Darum sind so viele US-Evangelikale für Donald Trump

Donald Trump verkörpert mit seinem respektlosen und pöbelhaften Verhalten das Gegenteil von christlichen Werten. Warum unterstützen ihn trotzdem so viele Evangelikale? Ein Kommentar von Nicolai Franz
Von Nicolai Franz
Viele weiße Protestanten wollen Trump aus einem Grund wählen: weil er nicht Hillary Clinton ist

Kürzlich schrieb einer der führenden US-Evangelikalen, Norman Geisler, im Magazin Christianity Today: „Über Trump ist bekannt, dass er konservative Richter unterstützt, und aus diesem Grund bin ich für Trump.“ Ob es der Bonhoeffer-Biograf Eric Metaxas ist, der Theologe Wayne Grudem oder andere: Es ist erstaunlich, wie viele führende Evangelikale Donald Trump unterstützen. Warum tun sie das?
Neben all dem Schmutz, der an Trump klebt, gibt es nur einen einzigen Grund für sie, der so gewichtig ist, dass er alles andere überlagert: Die Nominierung von Richtern für den Supreme Court. Diese werden auf Lebenszeit gewählt und vom Präsidenten bestimmt. Der Senat muss mit einfacher Mehrheit zustimmen. Unter Umständen kann der US-Präsident also Richter mit ähnlichen politischen Ansichten am Supreme Court einsetzen, die durch deren Interpretation der Verfassung über Jahrzehnte die Ausrichtung des höchsten amerikanischen Gerichtes mitbestimmen.

Im Supreme Court droht ein liberales Übergewicht

Aktuell gelten drei Richter als konservativ, vier als liberal und einer als nicht eindeutig zuordenbar – relativ ausgeglichen also. Zudem ist ein Sitz vakant, seit der konservative Richter Antonin Scalia Anfang 2016 verstarb.
Drei Richter, zwei liberale und ein konservativer, sind älter als 77 Jahre. In der nächsten Legislaturperiode könnten sie aus Altersgründen ausscheiden und müssten dann neu bestimmt werden – zusätzlich zu dem leeren Sitz Scalias. Gewinnt Hillary Clinton, wird sie liberale Richter einsetzen. Gewinnt Trump, werden es wohl Konservative, falls er sich an seine Liste mit Vorschlägen für die Richterposten hält. Doch sicher kann man sich bei Trump nie sein.
Kürzlich brachte Trump in einem verstörenden Video die eigenen Leute gegen sich auf. Darin hatte der Immobilienmogul 2005 mit sexuellen Übergriffen gegen Frauen geprahlt. Kurz nach der Enthüllung entschuldigte er sich, falls er jemanden angegriffen habe. Seinen Ausfall tat er dennoch als „locker room talk“, also als derbe Unterhaltung unter Männern, ab. Mehrere führende Republikaner, darunter der Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, entzogen Trump die Unterstützung.
Denjenigen evangelikalen Christen, die traditionell die Republikaner wählen, dürfte nun ein Kloß im Hals stecken. Nur zähneknirschend werden sie ihr Kreuz bei Trump machen können, dessen unkontrolliertes, respektloses und kraftmeierndes Gehabe alles, nur nicht christlich ist.

Reflektierte Evangelikale stehen vor einem Dilemma

Doch viele Evangelikale verabscheuen Clinton. In einer PEW-Umfrage gaben mehr als ein Drittel der weißen Evangelikalen an, sie wählten Trump, „weil er nicht Clinton ist“. Deren liberale Haltung zur Abtreibung ließe sich angesichts des Pöblers Trump vielleicht noch verschmerzen. Doch die Vorstellung, dass Clinton mehrere Richter am Supreme Court einsetzen und damit eine liberale Rechtsprechung für Dekaden zementieren könnte, stellt auch reflektierte Evangelikale vor ein Dilemma.
Wenn Clinton deren Gewissen beruhigen will, hat sie nur eine Möglichkeit: Sie muss den Republikanern versprechen, dass sie in Abstimmung mit ihnen gemeinsame Kandidaten für den Supreme Court bestimmt.
Jedoch: Am Ende wird sie die Stimme der Evangelikalen vielleicht gar nicht brauchen, die dann umsonst in den sauren Apfel gebissen hätten. Es bleibt ein verheerender Imageschaden für jene theologisch Konservativen, die sich mit Trump für den schrecklichsten Präsidentschaftskandidaten ausgesprochen haben, den die USA jemals zu bieten hatten. Vielleicht wäre es für evangelikale Clintonskeptiker besser, einen leeren Stimmzettel abzugeben, als Trump zu wählen. (pro)Clintons Wahlkämpfer spaßen über Evangelikale und Katholiken (pro)
Pastorin weist Trump in die Schranken (pro)

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