Perücken-Parade mit zwei Alberts

Der Film "Albert Schweitzer - Ein Leben für Afrika", der am 24. Dezember in die Kinos kommt, wird es schwer haben. Das Leben des Urwald-Doktors, Theologen, Musikwissenschaftlers und Philosophen muss vielschichtig und spannend gewesen sein –  der jüngste Film über ihn aber ist einseitig, langweilig und zäh. Leider griffen sich die Macher nur winzige Teile seines Lebens heraus, und diese sind auch noch verwirrend wiedergegeben.
Von PRO
Albert Schweitzer war Theologe, und zwar ein glühender. Das Liebesgebot Jesu war für ihn Antrieb, Medizin zu studieren und denen zu helfen, um die sich sonst kaum jemand kümmert. In Lambaréné im Urwald von Gabun gründete er ein Krankenhaus und ist wegen seiner Aufopferung bis heute Vorbild für viele.

In dem Film "Albert Schweitzer – Ein Leben für Afrika", produziert von der Filmgesellschaft "Salinas", "Two Oceans Productions" und der ARD, verkommt die große Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts hingegen zu einem tattrigen Mann ohne Plan und feste Überzeugungen. Von dem Esprit eines Gott liebenden Menschen keine Spur. Filmisch gesehen kann man nicht davon sprechen, dass dieser Streifen einige "Längen" hat – er ist eine einzige Länge, die ab und zu durchbrochen wird von der Ahnung einer möglichen Spannung – angekündigt von Krimi-Musik. Diese Hoffnung wird jedoch stets enttäuscht. Die Filmmusik verspricht in regelmäßigen Abständen unvermittelt Spannung, ohne dass diese Versprechen je eingelöst werden. Ein Beispiel: Es klingelt an der Tür, die Musik kündigt eine entscheidende, vielleicht furchtbare Wende, oder doch wenigstens endlich Aufregung im dahin tröpfelnden Einerlei an, doch alles, was passiert, ist: zwei Gäste besuchen das Haus der Schweitzers. Der Film und seine Musik widmen sich der nächsten, am Ende wieder nicht erfüllten Ankündigung eines Spannungsgipfels.

Ausgerechnet Armin Rohde als Albert Einstein

Warum ausgerechnet dem vielleicht quirligsten deutschen Schauspieler, dem 54-jährigen Armin Rohde, eine der zahlreichen grauen Perücken dieses Films aufgesetzt wurde, damit er den Erfinder der Relativitätstheorie, Albert Einstein, verkörpert, bleibt eines der Rätsel des Films. "Ich werde ständig mit dir verwechselt", raunt der eine Albert dem anderen zu und setzt damit auch gleich das Humor-Level dieses Films fest. Kein Wunder, denn die beiden grau gepuderten Charaktere gleichen sich dank Maskenbildner wie Zwillinge.

Die Geschichte irrt um Andeutungen imaginärer Gegner Schweitzers, die CIA, einen Militärgeneral in Afrika und Spione, die den Arzt belauern. Sinn macht das alles nicht, aber den Filmemachern schien die angetäuschte Spannung ausgereicht zu haben. Immer wieder sollen CIA-Agenten ein wenig Würze in das Geschehen bringen – in anderen Filmen klappt das ja schließlich auch. Dann lugt einer der Schlapphüte grimmig aus einer dunklen Ecke, danach kann sich der Film wieder anderen Belanglosigkeiten widmen.
 
Ob der Zuschauer versteht, warum diese ominösen Gegner eigentlich die Klinik Schweitzers schließen wollen, war den Filmemachern eventuell nicht wichtig. Schweitzer sei Kommunist, werfen ihm Amerikaner vor. Aber warum? Weil er gegen die Atombombe ist? Weil er "Ehrfurcht vor dem Leben" ("Freundschaftsgequatsche") predigt? Aber selbst wenn Schweitzer Kommunist wäre – warum soll deswegen seine Klinik im Dschungel, fernab von Amerika und Europa, geschlossen werden? Entweder die Filmemacher haben es selbst nicht verstanden, oder sie gingen davon aus, dass der Zuschauer bereit sei, für ein bisschen angetäuschte Handlung Unplausibilitäten in Kauf zu nehmen.
 
Albert Schweitzer, ein Mann voller theologischer Weisheit, dessen Glaube für ihn Antrieb war, sich Risiken und Krankheiten auszusetzen, um unter widrigsten Umständen in Afrika Kranke zu heilen, ein Mann, dessen Begeisterung für Johann Sebastian Bach, den "fünften Evangelisten", bis heute nachwirkt, war mit Sicherheit ein anderer, als dieser Film es uns weismachen will. So sitzt der große Bach-Experte Schweitzer in diesem Film zwei Mal abends traurig in seinem Dschungel-Hospital vor einem Klavier und schlägt nachdenklich zwei Töne an. Die Parole "Ehrfurcht vor dem Leben" hingegen, die Schweitzer zweifelsfrei wichtig war, erhebt dieser Film zu dessen einzigem Leitbild und lutscht sie so lange aus, bis sie der Zuschauer nicht mehr hören kann.

Weihnachten, Kerzen, Humanismus

"Alber Schweitzer – Ein Leben für Afrika" hat keine Struktur, und er will nichts. Die Atmosphäre gleicht der eines Wachsfigurenkabinetts. Die Ärzte des Krankenhauses reden nicht wirklich mit ihrem Chef über irgendetwas Relevantes, die Streits wirken fungiert, der Sinn liegt irgendwo im Dschungel verborgen. Offenbar soll Schweitzer lediglich als altmodischer, seniler Despot dargestellt werden, der sogar berechtigte Kritik mit dem Argument wegwischt, seine Kollegen wollten wohl den Aufstand proben.

Am Schluss sind es die Patienten des Krankenhauses, eigentlich schwer leprakrank und bettlägerig, die mit einem Mal die glücklichsten Menschen sind und tanzend und singend Schweitzer dazu bringen, nicht wie geplant abzureisen, sondern das Krankenhaus weiter zu führen. Das Hospital erscheint im Film eigentlich eher wie eine günstige Dschungel-Unterkunft, deren Bewohner ausschließlich deswegen dort verweilen, weil sie Albert Schweitzer und seine schlecht auf alt geschminkte Frau Helene so lieben.

Dass der Film ausgerechnet am 24. Dezember in den Kinos startet, dürfte kein Zufall sein. Doch mit dem christlichen Glauben oder mit dem Tag, an dem das Licht Gottes in die Welt kam, hat er rein gar nichts zu tun. Bei der Schlussszene, der Verleihung des Nobelpreises an Schweitzer in Stockholm, stehen in der Nacht Hunderte vor den Toren der Halle. Jeder von ihnen hält eine Kerze in der Hand, und Worte aus Schweitzers Dankesrede sind zu hören: "Jeder kann es haben, sein eigenes Lambaréné." Das Licht des Humanismus, es soll wohl auch zu Weihnachten in den Kinos leuchten. (pro)
http://www.albertschweitzer-derfilm.de
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