Kontroverse: Scientologe Tom Cruise als Stauffenberg?

B e r l i n (PRO) - Er war eine der Hauptfiguren des aktiven Widerstands gegen Hitler: Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Nun soll sein Leben verfilmt werden. In der Hauptrolle: Tom Cruise, einer der gefragtesten Schauspieler Amerikas. Doch wegen dessen "Scientology"-Zugehörigkeit regt sich in Deutschland massiver Protest, der Hollywood ziemlich verblüfft. Zwei Welten prallen aufeinander.
Von PRO

Der aktuelle Streit, der immer mehr die Aufmerksamkeit der internationalen Presse auf sich zieht, begann Mitte Juni, als der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Uwe Benneter den amerikanischen Star als „nicht gesellschaftsfähig“ bezeichnete. Dass „ausgerechnet der bekennende Scientology-Anhänger“ den deutschen Widerstandskämpfer von Stauffenberg spielen solle, sei für ihn „ein Schlag ins Gesicht aller aufrechten Demokraten, aller Widerstandskämpfer im Dritten Reich, aller Opfer der Scientology-Sekte“, so der Justiziar der SPD-Bundestagsfraktion. Zwei Tage später sprach sich auch der Sohn des Hitler-Attentäters, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, in der „Süddeutschen Zeitung“, vehement gegen Cruise in der Besetzung aus: „Er soll seine Finger von meinem Vater lassen.“ Dem 72-jährigen pensionierten Generalmajor sei es „unsympathisch“, dass ein bekennender Scientologe seinen Vater verkörpere, und er befürchte, es käme ohnehin nur ein „grauenvoller Kitsch“ und „Mist“ dabei heraus.

Daraufhin brach hierzulande eine Welle des öffentlichen Protestes gegen Cruise los, die noch lange nicht abgeebbt ist und voraussichtlich noch mindestens bis zum Filmstart 2008 zu spüren sein wird. In Amerika ist das Signal angekommen: Deutschland mag Scientology nicht, und Deutschland mag Tom Cruise nicht. „Fast scheint es, als ob da endlich mal wieder eine Glaubensgemeinschaft so richtig gehasst werden darf, ohne dass man sich politischer Inkorrektheiten schuldig macht“, mutmaßte ein Kommentator der „Süddeutschen Zeitung“. Deutsche Abgeordnete bis hin zu Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) melden sich mit lautem Protest gegen Cruise als Stauffenberg.

Scientology ist eine Weltanschauung, die auf den amerikanischen Science Fiction-Autor Ron Hubbard zurückgeht. Zu Recht steht die Organisation unter Kritik: ehemalige Mitglieder der Science Fiction-Lehre berichten von totalitären Strukturen, Gehirnwäsche und enormem Druck auf Kritiker. Der Verfassungsschutz, der die Organisation beobachtet, bezeichnete sie 2006 als „undemokratisch und totalitär“. Er geht dabei von rund 6.000 Mitgliedern in Deutschland aus. Scientology ist hier lediglich als Verein anerkannt. Auch wenn ihre Lehre psychotherapeutische Methoden umfasst, die den meisten hierzulande wie moderne Scharlatanerie vorkommen, in Amerika ist die „Church of Scientology“ als Religionsgemeinschaft anerkannt. Und kaum etwas ist im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wichtiger als die Freiheit des Einzelnen, insbesondere die Religionsfreiheit.

„Ein Glück für Deutschland“ oder „entwürdigend“?

