Wie viel Klartext redet der Papst?

Am Donnerstag kam das zweite Jesusbuch des Papstes auf den Markt. "Jesus von Nazareth. Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung" soll in acht Sprachen erscheinen und in Deutschland eine Startauflage von 150.000 Exemplaren haben.
Von PRO

Der erste Band des Buches wurde im deutschsprachigen Raum über 500.000 Mal verkauft. Er war im April 2007 zum 80. Geburtstag Benedikt XVI. erschienen. Von dem neuen Buch hatte der Vatikan in der vergangenen Woche schon vorab drei Kapitel auf Italienisch veröffentlicht. Die "Bild"-Zeitung hatte seit der vergangenen Woche als einzige deutsche Tageszeitung in einer großen Serie exklusive Auszüge des 360-Seiten-Werkes abgedruckt. Eigentlich wollte der Papst das Buch bereits im Sommer 2009 fertigstellen. Die Veröffentlichung musste nach einem Unfall des Oberhaupts der Katholischen Kirche verschoben werden. Mit einem Diktiergerät hatte er den Text schließlich im September vollendet.

Christologie, die vom Leben Jesu ausgeht

Während Ratzinger im ersten Band die Bergpredigt und die Gleichnisse Jesu beleuchtet, setzt er sich nun mit den unbequemen, schwierigsten Fragen und Glaubensinhalten des Christentums auseinander. Der Papst selbst betont in seinem Vorwort, dass er die theologische und die historische Dimension verbinden möchte. Er spricht von einer "Christologie von unten", die vom Leben Jesu ausgeht. Ein zentrales Thema ist die Frage nach dem Sühnetod Jesu und seiner Auferstehung: "Die Realität des Bösen, des Unrechts, das die Welt entstellt und zugleich das Bild Gottes verschmutzt – diese Realität ist da, durch unsere Schuld. Sie kann nicht ignoriert, sie muss aufgearbeitet werden", schreibt Ratzinger. Es werde aber nicht etwa durch einen grausamen Gott Unendliches verlangt. "Es ist genau umgekehrt: Gott selbst richtet sich als Ort der Versöhnung auf und nimmt das Leid in seinem Sohn auf sich."

"Der christliche Glaube steht und fällt mit der Wahrheit des Zeugnisses, dass Christus von den Toten auferstanden ist", redet Benedikt XVI. Klartext. Einen naiven Auferstehungsglauben lehnt der Papst ab. "Jesus ist kein ins allgemein biologische Leben Zurückgekehrter, der dann nach den Gesetzen der Biologie eines Tages wieder sterben müsste. Jesus ist kein Gespenst ("Geist")." Für Benedikt XVI. ist die Auferstehung "ein Ereignis in der Geschichte, das doch den Raum der Geschichte sprengt und über sie hinausreicht". Die Auferstehung sei als so etwas wie ein "radikaler Mutationssprung anzusehen, in dem sich eine neue Dimension des
Lebens, des Menschseins auftut". Die Auferstehung Jesu führe über die
Geschichte hinaus, "aber sie hat eine Fußspur in der Geschichte hinterlassen". Für sein Werk wurde Benedikt XVI. als "Defendor Fidei" (Verteidiger des Glauben) bezeichnet. Der historisch-kritischen Bibelauslegung hält er vor, mit ihrer Reduktion auf nachprüfbare Fakten die theologische Dimension auszublenden und damit zu kurz zu greifen.

"Klar in der Sache, warm und gewinnend"

Thomas Söding, Neutestamentler an der Universität Bochum und einer der renommiertesten deutschen Bibelforscher, hält das neue Buch deswegen für bedeutsam, weil es der Gesellschaft zeige, "wie man von Jesu Tod und Auferstehung so sprechen kann, dass Gott ins Spiel kommt". Der Papst setze sein Amt als Sprecher der Christenheit ein, "um sich mit der größten Geschichte nicht nur des christlichen Glaubens, sondern der ganzen Welt zu befassen. Diese Geschichte bringt Gott und das Leid der Menschen zusammen. Sie macht Hoffnung über den Tod hinaus", so Söding gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Aus seiner Sicht solle das Buch Menschen helfen, Jesus zu begegnen und seine Freundschaft zu erfahren. Der Bochumer Wissenschaftler gehört auch der internationalen Theologenkommission des Vatikans an.

"Der Papst beschreibt Christus mit einer Deutlichkeit, die man bei vielen anderen Kirchenvertretern vermisst", analysiert Christoph Stenschke, Dozent für Neues Testament an der Biblisch-Theologischen Akademie , Forum Wiedenest, in einem Gastkommentar in "Idea spektrum." Die Ausführungen zur Auferstehung seien beachtlich: "Klar in der Sache und in der Sprache bescheiden, warm und gewinnend nimmt er die Leser an die Hand, um mit ihnen das Angesicht Jesu zu sehen." "Benedikt schreibt über die Erfüllung der Schrift durch den Verrat und durch die Unfreiheit, die entsteht, wenn man sich von Jesus Christus abwendet", erklärt der Leiter der deutschsprachigen Redaktion von "Radio Vatikan", Pater Bernd Hagenkord gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

Heftiger Gegenwind bläst dem Papst und der Katholischen Kirche von einem prominenten Theologen entgegen. Der Tübinger Professor Hans Küng bringt zeitgleich am Donnerstag ein Buch mit dem Titel "Ist die Kirche noch zu retten?" heraus, in dem er kein gutes Haar am Papsttum lässt. Nur eine radikale Reform könne der Kirche helfen: Weniger Papst, mehr Jesus. Notfalls müssten die Gläubigen ihre Kirche auch gegen den Willen des Papstes retten. (pro/dpa)

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen