„Illuminati“ im Kino: Dan Browns provokante Fiktion

Der Erfolg von Dan Brown und die immer wieder aufkommenden Debatten um seine Bücher steuern in dieser Woche auf einen neuen Höhepunkt zu: Die Verfilmung seines Romans "Illuminati" kommt in Deutschland in die Kinos. Brown ist ein Meister der Ignoranz von Fakten, die er dennoch als Tatsachen verkauft: "Science Faction" statt "Science Fiction".
Von PRO

Es ist immer wieder das Gleiche mit Dan Brown: Wie kaum ein anderer Autor der Gegenwart schafft es der Amerikaner, seine Fangemeinde mit Romanen zu faszinieren, die unter einen Deckmantel von Fakten lanciert werden. Dabei schreckt Brown vor nichts zurück. Er vermischt Legenden mit Tatsachen, erfindet geschichtliche Zusammenhänge, ignoriert religiöse und philosophische Positionen und missachtet physikalische Gesetzmäßigkeiten. In seinem Roman ist all das möglich. Doch Dan Browns Bücher sind keine „Science Fiction“-Werke, die in ferner Zukunft mögliche Szenarien beschreiben und literarisch aufarbeiten. Seine Geschichten sind in der Gegenwart angesiedelt, greifen auf tatsächlich vorhandene Gebäude wie Kirchen und Institutionen zurück – und stellen all dies Faktische in einen Kontext der Mythen und Erfindungen. Brown unterstützt den Glauben seiner Leser an die korrekten Darstellungen seiner Erzählungen in seinen Büchern: „Sämtliche in diesem Roman erwähnten Werke der Kunst und Architektur und alle Dokumente sind wirklichkeits- bzw. wahrheitsgetreu wiedergegeben“, schreibt er auf den ersten Seiten seines Bestsellers „Sakrileg“.

Jesus, Maria Magdalena – und die Nachkommen

Wie gekonnt der Autor seine Fakten mystisch darstellt, wird schon in seinem Bestseller „Sakrileg“, so der Titel der 2004 in Deutschland erschienenen Ausgabe von „The Da Vinci Code“, deutlich. Nichts weniger als die Herkunft von Jesus Christus thematisierte Brown in dem Roman. „Sakrileg“ erzählt eine Version der Geschichte des Heiligen Grals. Der von den traditionellen Kirchen überlieferte Glaube sei eine große Fälschung. Jesus sei nicht etwa am Kreuz gestorben, wie es die Evangelien berichten, sondern habe Maria Magdalena geheiratet, beide zeugten eine Tochter und wanderten nach Frankreich aus. Dort begründeten sie das königliche Geschlecht der Merowinger. Die Geschichte schildert Brown als das „größte Geheimnis des Christentums“, dessen Enthüllung die etablierten Kirchen mit aller Gewalt zu verhindern suchen.

Die Handlung von „Sakrileg“ verlegt Brown ebenfalls an Orte und in Gebäude, die jeder kennt: Paris, den Louvre, Westminster Abbey in London. Überall seien kryptische Hinweise verborgen, die bislang noch niemand entdeckt habe. Auch aus diesem Grund muss ein „Symbologe“ der Universität Harvard, Robert Langdon, durch Kirchen, unterirdische Gänge und Gassen hetzen, um die Puzzelteile zu einem Ganzen zusammenzufügen. Dass es den Fachbereich „Symbologie“ weder an der Universität Harvard noch an einer sonstigen Fakultät gibt, ist für Brown freilich nicht von Belang.

Millionen für Hollywood

Am 18. Mai 2006 lief die Verfilmung des Romans unter dem Titel „The Da Vinci Code – Sakrileg“ in den Kinos an. Regie führte Ron Howard, bekannt etwa für seine Filme „Apollo 13“ oder aktuell „Frost/Nixon“. 2001 erhielt er für „A Beautiful Mind“ einen Oscar für die beste Regie. Zu den Darstellern gehören unter anderen Tom Hanks, Jean Reno und Audrey Tautou. Immerhin den zweiterfolgreichsten Kinostart aller Zeiten konnte „The Da Vinci Code – Sakrileg“ verzeichnen, mit einem geschätzten Budget von 125 Millionen Dollar spielte er weltweit rund 757 Millionen Dollar ein, was ihm derzeit Platz 24 der erfolgreichsten Filme aller Zeiten sichert.

Grund genug natürlich, auch Dan Browns „Illuminati“ zu verfilmen. Der ebenfalls von Regisseur Howard gedrehte Streifen startet am Mittwoch (13. Mai) in Deutschland. Bereits 2000 erschien der Band unter dem Titel „Angel and Demons“ in Amerika, erst 2003 in Deutschland. Hauptfigur ist erneut der „Symbologe“ Langdon, wiederum gespielt von Tom Hanks.  Er entdeckt in dem Roman Beweise dafür, dass die angeblich mächtigste Untergrundbewegung der Geschichte, der Geheimbund der „Illuminati“, wiederauferstanden sei. Die katholische Kirche stellt Brown als Erzfeind der Illuminaten dar. Der Vatikan soll nun durch eine im Forschungslabor „Cern“ in der Schweiz hergestellte „Antimateriebombe“ zerstört werden. Im Laufe der Geschichte werden Kardinäle brutal ermordet, Langdon und seine Partnerin Vittoria Vetra hetzen von einem „Symbol“ zum nächsten durch Rom, den Vatikan und Krypten. Vom Vatikan gibt es keine überlieferten Äußerungen wie noch zu „Sakrileg“, von dem Gläubigen abgeraten wurde. Katholiken aber kritisierten Regisseur Howard vor einigen Tagen, er sei „anti-katholisch“ (pro berichtete).

