Berlinale: Freikirchen im Film

Gleich vier Filme liefen bisher auf der Berlinale, in denen Freikirchen eine zentrale Rolle spielen. Und sie kommen nicht gut weg. Warum eigentlich? Ein Kommentar von Jörn Schumacher
Von Jörn Schumacher
Auffallend viele Filme befassen sich in diesem Jahr in Berlinale-Beiträgen mit dem Thema Freikirchen

Da ist die Jugendkomödie „Mission Ulja Funk“ der deutschen Filmemacherin Barbara Kronenberg; hier gleicht die Freikirche im erfundenen Dorf Lemheim, das irgendwo „mitten in Deutschland“ liegt, einer Geisterbahn voller skurriler Gestalten. Die Gemeindemitglieder sind angezogen wie aus dem vorigen Jahrhundert, sie kränken und übervorteilen sich gegenseitig, der Pastor ist nicht nur streng und verbittert, sondern stiehlt heimlich die Gemeindekasse. Hauptfigur Ulja, ein zwölfjähriges Mädchen, eckt hier vor allem deshalb an, weil sie überzeugt ist, dass die Bibel naturwissenschaftlich unlogisch ist. Kein Wunder, dass sie flüchtet.

Im brasilianischen „The Last Days of Gilda“ geht es um freikirchliche Christen, die in einem Stadtviertel Rios nach und nach ganze Straßen übernehmen. Wer sich ihrem Lebensstil nicht anpasst, wird diffamiert und weggeekelt. Ein Lokalpolitiker sieht seine Chance darin, zum Stadtrat gewählt zu werden, um sich als Angehöriger einer Freikirche zu präsentieren. Mit Sicherheit ist diese Darstellung des Missbrauchs von evangelikalen Kirchen in Brasilien nicht allzu fern von der Realität. Dann gibt es noch den nigerianischen Kurzfilm „Rehearsal“, wo Schauspieler proben, wie man Lobpreis, Wunderheilung und das Wirken des Heiligen Geistes am besten darstellt. Ob diese Proben nun für einen Gottesdienst stattfinden, um armen Familien das Geld aus der Tasche zu ziehen, oder für ein Theaterstück, lässt der Filmemacher bewusst offen.

Am schlechtesten allerdings kommen Christen in dem deutsch-polnischen Streifen „Jesus Egon Christus“ weg. Hier ist der „freie“ Glaube zu einem Knast-Ritual verkommen. Unter psychischem Druck müssen die Drogenabhängigen christliche Rituale über sich ergehen lassen, singen, ja sogar im Schwimmbecken getauft werden. Mindestens ebenso widerwillig und bösartig tritt hier der Freikirchen-Pastor selbst auf. Ob er selbst auch nur irgendein Wort über Jesus glaubt, das er verkündet? Welche schlimmen Erfahrungen mit Christen mussten die beiden Filmemacher hier verarbeiten?

Natürlich sind die allermeisten Freikirchen nicht so, wie sie auf der Berlinale dargestellt werden. Umso mehr drängt sich die Frage auf: Welches Bild haben die Menschen von Freikirchen eigentlich? Was ist passiert, dass sie wie kalte Orte dargestellt werden, in denen die Menschen noch liebloser miteinander umgehen als anderswo? Und wie nah sind die Darstellungen von geistlichem Missbrauch eigentlich an der Realität? Diese erschreckenden Darstellungen nur als böswillige Anfeindungen gegenüber Christen abzutun, würde wohl zu kurz greifen. Freikirchen bestehen aus Menschen, und wo Menschen sind, geschehen menschliche Dinge, seit Jahrhunderten. Erst recht wenn Kirchen an Macht (in der Gesellschaft und über Menschen) gewinnen, wächst die Gefahr, diese zu missbrauchen. Freikirchler täten gut daran, diese filmischen Grusel-Ausgaben ihrer Kirchen ernstzunehmen. Auch wenn sie bisweilen heftig überziehen.

Von: Jörn Schumacher

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