dpa: Wie sieht die Kirche der Zukunft aus, braucht es neue Formate, wie wendet die Kirche sich den Menschen zu?
Heinrich Bedford-Strohm: Wir haben sowohl in der EKD als auch in den Landeskirchen an vielen Stellen Zukunftsprozesse, die genau diese Fragen stellen. Im Zentrum steht die Frage, wie die Liebe Gottes den Menschen von heute in ihren jeweiligen Lebenslagen verstehbar, erfahrbar gemacht werden kann. Das bedeutet für die Institution Kirche eine klare Ausrichtung: Sie darf nicht zuerst danach fragen, wie die Menschen ihre institutionelle Gestalt nutzen können, sondern sie muss umgekehrt fragen: Was ist die Lebenssituation der Menschen und was brauchen die Menschen? Wie kann die Institution Kirche sich so verändern, dass sie den Menschen dient und nahe bei den Menschen ist?
Ein Wandel in der Kirche also?
Die Grundrichtung ist entscheidend, man darf nicht festhalten an überlieferten Strukturen, sondern muss ganz neu fragen, was die Menschen wirklich brauchen im Lichte der allen gemeinsamen Botschaft, im Lichte des Evangeliums. Wie kann die Liebe Gottes im Leben der Menschen relevant werden? Eine ganz wichtige Aufgabe ist, den Glauben weiterzugeben an die junge Generation, und gerade die Frage, wie eigentlich junge Menschen zwischen 20 und 30 Kirche als Heimat erfahren können.
Zu Hause erfahren junge Leute oft nicht mehr viel über den Glauben. Wie steht es da um den Religionsunterricht?
Der Religionsunterricht wird eine ganz zentrale Bedeutung behalten. Aus meiner Sicht wird er sogar noch wichtiger, insbesondere weil die Glaubensweitergabe in den Familien immer weniger selbstverständlich ist. Es ist eine Riesenchance für die Kirchen in Deutschland, dass sie jede Woche viele Hunderttausend Schülerinnen und Schüler erreichen und Glaubenswissen weitergeben können. Es gibt gute Gründe dafür, dass in Deutschland auch Religion Teil des öffentlichen Bildungsauftrags ist, denn Religion ist eine wichtige Dimension des Menschseins.
Zahlreiche Menschen interessieren sich für Glaubensthemen, lehnen aber die Kirchensteuer ab. Auch in der Kirche wurde darüber diskutiert. Wie ist der Stand der Dinge?
Zunächst einmal ist es aus meiner Sicht ein bewährtes System, dass die Kirchen von ihren Mitgliedern je nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit Finanzierungsbeiträge bekommen, die sicherstellen, dass sie viel Segensreiches tun können. Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund, dieses System in Frage zu stellen. Wer immer es in Frage stellt, muss sich klar machen, welche Abbrüche es geben wird, wenn die zur Erfüllung der kirchlichen und diakonischen Aufgaben erforderlichen finanziellen Mittel nicht mehr da sind. Es ist aber in der Tat so, dass wir die Beobachtung machen, dass es Menschen gibt, die aus welchen Gründen auch immer, nicht diesen Schritt der Kirchenmitgliedschaft gehen wollen, sich der Kirche aber verbunden fühlen, etwa in Chören mitsingen oder in Kirchbauvereinen tätig sind und auch vieles für die Kirche tun.
Wie will die Kirche darauf reagieren?
Das Nachdenken darüber, ob es irgendeine Form gibt, die die Verbundenheit dieser Menschen mit der Kirche zum Ausdruck bringen kann, wie in einer Fördermitgliedschaft etwa, dieses Nachdenken findet statt, aber das hat noch nicht zu konkreten Ergebnissen geführt. Uns ist wichtig, auch zu würdigen, wie wertvoll für uns das Engagement von Menschen ist, auch wenn sie nicht Kirchenmitglied sind.
Von: dpa