Mythos Fakten

Und auch in „Illuminati“ zeigt sich, wie kunstvoll der Starautor Fakten und Mythen, Fiktion und Wirklichkeit miteinander zu „Brown’schen Tatsachen“ verquirlt. Da geht es um solche Aussagen wie die aus Browns Vorwort zum Buch, dass „Kunstwerke, Gruften, Tunnel und Bauten in Rom“ auf Tatsachen beruhten und dass „die Bruderschaft der Illuminati existiert“. Dabei stimmen in den meisten Fällen weder die Lage der Bauten noch deren Beschreibung mit der Wirklichkeit überein. Und dass der „Illuminaten-Orden“ bis in die Gegenwart existiert, ist nicht belegbar. Nur Brown erhebt solche Spekulationen zu Fakten.

Wahr ist, dass das Forschungszentrum „Cern“ in der Schweiz existiert. Erst in den vergangenen Monaten ging der weltweit größte Teilchenbeschleuniger durch die Presse, weil erste Experimente, durch die die Situation des „Urknalls“ simuliert werden soll, aufgrund technischer Pannen verschoben wurden. Was aber im „Cern“ nicht entwickelt wurde, ist „Antimaterie“. Die Wissenschaftler machen das eigens aufgrund des Romans auf ihrer Website klar.

Ja, und dann sind da noch zahlreiche andere, nicht unwesentliche Falschbehauptungen, die Brown seinen Lesern als Fakten verkauft – findige Autoren weisen auf „Wikipedia“ darauf hin. Hier eine Auswahl: Die angeblichen Illuminati-Zeichen „Pyramide und Stern“, die Langdon im Pantheon und auf der Porta del Popolo sieht, stellen in Wirklichkeit sechs Hügel dar – das Wappen Papst Alexander VII. Die Taube auf dem Vierströmebrunnen, die in die Richtung der Engelsburg blickt, wird jährlich von der römischen Stadtreinigung entfernt und in beliebiger Position wieder aufgesetzt. Sie kann demnach nicht als Wegweiser dienen. Die Kirche Santa Maria della Vittoria steht nicht auf der Piazza Barberini, sondern 500 Meter von dieser entfernt. Der Engel in der Skulptur „Die Verzückung der Heiligen Theresa“ (…) weist seinen Pfeil nach unten und nicht zur Piazza Navona, wie im Buch behauptet wird; die Kirche ist auch nicht geostet, sondern ziemlich genau nach Nordwesten hin ausgerichtet. Anders als im Buch zugrunde gelegt, hat nicht Galileo Galilei die Ellipsenform der Planetenbahnen erkannt, sondern Johannes Kepler. Winston Churchill als Angehöriger des britischen Hochadels und Premierminister war kein Katholik, wie Brown das meint, sondern Anglikaner.

Zeitgeist der Postmoderne

Warum aber faszinieren Browns Geschichten Millionen Menschen? Mit Sicherheit auch deshalb, weil seine Romane den Zeitgeist der Postmoderne wie kaum andere bedienen. Spannende Unterhaltung mit allen Zutaten – gespickt mit ein wenig Sinnsuche. Brown bedient sich alter Formen und Symbole, entleert diese ihres ursprünglichen Sinnes, kombiniert und deutet sie neu und damit auch willkürlich. Schließlich unterwirft er sie seiner Story. Die Menschen heute suchen nach Sinn und Deutung ihrer scheinbar beliebig kombinierten Welt. In Browns Romanen wird aus Altbekanntem plötzlich Neues geschlossen. Die Welt erscheint voller Hinweise auf diese bisher verborgenen Wahrheiten und alles erhält eine tiefere Bedeutung. Diese Art von Gedankenspielen beherrscht Brown perfekt.

Natürlich, seine Erzählungen sind Romane, wie Brown nicht müde wird zu betonen. Der Roman als literarische Gattung zeichnet sich nun einmal dadurch aus, dass die Geschichten darin frei erfunden sind. Doch „Sakrileg“ und „Illuminati“ sind nicht bloß literarische Erfindungen, sondern bewusste „Science Faction“-Erzählungen: Wissenschaft („Science“) und angebliche Fakten („Facts“) werden im Sinne der unterhaltsamen Wissensvermittlung („Edutainment“) geschickt miteinander verbunden. Von daher ist es unsinnig, mit „Sakrileg“ durch Paris oder „Illuminati“ durch Rom zu laufen und sich auf Spurensuche nach Verschwörungsbünden und Vatikanhassern zu begeben. Obwohl: Wenn‘ s hilft, Dan Brown als den zu sehen, der er ist – warum nicht.

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