Gewalt im TV schlechtes Vorbild für Jugendliche

Neigen Jugendliche dazu, Konflikte durch Handgreiflichkeiten und Aggressionen zu lösen, weil sie durch das Privatfernsehen täglich mit Gewalt konfrontiert werden? Politiker appellieren an die Verantwortung der Fernsehsender, TV-Gewalt zu reduzieren.
Von PRO

„Der Werteverfall hat ganz sicher auch mit dem Privatfernsehen zu tun“ zitiert das Magazin „Focus“ die Bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU). „Wenn wir diese besondere Gewalttätigkeit betrachten, (…) dann müssen wir auch sehen, dass in den vergangenen zehn Jahren immer mehr Fernseher und Computer Einzug in die Kinderzimmer gehalten haben“, so Merk. „Immer mehr Jugendliche erleben im Privat-TV eine Fernsehwirklichkeit einfachster Regeln – wenn man gerade keine Gewalt hat, hat man Sex. Mir ist das zuwider.“

In seiner aktuellen Ausgabe lässt der „Focus“ Politiker zu Wort kommen, die dem Privatfernsehen einen starken Einfluss auf die Konfliktlösungsmuster von Jugendlichen zusprechen. Ganz neu sind deren Befürchtungen allerdings nicht: 13 Jahre ist es her, dass Angela Merkel, damals Bundesministerin für Frauen und Jugend, dazu aufrief, etwas gegen „die Gewalt im Fernsehen“ zu tun. Laut einer „Focus“-Untersuchung aus dem Jahr 1994 klagten schon damals 80 Prozent der Befragten über „zu viele Gewaltszenen“ im Fernsehen. 92 Prozent fürchteten „negative Auswirkungen“. Merkel sprach sich damals dafür aus, gegen die Firmen vorzugehen, die in Gewaltfilmen Werbung schalten.

„Fernsehen trägt Mitschuld an Gewaltbereitschaft“

In der N24-Sendung „Links-Rechts“ hatte sich kürzlich auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries kritisch über die Auswirkungen von Medien geäußert: Übermäßiger Fernsehkonsum sei „zweifellos eine der Ursachen“ für die Probleme bei der Erziehung von Jugendlichen, so Zypries. Die Ministerin bezeichnete „Fernsehen, PC-Spiele und PlayStation“ als Gift für Jugendliche, denn: „die Kinder lernen weder Sozialverhalten noch bewegen sie sich, wenn sie vor diesen Teilen sitzen, sondern werden zugeschüttet“.

Auch der Vorsitzende der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus, Friedbert Pflüger, glaubt, dass „die immer hemmungsloseren Fälle von Jugendgewalt auch auf gewaltstrotzende Fernsehprogramme zurückzuführen sind. Die Hemmschwellen für Gewalt sinken, wenn Kinder Hunderte von Morden im TV erleben.“ Vergangene Woche forderte der Politiker deshalb in seinem Blog: „Kein TV-Mord mehr vor 20 Uhr!“

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) appelliert laut „Focus“ an die Fernsehsender, die Gewalt zu dosieren. „Junge Menschen werden auf allen Kanälen täglich massiv damit konfrontiert, wie mit Brutalität Konflikte scheinbar gelöst werden können.“

Sein baden-württembergischer Kollege Günther Oettinger ging noch einen Schritt weiter. Für ihn trägt das „Scheiß-Privatfernsehen“ eine Mitschuld an der zunehmenden Gewaltbereitschaft von Jugendlichen. Die verbale Attacke fand auf einem Neujahrsempfang der CDU vor zwei Wochen statt. Konkret nannte Oettinger die Sender Super RTL und RTL II.

Eltern oft ahnungslos

Dabei bekommen Eltern oft gar nicht mit, was sich ihre Sprösslinge im Fernsehen ansehen, denn viele Teenager sitzen im eigenen Zimmer vor der Flimmerkiste. Laut JIM-Studie 2007 (Jugend-Information-Multimedia) haben 63 Prozent der 12- bis 18-jährigen Mädchen und 71 Prozent der Jungen einen eigenen Fernseher. Durchschnittlich sehen sie 79 Minuten pro Tag fern und bevorzugen dabei Sender wie ProSieben, RTL und Sat1.

Welche Folgen der hohe Fernsehkonsum habe, belege eine Studie von Kommunikationswissenschaftlern der Universität Bonn, schreibt der „Focus“. 280 Schüler waren aufgefordert worden, ein Märchen zu Ende zu erzählen. „Es war einmal eine böse Hexe, die eine Prinzessin in ihre Gewalt brachte“, lautete der Anfang. Laut dem „Focus“ vergaßen vor allem die Jungen in ihren fantasievollen Erzählungen über „Waffeneinsatz, Schlacht und Gemetzel“ am Ende die Prinzessin. Weitaus wichtiger sei den Märchenerzählern gewesen, dass der Held der Hexe das Gehirn weggeblasen hätte, so der „Focus“.

Kinder von Migranten sehen mehr fern

Nach einem Forschungsbericht des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen (KFN) sehen Migrantenkinder zwei- bis dreimal so häufig jugendgefährdende Filme wie ihre deutschen Mitschüler. Außerdem sitzen sie laut KFN täglich eine Stunde länger vor dem Fernseher. Insgesamt verbringen Migrantenkinder 129 Minuten vor der Mattscheibe und dazu 37 Minuten vor Computerspielen. Deutsche Schüler sehen dagegen im Schnitt 50 Minuten weniger fern und spielen 10 Minuten weniger Computer. Allerdings ist laut KFN die Zahl der Gewaltdelikte, die von ausländischen Jugendlichen verübt wurden, seit 1993 um über zehn Prozent zurückgegangen.

Bayerns Justizministerin Beate Merk will nun Taten von den Fernsehsendern sehen: Sie fordert die Sender auf, keine Gewalt vor 20 Uhr zu zeigen und auf Inhalte mit „extremer Gewalt“ zu verzichten. Dazu zählt die Ministerin auch die Darstellung von Leichen. „Wenn die Selbstkontrolle nicht greift, brauchen wir eine entschiedene technische Kontrolle“, sagt die Ministerin. (PRO)

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