„Valkyrie“ soll der Film von Star-Regisseur Bryan Singer heißen, benannt nach dem „Operationsplan Walküre“, den Stauffenberg und seine Helfer für den Staatsstreich 1944 ausarbeiteten. Singer wurde mit dem zweifach Oscar-gekrönten Krimi „Die üblichen Verdächtigen“ berühmt, später drehte er Erfolgsfilme wie „X-Men“ und „Superman returns“. Wenn sich eine solche Größe einen Deutschen wie Stauffenberg für einen neuen Film aussuche und dann auch noch den „erfolgreichsten aller Superstars“, Cruise, dafür gewinnen konnte, sei das für Deutschland ein „Glücksfall“, mahnte Deutschlands neuer Meister-Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Donnersmarck, der in diesem Jahr für „Das Leben der Anderen“ den Oscar gewann und gute Kontakte nach Hollywood hat, zeigte sich entsetzt über das Gebaren der Deutschen. Wenn Cruise, der in einem Jahr nur einen Film drehe, während etwa jemand wie Robert de Niro im gleichen Zeitraum in über vierzig mitspiele, zusage, würde dies „das Ansehen Deutschlands mehr befördern, als es zehn Fußball-Weltmeisterschaften hätten tun können.“ Neben Oskar Schindler, der durch Steven Spielberg erst weltweit bekannt wurde, könnte Stauffenberg zu einem weiteren „guten Deutschen“ werden, der den Mut hatte, sich dem Hitler-Regime entgegenzustellen. Und für erfolgreiche Filme sind berühmte Stars nun einmal unerlässlich, erinnert Donnersmarck.

Doch das Bundesfinanzministerium lehnte eine Drehgenehmigung für den Bendlerblock kategorisch ab. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) verteidigte diesen Entscheid mit dem Verweis auf die historische Bedeutung des Ortes, an dem Stauffenberg mit anderen Verschwörern im Hof des Gebäudes nach dem gescheiterten Anschlag auf Hitler vom 20. Juli 1944 erschossen worden war. „Die Würde dieses Ortes kann durch Dreharbeiten verletzt werden, selbst wenn das von dem Filmteam nicht beabsichtigt ist“, sagte Neumann. Doch wurde es dem Filmteam um den deutschen Regisseur Jo Baier vor vier Jahren erlaubt, an eben diesem Ort die Hinrichtungsszene für den Film „Stauffenberg“ zu drehen.

Auch die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg stellte klar, dass sie mit Cruise als bekanntestem Vertreter der Sekte nichts zu tun haben wolle: „Cruise in dieser Rolle muss verhindert werden“, mahnte der Sektenbeauftragte Thomas Gandow. Als der deutschen Schauspielerin Alexandra Maria Lara („Der Untergang“) eine Rolle neben Tom Cruise in „Valkyrie“ angeboten wurde, lehnte diese ab. Sie habe „terminliche Schwierigkeiten“, ließ die 28-Jährige verlauten, verständlich oder nicht.

Schwer verständlich ist die deutsche Aufregung um Cruise in den USA. „Ehrlich gesagt war mir nicht bekannt, dass Scientology in Deutschland ein Streitpunkt ist“, sagte Regisseur Bryan Singer gegenüber der „New York Times“. Es gebe keinen besseren Weg, an die Nazi-Ära zu erinnern, als einem Mann wegen seines Glaubens die Arbeit vorzuenthalten, empörte sich ein Kommentator der Zeitung „Philadelphia Daily News“. Ironisch nahm die US-Presse dann auch die Nachricht vom Freitag auf, als das traditionsreiche Studio Babelsberg nun doch die Unterzeichnung der Koproduktionsverträge verkündete. Der Beginn der Dreharbeiten für „Valkyrie“ ist für den 19. Juli geplant. Der Deutsche Filmförderfonds (DFFF) steuert 4,8 Millionen Euro bei.

„Der Verteidigungsminister, die Baltikum- und Sektenexpertin der Union, Sozis, Freidemokraten – sie alle haben in einem heroischen Kampf den Bendlerblock erfolgreich gegen einen ganzen Scientologen verteidigt“, kommentierte ein Autor des „Tagesspiegel“ ironisch. Ein Film, dessen Hauptdarsteller an die Geschichte Hubbards glaubt, dass nämlich „vor 75 Millionen Jahren ein Herrscher namens Xenu viele Milliarden seiner Untertanen in Vulkane geworfen und mit Wasserstoffbomben in die Luft gesprengt hat“ und auf technischen Unfug wie den „E-Meter“ vertraue, müsse jetzt nur noch auf den Index gesetzt werden.

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