Jörges: Keinen Rudel-Journalismus betreiben

Wie können Medien ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen? Dies thematisiert am Montag die ARD-Reportage „Vertrauen verspielt? Wie Medien um Glaubwürdigkeit kämpfen“. Wenn die Medienmacher die in der Sendung angesprochenen Dinge umsetzen, kann das gelingen. Eine TV-Kritik von Johannes Weil
Von PRO
Hans-Ulrich Jörges hat den Medien deutliche Versäumnisse im Umgang mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Wulff vorgeworfen. Der Stern-Redakteur kommt als einer von vielen in einer Reportage der ARD zur Glaubwürdigkeit der Medien zu Wort
Menschen beschweren sich häufiger über die Medien als früher, beobachtet der Chefredakteur von ARD-aktuell, Kai Gniffke. Um die eigene Glaubwürdigkeit wiederzugewinnen, müsse der Sender „noch besser werden“. In der ARD-Reportage „Vertrauen verspielt? Wie Medien um Glaubwürdigkeit kämpfen“ kommt er genauso wie andere Medienschaffende zu Wort. Der Beitrag beschäftigt sich mit Hetze und Hassparolen, aber auch mit dem verbreiteten, eher leisen Misstrauen Einzelner gegenüber den Medien. Für die Glaubwürdigkeit der Medien kämpft beispielsweise der Lokalredakteur des Zollern-Alb-Kuriers Michael Würz. Er investierte viel Zeit, vor allem um Lügen und Gerüchte über die Flüchtlinge zu entkräften. Dafür wurde er von den eigenen Lesern sogar bespuckt. Laut einer Studie des Allensbach-Institutes finden 42 Prozent der Deutschen nicht, dass Informationen der deutschen Medien glaubwürdig sind. Vier von zehn Befragten sind generell nicht mit der Berichterstattung der Medien zufrieden und zwei Drittel haben wenig oder gar kein Vertrauen in die Medien. Dabei genieße das öffentlich-rechtliche Fernsehen ein höheres Vertrauen als (Boulevard)-Zeitungen.

Standards verletzt und nicht sauber recherchiert

Vor allem die Flüchtlingsfrage und der mediale Umgang mit dem früheren Bundespräsidenten Christian Wulff habe für eine Debatte um die Glaubwürdigkeit der Medien gesorgt, heißt es in der Reportage. Hans-Ulrich Jörges, Mitglied der Chefredaktion beim Magazin stern, bezeichnet den Umgang mit Wulff als „Rudel-Journalismus“, der mediale Standards verletzt habe. Dies geschehe sich auch bei anderen Themen, zeigt der ARD-Beitrag: In einem lokalen Fall in Kiel hatten fast alle Qualitätsmedien bis hin zur Tagesschau eine Pressemeldung der Polizei ungeprüft übernommen. Drei Männer mit Migrationshintergrund sollten Frauen belästigt haben, was aber nicht der Wahrheit entsprach. Der dänische Journalist Ulrik Haagerup nimmt seine Zunft in die Pflicht, nicht aus Angst wichtige Fakten zu ignorieren: „Dann machen wir keinen Journalismus, sondern Politik.“ Oft sorge die abglieferte Arbeit der Medienschaffenden für Unzufriedenheit. „Deswegen müssen wir auf unsere Kritiker hören.“ Der Münchener Kommunikationswissenschaftler Carsten Reinemann rät zur Entschleunigung. Journalisten sollten sich wieder mehr Zeit nehmen, um Dinge zu prüfen „in einer Zeit, in der sich Gerüchte schnell verbreiten“. Bereits 2001 und 2004 hätten ähnlich wenige Menschen den Medien vertraut: „Heute haben diese Kritiker ihre Alternativmedien.“

Gegen alle etablierten Medien wettern

Der Beitrag geht auch auf „Verschwörungstheoretiker und Pseudojournalisten“ ein und nennt Jürgen Elsässer und Udo Ulfkotte als Vertreter. Ihnen gelinge es, in der Gesellschaft Ängste zu schüren, und sich dann als die Lösung dieser zu inszenieren. Hinzu komme die Partei Alternative für Deutschland (AfD), die nicht nur die öffentlich-rechtliche Presse als ihr Feindbild sehe, sondern gegen alle etablierten Medien wettere. Die ARD-Vorsitzende Carola Wille fordert zur Verbesserung der Situation eine Vielfalt in der Berichterstattung, die näher an der Lebenswirklichkeit der Menschen und außerhalb des Mainstream-Korridors sei Die ZDF-Journalistin Dunja Hayali möchte mit den Menschen ins Gespräch kommen. Die Nutzer müssten ihre Ängste äußern dürfen. Deshalb gelte es, ihnen zuzuhören, sie ernst zu nehmen und transparent zu sein. Für Welt-Redakteur Ulf Poschardt müssen Redakteure die unterschiedliche soziale Wirklichkeit ihrer Nutzer im Kopf haben und sie teilhaben lassen an der eigenen „Reflexion der Wirklichkeit. Dort sollen sie sich dann einordnen“, sagt er in dem Beitrag.

Auch die jungen Leute im Blick haben

In Österreich kämpft der ORF-Journalist Armin Wolff gegen eine einseitige Berichterstattung. Er möchte die Nutzer nicht Propagandisten überlassen. Wolff erreicht über die sozialen Netzwerke laut der Reportage mehr Menschen als jeder andere Journalist. Deswegen hält er es für lohnenswert, die Fragen der Menschen zu beantworten und zudem die junge Generation im Blick zu haben. Die norwegische Lokalzeitung Hallingdølen gilt weltweit als eine der glaubwürdigsten Zeitungen. Chefredakteur Bjarne Tormodsgard erklärt, in seinem Blatt sollen die Menschen aus allen Schichten sich und ihre Meinung wiederfinden. Um sauberen und glaubwürdigen Journalismus zu betreiben, erscheine die Zeitung auch nur drei Mal pro Woche. Am Ende der ausgewogenen und sehenswerten Reportage von Bastian Berbner und Sinje Stadlich kommen die Experten zu demselben Fazit. Die Medien müssen ihre Fehler erkennen, transparent machen und sie korrigieren. Lokalredakteur Michael Würz hat eine interessante Beobachtung gemacht: „Nachdem wir die Gerüchte widerlegt haben, vertrauen uns die Menschen und sie verteidigen uns sogar.“ Der Beitrag wird am Montag, den 11. Juli, um 23 Uhr in der ARD ausgestrahlt. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/fernsehen/detailansicht/aktuell/ard-reportage-der-kampf-der-medien-um-glaubwuerdigkeit-96742/
https://www.pro-medienmagazin.de/kommentar/detailansicht/aktuell/gebt-dem-publikum-die-information-96749/
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