Lasst uns den Frieden bewahren

In diesem Jahr feiern wir 26 Jahre Deutsche Einheit. Doch unabhängig von der politischen Wiedervereinigung ist in unserer Gesellschaft von Einheit derzeit wenig zu spüren. Deshalb ist ein Impuls, der vom Nationalfeiertag ausgeht, ganz besonders wichtig: Lasst uns den Frieden bewahren. Ein Kommentar von Jonathan Steinert
Von PRO
Dresden ist in diesem Jahr Gastgeber für die offizielle Feier des Tages der Deutschen Einheit

Beim ökumenischen Gottesdienst zur Eröffnung der zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit, sagte der sächsische evangelische Landesbischof Carsten Rentzing, Frieden sei nicht selbstverständlich und müsse auch im täglichen Leben errungen werden. „Es würde sehr viel Gutes bewirken, wenn wir in den Fragen, die unser Land beunruhigen, nach solchem Frieden strebten.“ Das ist der wohl bedeutendste Impuls, der in diesem Jahr vom Gedenken an die friedliche Revolution und die politische Wiedervereinigung ausgehen sollte.
Der offizielle Festakt zum Nationalfeiertag findet in diesem Jahr in Dresden statt. Das ist kein Zufall, sondern hängt damit zusammen, dass der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) derzeit amtierender Bundesratspräsident ist. Dass die Deutsche Einheit in Dresden gefeiert wird, entbehrt aber nicht einer gewissen Ironie. Die sächsische Landeshauptstadt steht wie keine andere seit den vergangenen zwei Jahren für Polarisierung, was nicht mit der Stadt selbst zu tun hat, sondern damit, dass sich dort die patriotische und islamskeptische Bewegung Pegida formierte, was wiederum Gegenbewegungen und -proteste auslöste. Dresden wurde zu einem Symbol für die derzeitigen gesellschaftlichen Spannungen. Sichtbar wurde das zuletzt auch durch die Sprengstoffanschläge im Vorfeld des Tages der Deutschen Einheit.

Ein Land unter Spannung

Diese Spannungen – ausgelöst und sichtbar gemacht durch den Zuzug hunderttausender Flüchtlinge und Migranten – erstrecken sich über das ganze Bundesgebiet. Sie dominieren das gesellschaftliche Klima auf sämtlichen Ebenen. Das Verhältnis der Bürger zur Politik, das Vertrauen der Mediennutzer in die Medien, der Glaube an das demokratische System und den Rechtsstaat, die Beziehungen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und Akteure zueinander bis hin auf die Ebene der zwischenmenschlichen Beziehungen, selbst in Gemeinden und Familien – sie scheinen in den vergangenen Monaten in der Flüchtlingsfrage aufgegangen und von ihr beherrscht zu sein. Selbst die jüngsten Landtagswahlen, bei denen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung gar nicht zur Debatte stand, wurden an dieser Frage mitentschieden. Dabei ist die Flüchtlingsfrage für Kritiker teilweise nur ein Ventil für andere Unzufriedenheiten, Abstiegs- und Verlustängste, Neid – was auch mit der Nach-Wende-Erfahrung in ostdeutschen Regionen zu tun hat.
Gleichzeitig haben die selbsternannten patriotischen Bewegungen und die erstarkende „Alternative für Deutschland“ Gegner und Kritiker von Mitte bis Links im politischen Spektrum geradezu elektrisiert. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass in dem Zuge auch die Diskussionskultur im Internet – und nicht nur dort – derart verkam, dass sich Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) in der Pflicht sah, sogenannte Hassrede vom sozialen Netzwerk Facebook löschen zu lassen, was mittlerweile geschieht. Und dies wiederum derart intransparent, dass die Frage im Raum steht, wo das Recht auf freie Meinungsäußerung geblieben ist.

Frieden neu beleben

Für den 3. Oktober sind in Dresden neben den zentralen Feierlichkeiten 11 Demonstrationen und Kundgebungen angekündigt, von Linksradikalen ebenso wie von Pegida sowie der Rechtspopulistin Tatjana Festerling. Gegendemonstrationen sind am Tag der Deutschen Einheit an sich nichts Ungewöhnliches. Aber in diesem Jahr in Dresden zeigt sich daran in besonderer Weise: Wir feiern die Wiedervereinigung Deutschlands, die „Einheit“. Aber um die Einheit in einem weiteren Sinne ist es in unserer Gesellschaft derzeit nicht besonders gut bestellt. Im Vergleich zu vor einem Jahr hat sich die Stimmung etwas beruhigt. Dennoch: Die Feier der Wiedervereinigung zwischen Ost- und Westdeutschland spiegelt sich an den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen angesichts der Migranten in unserem Land und den davon aufgebrochenen Ängsten und Unzufriedenheiten auch in anderen Bereichen.
Damit kann die Einheitsfeier aber ausgerechnet in Dresden in dieser Situation auch ein Signal sein, ein Aufruf an die Gesellschaft und jeden Einzelnen, sich wieder mehr um Einheit zu bemühen. Statt sich gegenseitig zu beschimpfen, zu beschuldigen, zu ignorieren oder flache Parolen zu verbreiten, ernsthaft zu diskutieren und Argumente auszutauschen. Statt über die schwierige Lage zu klagen, gemeinsam anzupacken und Lösungen zu finden für die gegenwärtigen Probleme und Herausforderungen. Und den Gedanken des Friedens, der wohl das größte Wunder der Wiedervereinigung war, heute neu zu beleben. (pro)In Zeiten der Krise: Wer uns jetzt noch helfen kann (pro)
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