„studiVZ“ und Co: Wie gefährlich ist Anonymität?

Es sind unzählige private Daten, die Nutzer "Sozialer Netzwerke" Tag für Tag ins Internet stellen. Welche Gefahren "studiVZ", "facebook" oder "MySpace" bergen, wissen die Wenigsten. Experten erklärten anlässlich des Europäischen Datenschutztages, warum gerade die Sicherheit von Kindern und Jugendlichen im Internet gefährdet ist.
Von PRO

Vor mehr als drei Jahren starb die 13-Jährige Megan. Nach einem gescheiterten Internetflirt in der Community „MySpace“ erhängte sie sich. Erst nach ihrer Verzweiflungstat stellte sich heraus: Megan war ein Opfer von „Cybermobbing“ geworden. Denn ihr Angebeteter war kein 16-Jähriger Teenager, wie angenommen. Immer wieder hatte Megan, ohne es zu wissen, mit einer ehemaligen Freundin gechattet. Die brach die vermeintliche Beziehung ab, weil sie sich dafür rächen wollte, dass ihre ehemalige Freundin einst mit ihr brach. Sie hatte Megan eine anbrechende Liebesbeziehung vorgegaukelt und ihr intime Gespräche entlockt, um sie schließlich fallen zu lassen.

Wer sich in „studiVZ“ anmeldet, gibt private Daten Preis

Die Geschichte von Megans Schicksal ging um die Welt und heizte die Diskussion um sogenannte „Soziale Netzwerke“ an. „Normalerweise aber ist Mobbing in Cyberia kein Stoff für Presseberichte – es ist Alltag“, schrieb „Spiegel Online“ damals. Wie gefährlich sind solche vermeintlich anonymen Online-Gemeinschaften wirklich? Das fragen sich Datenschützer und User bis heute. Klar ist: Wer sich in „studiVZ“ oder „wer-kennt-wen“ anmeldet, gibt nicht nur zahlreiche private Daten Preis, er verkehrt auch häufig mit nahezu unbekannten Personen.

„Soziale Netzwerke“ ermöglichen das kommunizieren in Chaträumen genauso wie das Hochladen privater Fotos oder die Mitgliedschaft in Gruppen jedweder Façon. Schon um Mitglied zu werden, müssen Nutzer Informationen wie Namen, Geburtsdatum, Hobby, politische Orientierung oder Religionszugehörigkeit angeben. „Eigentlich Fremde erscheinen einem so auf Dauer fast bekannter als Freunde oder Geschwister, die nicht auf Facebook sind“, schreibt etwa Georg Diez, Autor der „Süddeutschen Zeitung“ über eine der zahlreichen Online-Communities, die immer wieder in die Kritik geraten.

Tagung zum Datenschutz: „Eltern sind ahnungslos“

„Vor allem Kinder und Jugendliche veröffentlichten allzu häufig freimütig private Daten wie Adressen, Hobbys, Vorlieben und sogar Telefonnummern auf den Profilseiten der Netzwerk-Betreiber, ohne sich der Gefahren einer missbräuchlichen Nutzung bewusst zu sein“, erklärte Petra Kain von der Zentralen Jugendkoordination des Polizeipräsidiums Westhessen anlässlich des Europäischen Datenschutztages am 28. Januar. Gemeinsam mit anderen Experten sprach sie bei einer Veranstaltung zu diesem Thema in Mainz.

„Eltern haben oft nicht die geringste Ahnung, wo ihre Kinder im Internet unterwegs sind, wen sie dort alles treffen können und was sie alles von ihrer Privatsphäre preisgeben“, zitiert ein Onlineartikel der Zeitschrift „Stern“ die Polizistin. Während die Privatsphäre schwinde, wachse der soziale Druck auf Kinder und Jugendliche. „Schon im 6. Schuljahr sind Schüler einfach out, wenn sie nicht auf SchülerVZ angemeldet sind“, erklärt sie laut „Stern“.

So erfuhren Besucher des Symposiums zum Thema „Daten-Outing von Heranwachsenden in Netz-Communities“ etwa vom Schicksal einer 16-Jährigen Schülerin. „Gleich zweimal innerhalb weniger Wochen haben Unbekannte ihre Daten benutzt und eine Kopie ihrer virtuellen Identität […] erstellt. In ihrem Namen haben die Unbekannten dann unter anderem ein Foto von Adolf Hitler hochgeladen, sodass in der gesamten Netzgemeinde der Eindruck entstehen konnte, sie sympathisiere mit rechtsextremen Einstellungen“, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Erst vier Tage nach dem Vorfall hätten die Betreiber der Plattform das gefälschte Profil gelöscht. Nach weiteren Drohungen durch die Unbekannten habe das Mädchen ihre Mitgliedschaft bei „schülerVZ“ gekündigt.

Studie belegt Gefahren des Internets

Dass „Soziale Netzwerke“ zahlreiche Gefahren bergen, bestätigt auch eine Studie des Fraunhofer Instituts aus dem Jahr 2008. Die Untersuchung mit dem Titel „Privatsphärenschutz in Soziale-Netzwerke-Plattformen“ zeigt auf, dass keine der untersuchten Communities ausreichenden Sicherheitsstandards entspricht. Weder „MySpace“, „facebook“, „studiVZ“, „wer-kennt-wen“ oder „lokalisten“, noch „XING“ und „LinkedIn“ überzeugten im Test hinsichtlich des Privatsphärenschutzes.

Forscher des Fraunhofer Instituts hatten sich als User bei den Communities angemeldet, die diversen Sicherheitseinstellungen ausprobiert und anschließend versucht, diese zu umgehen. Auf der Suche nach den von ihnen selbst eingegebenen privaten Daten waren sie erstaunlich häufig erfolgreich. „Mithilfe spezieller Suchmaschinen kamen sie zum Beispiel in den Besitz geschützter Bilder, obwohl diese gar nicht für die Öffentlichkeit freigegeben waren. Auch die politische Orientierung oder der Familienstatus ließ sich trotz Sperrung der Daten ermitteln, und selbst nach Aufgabe der Mitgliedschaft blieben bei einer Plattform die persönlichen Gästebuch- und Foreneinträge bestehen“, schreibt die Zeitschrift „Computerwoche“. „Aus diesen Gründen sollte man gänzlich darauf verzichten, jegliche privaten Daten frei im Internet zu veröffentlichen“, lautet ein Fazit der Studie.

Tipps für Eltern

Die Landeszentrale für Medien und Kommunikation in Rheinland-Pfalz will Eltern helfen, die Gefahren für ihre Kinder besser zu überblicken und gab die Liste „Sicherer in Social Networks – Tipps für Eltern“ heraus. Wichtig sei es vor allem, zu prüfen, welche Datenschutzangaben der jeweilige Anbieter mache. Den Jugendlichen wird geraten, so wenige private Informationen wie möglich ins Internet zu stellen. Bei Mobbing-Fällen sollten sich Eltern umgehend mit dem Betreiber der Community in Verbindung setzen. (PRO)

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