Michael Diener: „Mit dem Finger nicht nur auf andere zeigen“

Zurück im Amt: Michael Diener, Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz, hatte drei Monate lang bewusst dienstlich pausiert. Auf der Allianzkonferenz in Bad Blankenburg meldete er sich mit einem Seminar zum Thema Mission und Respekt zurück. Und im pro-Interview nimmt er den EKD-Ratsvorsitzenden Bedford-Strohm in Schutz: Der will im Kuratorium des Münchner Forums für Islam mitwirken – und erntet dafür viel Kritik.
Von PRO
Allianzvorsitzender Michael Diener (rechts) stellt sich in Bad Blankenburg den Fragen von KEP-Geschäftsführer Christoph Irion (links)

pro: Auf der Allianzkonferenz in Bad Blankenburg haben Sie ein Seminar angeboten mit dem Titel „Mission Respekt – warum der Ton eben doch die Musik macht.“ Worum geht es?

Michael Diener: Mission Respekt ist der deutsche Kurztitel eines bemerkenswerten Dokumentes, nämlich „Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt“. Es geht darin um eine Ethik der christlichen Mission, die unbedingt gekoppelt ist an einen respektvollen, menschlichen Umgang. Katholische Kirche, Ökumenischer Rat der Kirchen und Evangelische Allianz haben das weltweit verabschiedet. Wir in Deutschland haben im August 2014 das Papier öffentlich in Berlin angenommen – und seither ist das eines meiner wichtigsten Themen: Ich will dazu beitragen, dass der hilfreiche Inhalt dieses Dokumentes auch im sogenannten evangelikalen Bereich bekannt wird.

Was meinen Sie damit konkret?

Das Papier sagt auf sehr eindrückliche Weise: Es ist unser Auftrag als Christen, Zeugnis abzulegen über unseren Glauben an Jesus Christus. Zugleich sagt das Papier ebenso deutlich: Die Art, wie wir unser Zeugnis ablegen, muss dem Inhalt entsprechen – ich kann also als Christ nicht von der Liebe reden und dies lieblos tun. Wer missioniert, der muss den Menschen mit Liebe und Respekt begegnen. Und da gibt es nach meiner Überzeugung auch evangelikal noch viel zu tun.

Sie haben über einen Zeitraum von drei Monaten eine dienstliche Auszeit genommen. Sie haben bewusst Abstand gewonnen und sich vollständig aus öffentlichen Diskussionen rausgehalten. Zu einigen Debatten dürfte Ihnen dennoch einiges eingefallen sein …

In meiner Auszeit nicht – da habe ich bewusst abgeschaltet. Aber natürlich fallen mir zu meinem Seminarthema „Mission Respekt – warum der Ton eben doch die Musik macht“, einige herausragende Beispiele ein. …

Nur zu …

Der Bremer Pastor Olaf Latzel hat sich in seiner viel zitierten Predigt vom 18. Januar 2015 ganz unzweifelhaft herablassend und verletzend über andere Religionen geäußert. Das war nur wenige Monate nach der Verabschiedung unseres Papiers Mission Respekt – jeder, der diese gemeinsame Positionierung kannte, wusste, dass die Äußerungen von Bremen in ihrer Tonlage damit nicht in Übereinstimmung zu bringen sind.

Andere sagen: Das fällt unter die grundgesetzlich geschützte Freiheit der Meinungsäußerung. Wer die Predigt von Latzel lese, könne sehen, dass es ihm wesentlich um Inhalte gehe, die viele in den Kirchen teilen.

Das, was Olaf Latzel eigentlich hatte sagen wollen, unterstütze ich inhaltlich voll und ganz. Jesus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben – diesen Satz bekennen wir Christen nicht nur für uns, sondern für die ganze Welt. Olaf Latzel und ich sind uns hier einig über die Musik – aber wir waren uns uneinig über den Ton.

Der Ratsvorsitzende der EKD, der Münchener Bischof Heinrich Bedford-Strohm, will Kuratoriumsmitglied beim Münchner Islamforum werden. Dafür erntet er teilweise schrille Kritik. Wie sehen Sie das?

Ich bin der Überzeugung, dass man so einen Sachverhalt unterschiedlich beurteilen kann. Und es ist okay, wenn man eine abweichende Haltung dann auch vertritt. Was aber nicht geht, ist, dass von Seiten einiger Evangelikaler die Entscheidung des Bischofs als „christlich inakzeptabel“ dargestellt wird: Das, was Heinrich Bedford-Strohm vorhabe, sei dem christlichen Glauben nicht gemäß, heißt es teilweise. Der Bischof müsse seine Mitwirkung widerrufen, die EKD sich distanzieren. Ich finde: Hier geht es um eine Frage, in der wir Christen aus guten Gründen unterschiedliche Standpunkte einnehmen können.

Die Kritik an Bedford-Strohm kommt ja nicht nur aus kirchlich-christlichen Kreisen. Säkulare Medien weisen darauf hin, dass es bei diesem geplanten Islamzentrum um fragwürdige Finanzierungshintergründe und womöglich problematische inhaltliche Ziele gehe. Der Cicero-Autor Alexander Kissler fragt: Was tut der Bischof im Moscheebau-Verein?

Diese sachliche Kritik ist aus meiner Sicht fundierter als das, was ich zum Teil von evangelikaler Seite höre. Da ist es doch so, dass oft jede Form von Dialog, Gespräch, Zusammenarbeit mit Nichtchristen – vor allem mit Muslimen – von vornherein kategorisch abgelehnt wird. In diesem konkreten Fall hat Bischof Bedford-Strohm in allen seinen Äußerungen deutlich gemacht, dass er dieses Angebot gut geprüft hat. Nach intensiver Abwägung hat er sich dann entschieden, diesen Weg zu gehen. Und ich finde: Eine derart reflektierte Entscheidung ist zu respektieren. Noch mal: Nicht jeder muss die Ansicht des Bischofs teilen. Aber es geht nicht an, dass die reflektierte und begründete Entscheidung eines kirchlichen Verantwortungsträgers, sich in einem Kuratorium eines islamischen Zentrums bewusst als Christ einzubringen, derartig mit Entrüstung und Pauschalisierungen begleitet wird.

Kritiker von Bedford-Strohm sagen, der evangelische Bischof fördert Religionsvermischung.

Aus meiner Sicht verhält sich Bedford-Strohm hier klar im Sinne des auch von uns mitgetragenen ökumenischen Papiers: Aus christlicher Perspektive ergibt sich der Auftrag, dass wir im Umgang mit Vertretern anderer Religionen das, was wir gesellschaftlich miteinander tun können auch tun. Es geht da nicht um Religionsvermischung, sondern um Einsatz für Verständigung. Ich persönlich bin überzeugt: Das Gottesbild des christlichen Glaubens und des Islams sind nicht identisch. Trotzdem gibt es in Sachfragen Übereinstimmungen mit Muslimen und es gibt das gemeinsame Wissen um eine Verantwortung des geschaffenen Menschen vor einer höheren Instanz. Wenn sich vor diesem Hintergrund ein Bischof entscheidet, in einem Kuratorium mitzuarbeiten, das sich auch für die Verständigung zwischen Religionen einsetzen will, dann finde ich das wichtig und gut.

