Antisemitismus: Muslimische Verbände in der Pflicht

Jährlich stimmen am „Al-Quds-Tag“ Demonstranten antisemitische Hassparolen gegen Israel an – so auch am vergangenen Samstag in Berlin. Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Abraham Lehrer fordert nun, muslimische Verbände im Kampf gegen Antisemitismus stärker in die Pflicht zu nehmen.
Von PRO
Abraham Lehrer sieht die Islamverbände in der Pflicht bei der Bekämpfung von Antisemitismus in Deutschland
Am „Al-Quds-Tag“ rufen Demonstranten alljährlich zur Vernichtung Israels auf. Das geschah am vergangenen Samstag in Teheran ebenso wie in Berlin. Seit der Revolutionsführer Ajatollah Chomeini 1979 zur Vernichtung Israels aufrief, ist der „Al-Quds-Tag“ im Iran staatlicher Feiertag. „Al-Quds“ (die Heilige) bezeichnet im Arabischen Jerusalem. In der Vergangenheit waren bei der Kundgebung in Deutschland immer wieder antisemitische Plakate und Banner aufgetaucht, die in Parolen „Tod Israel“ oder „Tod den Juden“ forderten. Sprüche wie diese waren in diesem Jahr in der Hauptstadt nicht zu sehen, wie der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) auf seiner Website berichtete. Der CDU-Innensenator Frank Henkel hatte nach Angaben des Senders verfügt, die Demonstration notfalls sofort aufzulösen, sollten Plakate und Fahnen mit einschlägigen Parolen auftauchen. An verbalen Entgleisungen, die Israel als „Kindermörder“ oder „Krebsgeschwür“ bezeichnen, waren die antisemitischen und antizionistischen Anliegen der Demonstration dennoch erkennbar. In Gegendemonstrationen hatten am Wochenende in Berlin rund 500 Teilnehmer ihre Solidarität mit Israel und der jüdischen Gemeinschaft zum Ausdruck gebracht.

Medien beschreiben Zusammenhänge nicht

„Beim ‚Al-Quds-Tag‘ wird nicht für die Freiheit einer Gruppe oder eines Volkes eingetreten“, erklärte die stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Gitta Connemann auf einer Podiumsveranstaltung am Montag in Berlin. Sinn und Zweck sei ausschließlich die Vernichtung Israels. Connemann kritisierte auch die Medien im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Demonstration. „Ich erinnere daran, weil ich in der einen oder anderen Berichterstattung den Eindruck hatte, dass der Anlass für diesen ‚Al-Quds-Tag‘ inzwischen kaum mehr bekannt ist.“ Der wachsende Antisemitismus in Deutschland war Thema des Fachgespräches unter dem Titel „Antisemitismus im fundamentalistischen Islam“ im Bundestag, zu dem die CDU/CSU-Fraktion eingeladen hatte. Bei der Veranstaltung wurde deutlich, dass viele der Flüchtlinge und Asylbewerber, die in den letzten Monaten nach Deutschland gekommen sind, Ländern entstammen, in denen der Hass gegen Juden in Kultur, Gesellschaft, Politik und Religion verankert ist. „Antisemiten aller Couleur sind sich im Schulterschluss einig, dass Israel kein Existenzrecht hat“, erklärte Connemann und sagte weiter: „Israel hat nicht nur ein Existenzrecht. Es hat auch einen Anspruch auf Freunde in Deutschland, die für dieses Existenzrecht einstehen.“

Politik muss Druck auf Islamverbände ausüben

Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, sah in der Wahl der Demonstrationsroute vom Samstag eine Provokation. Die Teilnehmer waren beim „Al-Quds-Tag“ in Berlin gleich an fünf jüdischen Synagogen vorbeigezogen. „Es geht nicht um Israel, es geht um Juden. Es geht um Antisemitismus“, erklärte Lehrer. Die Aufforderung an die muslimischen Verbände, sich deutlicher zu positionieren, sei relativ alt. Je mehr Druck auf sie ausgeübt werde, desto eher würden sie Positionen beziehen, sagte Lehrer. Initiativen von Seiten der muslimischen Verbände, etwa zu einer gemeinsamen Aufarbeitung des Holocaust, seien nach seiner Einschätzung bislang nur auf den Druck der Politik zurückzuführen. Der Publizist Berndt Georg Thamm vertrat die Auffassung, dass jüdisches Leben und die offene Gesellschaft in Deutschland durch den „Islamischen Staat“, islamistisch motivierten Terror und den antisemitischen Dschihad bedroht sind. Thamm rechnet mit der Bekämpfung islamistischen Terrors in Deutschland erst dann, „wenn Leichenteile aus dem öffentlichen Nahverkehr gezogen“ würden und Deutschland selbst betroffen sei. „Wir leisten uns viele Diskussionen vor dem Hintergrund der Nichtbetroffenheit“, sagte Thamm. Der „Islamische Staat“ gewinne mehr und mehr „Schlachten in den Köpfen der jungen Leute“, dies beeinträchtige eine ganze Generation.

