Sensibel sein für extremistische Tendenzen

Deutschland hat eine besondere Geschichte. Zwölf Jahre werfen einen dunklen Schatten auf das Land. Da dürfte es doch unzweifelhaft sein, den Tweet „Nazis raus“ zu unterstützen. Sollte man meinen. Ein Kommentar von Johannes Blöcher-Weil.
Von PRO
Extreme Vorfälle, wie hier in Chemnitz, haben im letzten Jahr Deutschland geprägt. Der Hashtag #Nazisraus beschäftigt gerade die Netzgemeinde.

Die ZDF-Journalistin Nicole Diekmann twittert am 1. Januar zwei Wörter: „Nazis raus“. Diekmann reagiert mit Ironie auf die Frage, wen sie für Nazis halte. Sie antwortete: „Alle, die nicht die Grünen wählen.“ Ironie funktioniert in den sozialen Medien nicht immer gut. In der Folge erhält sie Morddrohungen und wird übel beschimpft.

Der Hashtag „#Nazisraus“ entwickelt sich binnen kurzer Zeit zu einem der am meisten genutzten im deutschsprachigen Kurznachrichtendienst Twitter. Nach den „medialen Prügeln“ solidarisieren sich Medien wie Spiegel und Tagesschau mit Diekmann und twittern dasselbe. Die Netzgemeinde tauscht sich auch darüber aus, ob ein solcher Hashtag erlaubt ist und sammelt Argumente dafür und dagegen.

Positionierung „selbstverständlich“

Prominente Befürworter kommen aus allen politischen Fraktionen, zum Beispiel von Außenminister Heiko Maas (SPD) über die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt. Der Sozialdemokrat hält es für „selbstverständlich“, sich so zu positionieren. Außerhalb der Politik bekommt Diekmann im Sportbereich Rückendeckung. Der Fußballverein Schalke 04 schreibt auf Twitter, dass sich das „aus unserer Vereinssatzung, unserem Leitbild, unseren Werten“ ergibt. Andere folgen dem Beispiel. „Nazis raus“ – ein Muss für jeden Demokraten also?

Einen interessanten Debattenbeitrag liefert Kathleen Hildebrand in der Süddeutschen Zeitung. Sie fragt danach, wie polarisierend sich deutsche Medien und ihre Repräsentanten in sozialen Netzwerken äußern sollten. Wer die Formel „Nazis raus“ verwende, lehne Fremdenfeindlichkeit in Deutschland ab, mache dies nach dem Empfinden Vieler aber mit derselben Härte wie die Gegenseite, die „Ausländer raus“ rufe. Die Journalistin fragt weiter: „Wo zum Beispiel sollen sie denn hin, die Nazis? In anderen Ländern ihr Unwesen treiben, nur bitte nicht hier?“

Frau Diekmann hat ohne Frage Rückgrat bewiesen. Gerade die deutsche Geschichte muss sensibel machen in Bezug auf extreme Tendenzen – natürlich an beiden Rändern. Auf der anderen Seite darf es auch erlaubt sein, nicht dem Hashtag zu folgen und sich trotzdem als Demokrat zu fühlen. Natürlich schließen sich Nazi-Ideologie und Demokratie aus. Doch welcher Wortwahl und Lautstärke man dabei folgt, ist jedem selbst überlassen.

Von: Johannes Blöcher-Weil

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