Die Kenntnisse über das geplante Islamforum in München sind lückenhaft. Medien berichten über Vorbehalte, zum Beispiel gegen den Initiator Imam Idriz und dessen Kontakte zum nicht gerade christen- und judenfreundlichen Emirat Katar …

Ich habe natürlich auch keine genauen Kenntnisse: Das islamische Forum, das gegründet werden soll, geht ja hervor aus einem bestehenden Verein. Ja, und natürlich ist mir bekannt, dass es Veröffentlichungen zur Person Idriz gibt oder zu Finanzierungsfragen. Tatsache ist: Wir können es uns oft im Leben nicht aussuchen. Wenn wir Kooperationen jedes Mal davon abhängig machen würden, ob wir eine hundertprozentig zufriedenstellende Ausgangsposition vorfinden, dann würde es kaum Kooperationen geben. Ich persönlich finde eine mögliche Finanzierung dieses Zentrums aus Öl-Millionen auch nicht gerade überzeugend. Aber ganz ehrlich: So manche mit amerikanischen Millionen finanzierte missionarische Aktion in Osteuropa nach dem Fall des Eisernen Vorhangs konnte mich ebenso wenig überzeugen. War das wirklich christlich? Oder vielleicht eher imperialistisch? Wir sollten mit dem Finger nicht nur auf andere zeigen.

Viele sagen: Die Kirchen und Christen in Deutschland haben in der Tat internen Korrekturbedarf. Ist es so verkehrt, wenn manche warnen, es sei aber nicht Aufgabe der Kirche, sich anzubiedern?

Man muss sich immer auch fragen: Wie verhält man sich als zahlenmäßig größere Religion. Hier in Deutschland ist das die christliche. Und die wird getragen durch die Botschaft der Liebe. Und die hat neben dem Akzent, dass wir Zeugnis für Christus für die ganze Welt sind, den wichtigen Aspekt, dass wir uns anderen Menschen, Kulturen, Religionen mit Respekt zuwenden wollen. Ich finde, es ist kein Anbiedern, wenn der Größere auf den Kleineren zugeht. Dass das Christentum unsere Gesellschaft in Kultur und Politik umfassend mit geprägt hat, ist unbestritten. Bedeutet das, dass wir uns auf unseren Pfründen ausruhen? Oder bedeutet es, dass wir dazu einladen, das gemeinsame Gut unserer Zivilgesellschaft auch mit anderen zusammen, auch mit anderen Religionen, zu tragen? In meinen Augen ist diese Haltung die ehrenwertere. Deshalb habe ich überhaupt gar nichts dagegen, wenn Vertreter der evangelischen Kirche auf Angehörige und Vertreter anderer Religionen zugehen.

Etliche Evangelikale betonen, die christliche Kirche hat vor allem den Auftrag, anderen Menschen die gute Nachricht von Jesus Christus weiterzusagen …

Mission und Dialog – also das Zeugnis von Jesus Christus im Gespräch mit Menschen, die zunächst einmal ihre eigenen Überzeugungen haben: das gehört zusammen. Das kann sich überhaupt nicht ausschließen. Mir soll mal einer zeigen, wie ein glaubwürdiges Zeugnis ohne Gespräch aussehen soll. Es ist aus meiner Sicht eine schlimme Vorstellung, wenn irgendjemand von oben herab mit der Haltung, er besitze die Wahrheit, anderen sagen will, was sie in Zukunft glauben sollen. Ich kann nicht erkennen, dass so etwas fruchtbar sein kann. Und vor allem: Das ist nicht die Haltung des Neuen Testaments. So ist Jesus nicht mit Menschen umgegangen. Wir brauchen eine demütige Haltung, eine Haltung, die auch das Gute bei anderen anerkennt. Und genau das schätze ich auch in der Haltung, wie sie bei Bischof Bedford-Strohm zum Ausdruck kommt. Er hat deutlich gesagt, dass sein Mitwirken in dem Kuratorium kein Beitrag für islamische Missionsbemühungen ist, sondern sein Beitrag als Christ zur Verständigung.

Herr Diener, vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Christoph Irion. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/kirche/detailansicht/aktuell/diener-und-kern-erstmals-in-ekd-synode-91585/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/kirche/detailansicht/aktuell/diener-kritik-und-lob-fuer-ekd-grundlagenpapier-91550/
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