nach beleidigend“, heißt es in dem Urteil. Und weiter: „Im Streitfall ist im Hinblick auf die geringe Aussagekraft und Eingriffsqualität der Daten und die Zugangsbeschränkungen zum Portal die Datenübermittlung nicht von vornherein unzulässig. Besondere Umstände, die der Übermittlung im konkreten Fall entgegenstehen könnten, hat die Klägerin nicht vorgetragen.“

„Ein super Tag für die Meinungsfreiheit“

Die „Süddeutsche“ hatte im Vorfeld von einem „Grundsatzurteil über ‚Persönlichkeitsschutz und Meinungsfreiheit im Internet'“ mit „Auswirkungen auf andere Bewertungsportale etwa über Professoren oder Hotels“ geschrieben. Dies wies das Gericht heute zurück. Das Urteil habe keine grundsätzliche Bedeutung für andere Bewertungsportale im Internet. Es handele sich „durchaus um einen Einzelfall, aber nicht um den letzten“, zitiert das Magazin „Stern“ die Vorsitzende Richterin des BGH-Senats, Gerda Müller. Wie mit anderen Bewertungsportalen umzugehen sei, müsse offen bleiben. „Spickmich“-Geschäftsführer Manuel Weisbrod hingegen erklärte, das Urteil sei eine „Richtungsentscheidung, wie die Justiz mit den neuen Medien umgeht. Es ist ein toller Tag für Deutschlands Schulen und ein super Tag für die Meinungsfreiheit“.

„Spickmich.de“ wurde von drei Studenten gegründet und zählt nach Angaben der Betreiber über eine Million Nutzer. Es gehört zu den so genannten „Sozialen Netzwerken“ wie „StudiVZ“ oder „MySpace“. Neben der Bewertungsfunktion können sich Schüler dort auch ein eigenes Persönlichkeitsprofil erstellen und miteinander in Kontakt treten. (PRO)

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen