Scientology am Pranger: Neues Buch über Tom Cruise und seine „Psycho-Sekte“

Der Hollywoodstar Tom Cruise gilt als Vorzeige-Scientologe schlechthin. Am Dienstag ist ein Buch über ihn und seine wichtige Rolle in der Scientology-Organisation erschienen, das an beiden kein gutes Haar lässt. Das Magazin "Stern" widmet der offensichtlich machthungrigen Organisation die Titelgeschichte seiner aktuellen Ausgabe.
Von PRO

Der britische Autor Andrew Morton recherchierte zwei Jahre lang zum Leben des erfolgreichen Schauspielers Tom Cruise, der mehr und mehr zum Aushängeschild der „Kirche von Scientology“ wurde. Morton durfte den 45-Jährigen selbst nicht interviewen, er bekam stattdessen schon im Voraus „tonnenweise Drohbriefe von seinem Anwalt“, wie er berichtet.

Die beiden „Stern“-Autoren Claus Lutterbeck und Werner Mathes berichten von einem Buch, das besonders Leser in Deutschland aufrütteln könnte, weil es die mögliche Strategie der Scientologen hierzulande aufzeigen soll. Lutterbeck besuchte den Biographen Morton in London, der 1992 mit einer Biographie der englischen Prinzessin Diana bekannt wurde. Sein Kollege Mathes beschäftigt sich bereits seit einigen Jahren mit Scientology und ehemaligen Mitgliedern.

Film über Hitler-Attentäter war „geschickter Schachzug“ der Sekte

„Die Mission des Tom Cruise“ lautet der Titel ihrer Geschichte im „Stern“. Cruise, der „Kreuzritter“, habe besonders durch die Verfilmung des Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg den Versuch gestartet, mit Scientology in Deutschland Fuß zu fassen. Cruise sei „überlebenswichtig für den schwächelnden Scientology-Konzern“, dem in Deutschland gerademal 5.000 bis 6.000 Mitglieder angehörten, schreiben die Autoren.

Im November 2007 wurde Cruise in Düsseldorf mit dem Bambi des Burda-Verlages geehrt. Der Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Frank Schirrmacher, betonte in seiner Laudatio, dass er in Cruise einen „Querdenker“ sehe. Er habe den Mut gehabt, dem Vorurteil entgegenzuwirken, dass es in Deutschland keine Menschen gegeben habe, die sich den Nazis widersetzten. „Es bedurfte eines Weltstars, um sich damit im Ausland Gehör zu verschaffen“, so Schirrmacher über Cruise. Damit mag er Recht haben, doch gleichzeitig warnen Scientology-Experten, dass darin ein „geschickter Schachzug“ der Scientology-Kirche bestand.

Der Film „Walküre“ sei Teil einer „präzis geplanten Deutschland-Offensive“, schreiben die „Stern“-Autoren. „Die Frage liegt nah: Warum hat Cruise sich unter den Hunderten von Drehbüchern, die ihm angeboten werden, ausgerechnet die Geschichte des Hitler-Attentäters ausgesucht? Warum kümmert sich ein Hollywoodstudio um einen Stoff, der nicht einmal in Deutschland so recht populär ist?“ Cruise gehören zusammen mit der Produzentin Paula Wagner 35 Prozent der Filmproduktionsfirma United Artists, die „Walküre“ produzierte. Der Film ist laut Cruise-Biograph Morton das „trojanische Pferd“, mit dem der Schauspieler „ein paar gutgläubige Intellektuelle“ für sich einspannen wolle. Eine heftige öffentliche Debatte um den Film sei dabei offenbar bewusst mit einkalkuliert gewesen.

Scientology-Kreuzzug in Europa

Die Scientologen versuchen offenbar zur Zeit besonders in Europa, die Sekte populärer zu machen. In Großbritannien etwa hat die Organisation vor kurzem für 31 Millionen Dollar ein Gebäude in der Londoner Innenstadt gekauft. Zudem versuche Cruise derzeit, den britischen Fußballstar David Beckham und seine Frau Victoria („Posh“) für die Sekte zu gewinnen, sagt Morton. Wenn dies gelänge, wäre der Kult auch bei britischen Jugendlichen populär.

In Deutschland gibt es derzeit höchstens 6.000 Mitglieder, schätzt der Verfassungsschutz, Scientology selbst behauptet, es seien 30.000. Es gibt zehn „Kirchen“ in einigen Großstädten Deutschlands, eine der glanzvollsten Residenzen ist Anfang 2007 in Berlin eingerichtet worden. „Meist ist sie gähnend leer“, schreibt der „Stern“. In einem internen Strategiepapier heißt es laut „Stern“: „Um unsere planetarischen Rettungskampagnen in Anwendung zu bringen, müssen wir die obersten Ebenen der deutschen Regierung in Berlin erreichen. Deshalb wird Berlin die erste ‚ideale‘ Org (Scientologisch für „Organisation“, d.A.) in Deutschland.“ Von dem Schreiben distanzierte sich Scientology laut „Stern“ jedoch, nachdem es der Verfassungsschutz veröffentlicht hatte.

Mortons Buch „Tom Cruise: An Unauthorized Biography“ („Eine nicht autorisierte Biographie“) kam in England gar nicht auf den Markt, weil es dort sehr leicht ist, gegen Autoren zu klagen. Bei den Online-Buchhandlungen schoss das Buch hingegen sofort in die Bestsellerlisten. In Deutschland ist die Biographie im Droemer-Verlag erschienen.

Kritiker wie Morton werfen Scientology vor, sie wolle einen Umsturz, nach ihren Werten. Gehirnwäsche bringe den Einzelnen dazu, an seine persönliche Allmacht zu glauben, sagte ein ehemaliges führendes Mitglied der Sekte in Deutschland. „Diese Leute wollen die Macht, und das wollen sie sehr gezielt und konzentriert“, und letztlich antidemokratisch.

Prompte Antwort: Werbe-Film im Internet

Just kurz nach Erscheinen des Buches von Morton tauchte am Mittwoch im Internet ein Video auf, in dem Cruise als glühender Prediger der „Scientology-Kirche“ auftritt. In kurzer Zeit landete es auf Youtube. Zu sehen ist Tom Cruise, in einem Wohnzimmer sitzend und begeisternd von Scientology redend. Unterlegt mit dem Thema aus seinem Film „Mission impossible“ sagt Cruise: „Es ist ein Privileg, sich Scientologe nennen zu können. Etwas, was man sich verdienen muss.“ Einem Mitglied der Sekte sei es möglich, „neue Realitäten zu schaffen“, fügt er hinzu.

Im Mittelpunkt stehe, anderen zu helfen, sagt er und versucht, dies mit einem Vergleich zu erklären: „Wenn man an einem Unfallort vorbeifährt, weiß man, dass man etwas unternehmen muss. Denn Du weißt, Du bist der einzige, der wirklich helfen kann.“ Konkreter wird es nicht, allein der Zuschauer wird informiert: „Wir haben die Möglichkeit, das Leben von Menschen zu verändern. Wir sind die Autorität des Geistes.“ Scientology bringe Frieden, Freude und Gerechtigkeit auf die Erde. Dem habe er sich „kompromisslos verschrieben“, so Cruise.

Am Ende des Videos heißt es, Tom Cruise habe bereits über eine Million Menschen zu Scientology geführt. „Und es hat gerade erst angefangen“. Angesichts der Ziele der „menschenverachtenden, verfassungsfeindlichen Psycho-Ideologie“ – wie Günther Beckstein in seinem Amt als bayerischer Innenminister Scientology bezeichnete – und angesichts der Methode von Scientology, Aussteiger mit einem Psychokrieg zu überrollen, klingt das wie eine Drohung.

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