Zahl der Salafisten in Deutschland verdoppelt

Der Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, sprach von einer wachsenden Zahl von Islamisten in Deutschland. Seinen Angaben zufolge habe sich binnen zweier Jahre die Zahl der Salafisten in Deutschland auf 8.900 verdoppelt. Seine Behörde beobachte Anwerbeversuche in Flüchtlingsheimen, die „glücklicherweise“ noch nicht griffen. „Viele der Flüchtlinge sind vor den Gräueltaten des sogenannten ‚Islamischen Staates‘ geflohen und radikalem Gedankengut nicht angetan“, sagte Haldewang. Eine Radikalisierung der jungen muslimischen Flüchtlinge schloss Haldewang nicht aus, wenn sich deren Erwartungen in Deutschland nicht erfüllten. Haldewang äußerte außerdem Bedenken zum generellen Verbot der radikalen Hisbollah in Deutschland, um die „Beteiligten nicht gänzlich in den Untergrund zu treiben“. Die Hisbollah ist eine schiitische Organisation, deren Ursprung im Libanon liegt und die einen im Untergrund operierenden paramilitärischen, terroristischen Zweig unterhält. Die israelische Armee sieht eine mögliche kriegerische Auseinandersetzung mit der Miliz als derzeit größte Sorge.

Bleiberecht nur bei Anerkennung der Grundwerte

Die Journalistin Düzen Tekkal forderte, den Flüchtlingen müssten die Werte des Grundgesetzes vermittelt und deren Einhaltung verpflichtend gemacht werden. „Die Flüchtlinge müssen mit Werten wie Glaubensfreiheit oder der Gleichberechtigung von Mann und Frau klarkommen. Davon sollte das Bleiberecht abhängig gemacht werden“, sagte die Jesidin. Es gehe um mehr als „Lippenbekenntnisse“. Die Probleme würden aus dem Nahen Osten nach Deutschland „importiert“. In den islamisch-patriarchalisch geprägten Strukturen muslimischer Familien würden die Kinder nicht aufgeklärt, sondern mit Vorurteilen gegen Juden erzogen. „Wir haben auf der anderen Seite auch leider Verbände, die ihrer Verantwortung dahingehend nicht gerecht werden. Sie hätten aus meiner Sicht die Aufgabe, Antisemitismus zu bekämpfen und im Keim zu ersticken“, sagte Tekkal. Leider beobachte sie das Gegenteil, zudem eine Aneignung einer kollektiven Opferrolle von Seiten der Muslime. „Die mangelnde Kritikunfähigkeit bei allem, was im Namen des politischen Islam begangen wird“, mache sie „fassungslos“. Die Jesidin sprach von „unterlassener Hilfeleistung“ beim Umgang mit Antisemitismus. Die Probleme dürften nicht klein geredet werden. „Es geht darum, Gedächtnis- und historische Erinnerungskulturen in den Schulen, gerade auch bei Schülern mit Migrationshintergrund, noch einmal neu zu hinterfragen. Es geht auch darum, den Nahost-Konflikt in die Unterrichtsfächer zu bringen.“ Der Terror kenne keine Religion und keine Herkunft. Deidre Berger vom „American Jewish Committee“ forderte die Einstufung der gesamten Hisbollah, also sowohl des politischen als auch des militärischen Zweiges, als terroristische Organisation in der gesamten EU. In den USA sei das kein Problem. Es sei wichtig, Terror als Terror zu benennen. Berger wandte sich gegen eine pauschale Verurteilung des Islam. „Jede Religion kann ihre heiligen Schriften missbrauchen“, sagte Berger. Es sei ein Missbrauch, den gesamten Islam wegen einiger weniger Suren als eine antisemitische Religion „abzustempeln“. Bei der Veranstaltung am Montag war kein Verbandsvertreter in Deutschland lebender Muslime auf dem Podium. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/paedagogik/detailansicht/aktuell/verzerrtes-israelbild-in-deutschen-schulbuechern-96406/
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