Von der Leyen plant Filter gegen Kinderpornos im Internet

Immer mehr Konsumenten, immer mehr Bilder, immer jüngere Kinder und immer mehr umgesetztes Geld: Die Angaben des Familienministeriums über Umfang und Art der Kinderpornografie im Internet sind erschreckend. Nun will Familienministerin Ursula von der Leyen den Zugriff auf einschlägige Seiten, insbesondere aus dem Ausland, per Internetfilter unterbinden – doch der Nutzen wird bezweifelt.
Von PRO

Die Zahlen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sind erschreckend: Die Versuche, sich per Internet kinderpornografisches Material zu beschaffen, sind zwischen 2006 und 2007 in Deutschland um mehr als das Doppelte (111 Prozent) gestiegen. Allein in den letzten Jahren kam es zu drei großen Verfahren mit insgesamt 15.000 Beschuldigten. „Pornographische Videos, auf denen Kinder gequält und gefoltert werden, werden allein in Deutschland bis zu 50.000 Mal im Monat heruntergeladen“, so von der Leyen im Interview mit dem „Hamburger Abendblatt“.

Nun plant sie, die Internetanbieter, sogenannte „Provider“ wie etwa T-Online, durch eine Änderung des Telemediengesetzes zu zwingen, dass solche Seiten gar nicht erst aufgerufen werden können. Insbesondere Seiten aus Ländern, in denen Kinderpornografie nicht oder kaum strafrechtlich verfolgt wird und auf die der Gesetzgeber von Deutschland aus keinen Einfluss hat, sollen so blockiert werden.

Von der Leyen: „Wir schließen die Datenautobahn der Kinderpornografie“

„Wir schließen die Datenautobahn der Kinderpornografie“, sagte die Ministerin bereits im November letzten Jahres. Zusammen mit Wirtschaftsminister Michael Glos und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble kündigte sie an, dass die Änderung des Gesetzes noch in diesem Jahr kommen werde.

Die technische Umsetzung des Gesetzes erscheint einfach: Das Bundeskriminalamt (BKA), das laut von der Leyen bereits über 1.000 Seiten mit Kinderpornografie ermittelt habe, leitet die Liste mit den Adressen an die Provider weiter. Diese bauen für ihre Kunden einen Filter ein: „Child Sexual Abuse Anti Distribution Filter“ (Filter zum Verbot des sexuellen Missbrauchs von Kindern) heißt diese Software. Will ein Nutzer eine einschlägig bekannte Seite aufrufen, erscheint statt der verbotenen Inhalte ein rotes Stopp-Schild.

Der Filter, der in Norwegen entwickelt wurde, ist bereits in mehreren europäischen Ländern im Einsatz. Neben Norwegen sind weitere Nutzer die Länder Schweden, Dänemark, Niederlande, Schweiz, Finnland, Italien und Großbritannien. Und die Ergebnisse scheinen positiv: Zwischen 15.000 und 18.000 Mal erscheine ein solches Stopp-Schild etwa auf norwegischen Bildschirmen, wie Björn-Erik Ludvigsen, ein Experte der norwegischen Polizei, gegenüber „Welt Online“ berichtete.

Dabei würden aber nicht die Namen der Nutzer ermittelt, sondern nur die Anzahl der Versuche, eine solche Seite aufzurufen: „Wir erheben nicht den Zeigefinger, sondern machen nur darauf aufmerksam, dass hier der Zugang zu einer Seite mit verbotener Kinderpornografie gesucht wird“, sagte Ludvigsen weiter.

„Blockade von 300.000 bis 450.000 Zugriffen täglich“

„Umgerechnet auf Deutschland entspräche das einer Blockade von 300.000 bis 450.000 Zugriffen täglich“, rechnet von der Leyen auf der Homepage des Familienministeriums vor. Sie erhofft, auf diese Weise auch den internationalen Markt mit Kinderpornografie zu treffen. „Wenn kein Geld mehr fließt, sinkt auch die Gefahr für die Kinder in anderen Ländern, von skrupellosen Geschäftemachern missbraucht zu werden. Wenn die Nachfrage sinkt, sinkt auch der Anreiz, Geld mit Kinderpornografie verdienen zu wollen.“ Ludvigsen berichtet von einem solchen Effekt in Norwegen: „Wenn (…) die Nachfrage sinkt, wird auch weniger produziert“, berichtet er „Welt Online“.

„Wer motiviert ist, findet für Sperren geeignete Umwege“

Kritisch sieht Oliver Süme vom Vorstand des Branchenverbandes der deutschen Internetwirtschaft (eco) das Vorhaben. Solche Internetsperren erzielten lediglich Scheinerfolge und könnten selbst von Laien leicht umgangen werden. So werde „das Leid keines einzigen Kindes unterbunden, kein einziger Täter gefasst und kein einziges Bild aus dem Internet entfernt,“ sagte Süme gegenüber „Zeit Online“.

Die Medienwissenschaftlerin Korinna Kuhnen, Autorin des Buches „Kinderpornografie und Internet“, ist ebenfalls skeptisch: „Wer motiviert ist, findet für Sperren geeignete Umwege“, sagte sie „Welt Online“ und sieht das Vorhaben lediglich als „gesellschaftliches Zeichen“.

Die eco-Sprecherin Marita Strasser sieht das Problem an anderer Stelle. Sie sagt, dass die einzige effektive Möglichkeit gegen die Angebote darin bestehe, sie im Ursprungsland zu löschen. Dazu sei eine internationale Zusammenarbeit nötig. „Das wäre sehr schwierig und mühsam, aber es würde das Problem lösen“, so die Internetexpertin gegenüber dem Westdeutschen Rundfunk.

Die Forderung nach besserer internationaler Zusammenarbeit war eine der Forderungen, die das Bundesministerium auf dem Dritten Weltkongress gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern und Heranwachsenden vorbrachte, der im November 2008 in Rio stattfand. Doch noch scheint eine solche Lösung des Problems in weiter Ferne. Gegenüber dem „Hamburger Abendblatt“ sagte von der Leyen: „Die bittere Wahrheit ist, dass bisher nur die Hälfte der Länder Kinderpornografie ächtet. Das heißt, die andere Hälfte toleriert sie.“ (PRO)

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