Die Jagd nach „Breaking News“

Immer schneller, immer sensationeller sollen unsere Nachrichten sein. „Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern“, heißt es sprichwörtlich – und wer würde das abstreiten in Zeiten, in denen Twitternachrichten und RSS-Feeds uns sekündlich auf den allerneusten Stand der Dinge bringen. Per Livestream zappen wir in Echtzeit durch das Weltgeschehen.
Von PRO

Bei der Jagd nach „Breaking News“, die „die anderen“ noch nicht haben, dürfen Journalisten aber einen Preis nicht bezahlen: den ihrer Glaubwürdigkeit. Denn die ist ihr höchstes Gut. Leider gibt es Journalisten, die es mit der Gründlichkeit bei der Suche nach der Wahrheit nicht so genau nehmen. RTL 2 hat im Programm der Nachrichtensendung „RTL 2 News“ ein fiktionales Statement einer Schauspielerin ausgestrahlt, ohne darauf hinzuweisen, dass die Aussage von einer erfundenen Figur stammt. Die Schauspielerin ist den Zuschauern aus dem Scripted-Reality-Format „Köln 50667“ bekannt.

Das Format basiert auf einem Drehbuch, erweckt aber den Anschein, als sei die Handlung real. Für den Nachrichten-Zuschauer ist die Verwirrung komplett: Was ist echt, was fiktional? In der Vergangenheit hat es ProSieben nicht besser gemacht und die Serie „Fringe – Grenzfälle des FBI“ mit einer fiktiven Sonderausgabe seiner Nachrichtensendung „Newstime“ beworben. Der Journalist Peer Schader hat im FAZ-Blog kommentiert: „Wenn ProSieben jetzt nicht mal mehr davor zurückschreckt, das Restrenommee seiner Nachrichtenmoderatoren für Serientrailer zu verpulvern, die so aussehen sollen, als seien sie echte Breaking News, dann ist das wohl der endgültige Abschied vom Anspruch, zumindest ein geringes Maß an Seriosität aufrecht zu erhalten.“

Wie beruhigend war es da, als wir noch glauben konnten, dass sich die schwarzen Journalisten-Schafe maximal im Privatfernsehen tummeln. Musste der stern ausgerechnet diese letzte Idylle journalistischer Anständigkeit ruinieren, als er aufdeckte, dass selbst das ZDF in seinen heute-Nachrichten geschummelt hat? Bei der Berichterstattung über das Verfassungsgerichtsurteil zum NSU-Prozess hat der Sender den Zuschauern Aktualität vorgegaukelt und ein Interview aufgezeichnet, Stunden bevor das Urteil überhaupt gefällt war. Immerhin gibt das ZDF dies zu. Der Interviewpartner selbst, Vize-Chefredakteur der türkischen Tageszeitung Sabah, soll die Mogelei nach stern-Angaben abgestritten haben.

Ist es wirklich so schrecklich und furchtbar, dass sich das ZDF gut vorbereitet hat und dem Zuschauer so schnell wie möglich ein relevantes Statement zu einer Entscheidung liefern wollte, die es offenbar erwartet hatte? Dürfen sich Journalisten nicht mehr vorbereiten? Doch, vorbereitet sein ist nicht nur legitim, es ist professionell. Aber nur dann, wenn die heute-Redaktion bei der Ausstrahlung keine Aktualität vorgetäuscht hätte.

Dass professionelle Vorbereitungen zu peinlichen Pannen führen können, zum Beispiel als Spiegel Online George Bush senior für tot erklärte oder Bloomberg einen Nachruf auf den damals noch lebenden Steve Jobs veröffentlichte, steht auf einem anderen Blatt. Solche Fehler, der Beschleunigung im Journalistenalltag geschuldet, sollten nicht passieren. Sie aber mutwillig zu machen, wie die Redakteure von RTL 2, ProSieben und ZDF, ist nicht nur ein Bruch des Pressekodexes, sondern eine Vernachlässigung der obersten Pflicht von Journalisten: der Wahrheit zu dienen, statt sie zu verbiegen. (pro)

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