Das gar nicht finstere Mittelalter

Gerade erst lief mit "Vision" ein Spielfilm über die starke Glaubensfrau Hildegard von Bingen in den Kinos an. Am heutigen Donnerstag startet "Die Päpstin", ein Film über eine junge Frau, die im 9. Jahrhundert angeblich zum Oberhaupt der Katholischen Kirche gewählt wurde. Das Mittelalter ist wieder in. Zumindest im Kino.
Von PRO

Und es ist nicht nur das Mittelalter, das Filmemacher derzeit wieder aufgreifen, es sind starke religiöse Personen, die entgegen den mächtigen Dogmen der Institution Kirche ihren eigenen (Glaubens-)Weg gehen.

Die Kritiken zum Film von Sönke Wortmann sind überwiegend negativ. Die "Zeit" nennt die Verfilmung des Bestsellers "Die Päpstin" eine "gedankenarme" Wiedergabe des Buches, vollgestopft mit Klischees, wie "Klein Fritzchen" sich das Mittelalter vorstellt. Der Film erinnere an Karneval, fand nicht nur der Kritiker der "Zeit". Das Mittelalter erscheine beim Regisseur von "Das Wunder von Bern" und "Der bewegte Mann" wie ein "filmischer Dinkelbrei".

Aber war das Mittelalter so, wie "Klein Fritzchen" es sich vorstellt? Beulenpest, Dreck, Hexenverfolgung und dumpfes Glauben an kirchliche Dogmen statt eigenständiges Denken? Oft wird das "finstere Mittelalter" mit kirchlicher Gläubigkeit gleichgesetzt – oder umgekehrt. "Du glaubst noch? Lebst Du noch im Mittelalter?", ist ein gern vorgebrachter Angriff von Atheisten. Das Mittelalter sei eine "düstere Epoche" gewesen, sagte die Autorin der "Päpstin", Donna Cross, diese Woche im Interview mit der "Welt". Denn: "98 Prozent der Menschen waren Analphabeten."

Wie finster aber war, danach beurteilt, dann die griechische Antike? Der Film "Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen" zeigte jüngst: Klöster waren zur damaligen Zeit die eigentlichen Keimzellen von Wissenschaft, Forschung und Lehre. Der Glaube war eine starke Motivation zum Forschen und zum Helfen der Menschen. Augustinus, Thomas von Aquin, Hieronymus, Anselm von Canterbury oder Erasmus von Rotterdam, alle großen Philosophen jener Zeit waren fast immer auch gläubige Theologen. Und schließlich war es der Augustinermönch Martin Luther, der, tiefgläubig, bereits im 16. Jahrhundert die Aufklärung vorwegnahm, wie das Magazin "GEO Epoche" in seiner aktuellen Ausgabe darlegt. Jene Aufklärung, die Atheisten unserer Tage gerne als Speerspitze gegen den Glauben ansetzen.

"Das Mittelalter war keineswegs so finster, wie es oftmals dargestellt wird", betonen immer wieder Historiker, wie zum Beispiel der Romanist Thomas Städtler von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Und auch die Berliner Historikerin Karin Schneider-Ferber entlarvt in ihrem neuen Buch "Alles Mythos!: 20 populäre Irrtümer über das Mittelalter", dass die Zeit zwischen 500 und 1500 alles andere als "dunkel" war.

Im Juli verabschiedete die Republik Irland einen Gotteslästerungsparagraphen, der blasphemische oder antireligiöse Veröffentlichungen unter Geldstrafe stellt. Chef-Atheist Richard Dawkins sprach daraufhin von einer "Rückkehr ins Mittelalter". Sicher gab es schlimme Auswüchse von religiösen Irrlehren, Hexenverfolgungen und Krankheiten im Mittelalter. Aber wenn es um Glauben geht, sollte sich vielleicht jeder überlegen, was er über Christsein und ein angeblich so finsteres Mittelalter als
Argument anführt. (PRO)

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