Im Kino: Die islamische Suche nach Vergebung

Gibt es im Islam Vergebung? Wie kann Allah gleichzeitig ein strenger Gott sein und doch vergeben? Einen "Garanten" für Vergebung, wie es im Christentum Jesus Christus ist, gibt es im Islam nicht. Der Film "Shahada" (so heißt das muslimische Glaubensbekenntnis) des jungen Regisseurs Burhan Qurbani zeigt eindrucksvoll Probleme und Sehnsüchte von in Deutschland lebenden Muslimen. Er läuft am Donnerstag in den Kinos an.
Von PRO

Es ist ein düsterer Film, mit dem der 29 Jahre alte Burhan Qurbani auf der Berlinale Jury und Publikum tief beeindruckt hatte. Für sein Erstlingswerk, das seine Diplomarbeit darstellt, schrieb er das Drehbuch und führte Regie. Drei Handlungsstränge begleiten muslimische Migranten in Berlin. Doch auch wenn es aufgrund der aktuellen Debatte um Integrationsprobleme und die Thesen von Thilo Sarrazin gut gepasst hätte: "Shahada" befasst sich nicht mit politischen Fragen, sondern mit dem Kern des Islam, mit den Problemen, die Gläubige mit ihm haben (können), und mit der Frage nach Vergebung im Islam.

Maryam ist die Tochter eines Imams. Eigentlich ist die 19-Jährige ein lebensfrohes Mädchen, das wie Nicht-Muslime in Discos geht und Spaß hat. Leider wurde sie unehelich schwanger, was sie verheimlicht. Sie ließ eine illegale Abtreibung vornehmen, um sich und ihrem Vater die Schande zu ersparen. Doch beim Eingriff ging etwas schief, und seitdem leidet sie unter starken Blutungen und Ohnmachtsanfällen. Immer mehr glaubt Maryam, von Allah bestraft zu werden. Ihre Mutter starb bereits an Krebs, die Schicksalsschläge können also nur ein warnendes Zeichen Gottes sein, glaubt sie. Ihr schlechtes Gewissen beherrscht sie, sie wird in ihrem Glauben immer radikaler. In der Moschee warnt sie die anderen Frauen: "Ich glaube nicht, dass es Gott interessiert, ob wir Spaß haben. Gott will, dass wir seinen Gesetzen gehorchen." Ihrem Vater, dem Imam, sowie den Mitgliedern der Gemeinde wirft sie sogar vor, viel zu tolerant und lax in ihrem Glauben zu sein. Dies sorgt natürlich für Widerstand, doch gleichzeitig auch für die Herausforderung, sich die Frage selbst zu stellen: Inwiefern vergibt Allah, der Allmächtige, eigentlich?

Schwulsein im Islam: ein Problem

Ein anderer Handlungsstrang zeigt uns Sammi, einen jungen Moslem, und seinen Arbeitskollegen Daniel, der kein Moslem ist. Beide kommen sich näher, Daniel interessiert sich für den Islam und lässt sich dessen Riten erklären. Doch dann entwickelt sich eine sexuelle Spannung zwischen beiden, es kommt zum Sex. Sammi wird von Gewissensbissen geplagt. Seine Mutter ist entsetzt, als sie davon erfährt: "Es ist Sünde." Als Sammi Hilfe beim Imam sucht, erklärt der ihm: "Der Koran sagt uns in vielem, was falsch und was richtig ist. Er will uns anleiten und Trost spenden, aber er kann uns nicht sagen, wer wir sind und wie wir zu uns stehen. In Allahs Augen sind alle Arten der Liebe gut. Das macht ihn erhaben über die Menschen, die das noch nicht begriffen haben."

Schließlich will Sammi aus Verzweiflung seinen Freund Daniel zwingen, zum Islam zu konvertieren. "Dann hat sich das mit dem Schwulsein." Er soll das muslimische Glaubensbekenntnis "Shahada" aufsagen: "Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist sein Prophet." Denn wer dies unter Zeugen ausspricht, wird zum Moslem. Daniel weigert sich, und Sammi ahnt, dass es nun an ihm liegt, sich zwischen dem Islam oder der Liebe zu Daniel zu entscheiden. Die Liebe scheint stärker zu sein.

Der Dritte, der unter dem Islam eher zu leiden als aufzublühen scheint, ist der Polizist Ismail. Gemeinsam mit seiner Freundin, einer deutschen Nicht-Muslimin, hat er einen Sohn. Doch Ismail verlässt sie zugunsten der Muslimin Arzu. Auch Ismail ist von Gewissensbissen geplagt, weil er Arzus Sohn erschoss. Diese jedoch wollte ihr Kind während der Schwangerschaft ohnehin nicht und hatte Allah darum gebeten, dass er es ihr nehmen möge.

"Shahada" ist geprägt von einer Düsternis und Traurigkeit, die vor allem von einem Islam herrührt, der zwar strenge Regeln aufstellt, doch nicht klarstellt, ob Gott auch dann liebt und umsorgt, wenn man seine Gesetze nicht hält. Der Imam macht sich diese theologische Frage bewusst und fragt in seiner Predigt: "Was heißt es, ein guter Muslim zu sein?" Er ruft dazu auf, dass man Gott für Sünden um Vergebung bitten solle, er sei barmherzig. Doch für seine Tochter Maryam klingt dies in ihrer schweren Situation wie Hohn. "Das kann doch nicht sein", ruft sie zum Erstaunen der Gemeindemitglieder dazwischen. "Gott sieht und Gott straft. Ihr könnt doch nicht glauben, dass es so einfach geht, dass ihr sündigt und euch selbst vergebt!" Sie predigt wie im Wahn von Endzeit und Bestrafung, ihre Erkrankung zwingt sie ins Krankenhaus.

Eine Lösung, eine Antwort auf die Frage, ob, wie, wann und warum Allah vergibt, finden die Personen des Films nicht. Bis zuletzt bleibt die drückende Schwere auf ihnen und über dem Film, der filmisch und musikalisch beeindruckend gemacht ist und gar nicht nach einem Erstlingswerk aussieht. Ein winziger Lichtblick, der die Frage nach Vergebung aufgreift und Trost spenden könnte, kommt zum Schluss auf, als der kleine Sohn von Ismail und dessen deutscher Freundin Sarah seinen Vater mit einem Gebet trösten möchte. Doch es ist ein christliches Gebet, das er spricht: "Müde bin ich, geh zu Ruh, schließe beide Augen zu. Vater, lass die Augen dein über meinem Bette sein. Hab ich Unrecht heut getan, sieh es, lieber Gott, nicht an. Deine Gnade gibt uns Mut, und macht allen Schaden gut." (pro)

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