Schöne Aussicht statt Luther

Die Weltausstellung zum Reformationsjubiläum kostet mehr als manchem lieb sein mag. Doch Geld ist nicht das Hauptproblem der Großveranstaltung. Zwischen bildgewaltigen Installationen könnte Luther selbst auf der Strecke bleiben. Ein Kommentar von Anna Lutz
Von Anna Lutz
Imageplakat des Reformationsjubiläums: So abstrakt, dass es dem Gedenken schadet

20 Millionen Euro lässt sich der Verein Reformationsjubiläum 2017 seine Weltausstellung „Tore der Freiheit“ in Wittenberg kosten. Ein Drittel davon trägt die Kirche, ein Drittel der Staat und ein Drittel Sponsoren. Wer das so liest, fragt schon aus dem Affekt heraus: Kann man mit so viel Geld nicht Sinnvolleres anstellen?

Die reine Summe aber ist nicht das Problem. Wie der Vizepräsident des Kirchenamtes der EKD, Thies Gundlach, zuletzt in einem Text im Magazin Zeitzeichen anmerkte, ist die Relevanz des Reformationsjubiläums für Politik und Gesellschaft gar nicht hoch genug einzuschätzen. Luther – das ist kein reines Kirchenthema. Die Fragen nach Rechtfertigung, Schuld und Sühne, Gnade und Glaube durchziehen unser aller Leben. Um das deutlich zu machen, darf die Kirche auch Geld in die Hand nehmen. Wichtiger ist, zu fragen, ob die Weltausstellung es schaffen kann, dem ganz normalen nichtkirchlich geprägten Besucher klar zu machen, was Reformation für ihn ganz persönlich bedeutet und wie Luthers Denken auch sein Leben beeinflusst hat. Eine kleine Vorausschau auf das Programm lässt ahnen: Das wird nur zum Teil gelingen.

Denn was haben die Veranstalter geplant: Es wird in der Stadt Wittenberg sieben Großinstallationen zu sieben Themen geben. Eine besteht zum Beispiel aus einer Wasserfläche, auf der Holzboote treiben – eine mahnende Erinnerung an die Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer. Außerdem gestalten internationale Künstler wie Ai Weiwei Zellen eines alten Gefängnisses zu Themen Luthers. Am Wittenberger Bahnhof entsteht ein 25 Meter hoher Turm mit einer Bibel auf der Spitze, „so dass jeder gleich sehen kann, worauf wir uns beziehen“, wie Margot Käßmann bei der Vorstellung der Idee sagte. Ein 30 Meter hohes Riesenrad soll Raum für Seelsorge bieten. Musiker wie Joris, Laith Al-Deen, Culcha Candela oder Yvonne Catterfeld spielen auf.

Groß, größer, Reformationsjubiläum

Die Veranstalter setzen also vor allem auf Bildgewalt. Groß und unübersehbar soll das Luther-Jubiläum sein, für jeden verstehbar und bezogen aufs Heute. Dazu abstrahieren die Organisatoren mehr als dem Gedenken gut tut. Was hat ein Seelsorgeriesenrad mit dem Mönch aus Eisleben zu tun? Was kann ein internationaler Star wie Ai Weiwei der Welt Wichtiges über den Gedanken der Reformation erklären? Und wozu braucht es einen Bibelturm, der Wittenberg überragt, außer vielleicht für die schöne Aussicht? Selbst die Verbindung Luthers zur Flüchtlingskatastrophe ist weit hergeholt, sieht man mal von dem beide verbindenden Schlagwort „Freiheit“ ab.

Was bisher von der Weltausstellung bekannt ist, zeigt, dass sie Gefahr läuft, sich in Beliebigkeit zu verlieren. Groß, größer, Reformationsjubiläum – dieses Motto lässt sich nur schwer in Verbindung mit Martin Luther bringen, dem die Theologie doch das Wichtigste war, nicht das ganze Drumherum und erst recht nicht sein eigener Ruhm.

Spannend bleibt, mit welcher Art Bereicherung die erwarteten 500.000 Gäste Wittenberg von Mai bis September wieder verlassen. Ob sie danach davon erzählen, wieviel Reformation auch in ihnen steckt. Oder ob sie sich danach das neue Joris-Album kaufen, Ai Weiwei googeln oder ihre Vorliebe für schöne Ausblicke entdecken – sei es wegen des Riesenrads oder des Bibelturms.

Von: al

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