Das öffentliche Kind

Kinderbilder auf dem Blog, Ultraschallaufnahmen auf Facebook – manche Internetnutzer gehen sehr freizügig mit ihren Kindern im Internet um. Das kann kaum in deren Interesse sein. Ein Kommentar von Jonathan Steinert
Von PRO
Auf Facebook sind zahlreiche Kinder- und Babyfotos zu sehen – zu deren Veröffentlichung die Abgebildeten sicherlich keine Einverständnis gegeben haben
Mariam bloggt – seit zwei Jahren, also seit ihrer Geburt. Damit ist sie offenbar die jüngste Bloggerin Deutschlands, wie verschiedene Medien feststellten, oder gar des gesamten Globus, wie andere meinten. So genau kann man das ja nicht wissen. Jedenfalls ist sie sehr jung für diese Freizeitbeschäftigung. MiMi, so heißt sie als Bloggerin, postet zum Beispiel Fotos von sich im Schuhladen, an der Bushaltestelle oder in einer Regenpfütze; Bilder von gefährlichen Spielplätzen, Hello-Kitty-Figuren, Schneemännern und eigenen Gemälden. Ab und zu stehen auch ein paar kommentierende Sätze dabei. Die lesen sich aber so, als hätte sie ein zweijähriges Kind auf jeden Fall nicht sagen, geschweige denn schreiben können. Da haben ganz sicher die Eltern mitgeholfen. Ist es letztlich nicht vielmehr deren Blog als das von MiMi? Überhaupt: Was haben zweijährige Kinder im Internet zu suchen? „Erziehung 2.0“, nennen Mariams Eltern das in einem Sat.1-Beitrag. Das Mädchen solle von klein auf lernen, wie man das Internet und technische Geräte nutzt – und dabei auch seine eigene Privatsphäre schützt. Das ist an sich ein löbliches Ansinnen. Trotzdem ist es fragwürdig, wenn Eltern ihr Kind von dessen Geburt an im Netz präsentieren. Nicht zuletzt hat das Kind ein Recht am eigenen Bild – das die Eltern stellvertretend wahrzunehmen haben, so lange es noch nicht volljährig ist. Und dass ein zweijähriges Kind über privat und öffentlich nachdenken kann, ist kaum zu glauben. Ist es also erstrebenswert für ein Kind, den Titel „jüngste Bloggerin des Universums“ zu tragen?

Der Fötus im Netz

Zumindest haben MiMis Eltern ihre öffentlichkeitsbezogene Erziehung offenbar reflektiert. Dies scheint bei manchen Facebook-Nutzern nicht der Fall zu sein. Denn auch in dem Netzwerk sind zahlreiche Kinder- und Babyfotos zu sehen – zu deren Veröffentlichung die Abgebildeten sicherlich kein Einverständnis gegeben haben. Selbst Ultraschallbilder von Kindern, die noch nicht einmal geboren wurden, sind auf Facebook zu bestaunen. Man muss dafür nicht einmal mit den Nutzern „befreundet“ sein. Aber was geht es die Welt an, wie der Bauch einer werdenden Mutter von außen und innen aussieht? Sind sich diejenigen, die solche Bilder posten, dessen bewusst, dass diese Fotos für immer dem Netz gehören? Und dass sie missbraucht werden können? Ich bin froh, dass es zu meiner Geburt noch kein Facebook gab und daher niemand auf die Idee kommen konnte, mein erstes Bild dem Rest der Menschheit zur Verfügung zu stellen. Ich würde nicht wollen, dass Fotos von mir als Fötus oder auf dem Nachttopf im Netz herumschwirren. Auch meine ersten Zeichnungen hatte ich für meine Mutter bestimmt, nicht für die Öffentlichkeit. Ich nehme an, manchen anderen Kinder geht es ebenso. Aber wurden sie je gefragt?
https://www.pro-medienmagazin.de/medien/internet/detailansicht/aktuell/younow-peepshow-aus-dem-kinderzimmer-91122/
https://www.pro-medienmagazin.de/medien/internet/detailansicht/aktuell/welt-internet-tag-kinder-im-netz-schuetzen-89905/
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