Der Altkanzler starb am Freitag im Alter von 87 Jahren, wie sein Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mitteilte. Nach Angaben der Bild-Zeitung war Kohl bereits am Morgen in seinem Haus in Ludwigshafen gestorben. Seit einem Sturz vor neun Jahren, bei dem der Altkanzler ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatte, war Kohl auf den Rollstuhl angewiesen. Er war schwer krank und lebte zurückgezogen. Kohl war von 1982 bis 1998 Bundeskanzler, so lange wie bisher niemand anders. Er gilt als Wegbereiter der Europäischen Union und der gemeinsamen europäischen Währung, dem Euro.
Als herausragenster Erfolg des CDU-Politikers gilt die deutsche Wiedervereinigung. Kohl erkannte nach der friedlichen Revolution in der DDR 1989, dass das Fenster für die deutsche Einheit nur kurz geöffnet sein würde. Unter Hochdruck handelte er mit den Staats- und Regierungschefs der USA, Russlands, Großbritanniens, Frankreichs sowie den Verantwortlichen der Europäischen Union die Modalitäten dafür aus.
Schillernde Persönlichkeit mit Licht und Schatten
Der Beauftragte der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) in Berlin, Uwe Heimowski, bezeichnete Helmut Kohl als „die prägende Figur in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ nach Konrad Adenauer. „Der wertekonservative Katholik war der Evangelischen Allianz inhaltlich und persönlich verbunden“, erklärte Heimowski auf Anfrage. Kohl werde als „Kanzler der Einheit“ in Erinnerung bleiben. „Wir danken Gott für diesen besonderen Moment der Geschichte und für den Bundeskanzler Helmut Kohl, der ihn mit seinem Zehn-Punkte-Plan entschieden genutzt hat“, erklärte Heimowski. Zu Kohls Erbe gehöre der Einsatz für ein vereintes Europa. Der Kanzler sei „eine schillernde Persönlichkeit mit Licht und Schatten“ gewesen, die Affäre um die schwarzen Kassen habe das Ende seiner 16jährigen Amtszeit getrübt. „Seinen Platz in den Geschichtsbüchern aber hat er sich verdient.“
Heimowskis Vorgänger in Berlin, der ehemalige Geschäftsführer des Christlichen Medienverbundes KEP, Wolfgang Baake, würdigte die Gottergebenheit des Verstorbenen. „Helmut Kohl war so demütig, dass er sich die Wiedervereinigung nicht selbst zuschrieb. Von seinem christlichen Glauben geprägt hat er immer wieder auf den Unterschied von ‚Chronos‘ (Anmerkung: Sinnbild für den Ablauf der Zeit) und ‚Kairos‘ (Anmerkung: religiöser Begriff für den günstigen Zeitpunkt einer Entscheidung) hingewiesen.“
Der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb, schaut dankbar auf die Regierungszeit von Helmut Kohl zurück: „Er war der erste Kanzler der Bundesrepublik, der häufiger Delegationen der Deutschen Evangelischen Allianz, auf seine eigene Einladung hin, empfing. Wir danken, dass er für unsere Anliegen regelmäßig ein offenes Ohr hatte.“ Steeb habe allergrößten Respekt und Dankbarkeit für seinen Einsatz für die Wiedervereinigung Deutschlands und den öffentlich oft stark geschmähten „Aufbau Ost“. Das habe auch die noch im Sommer 1989 undenkbare Vereinigung beider deutscher Evangelischer Allianzen ermöglicht und die von Anna von Weling 1886 gegründete „Heimstätte“ für die Evangelische Allianz wieder für ganz Deutschland verfügbar gemacht.
Außerdem wies Steeb daraufhin, dass in Kohls Kanzlerschaft das Gesetzesvorhaben „Embryonenschutzgesetz“ gefallen sei, das „in einer Sternstunde des Bundestages“ einstimmig beschlossen wurde: „Auch hier hatte Kohl die Zeichen der Zeit erkannt und gegen die apokalyptischen Vorstellungen von Fremdbestimmung an Menschen einen Schutzzaun aufgebaut, übrigens auch nach Gesprächen mit der Deutschen Evangelischen Allianz.“
Ziehvater Angela Merkels
Kohl wuchs zusammen mit einer Schwester und einem Bruder in einer vom christlichen Glauben geprägten katholischen Familie auf. Als sein älterer Bruder Walter in den letzten Kriegstagen 1945 fiel, wurde Helmut Kohls Glaube stark herausgefordert. Der Altkanzler war laut Katholisch.de ein „überzeugter Verfechter der Ökumene“ und „regelmäßiger Kirchgänger“. Mehr als 40 Jahre war Helmut Kohl mit seiner Frau Hannelore (geb. Renner) verheiratet. Das Ehepaar hatte 1960 geheiratet. Aus der Ehe gingen die Söhne Walter (* 1963) und Peter (* 1965) hervor. Hannelore Kohl nahm sich 2001 das Leben. 2008 heiratete Helmut Kohl erneut. Bis zu seinem Tod war der Altkanzler mit Maike Richter (* 1964) verheiratet.
Von 1969 bis 1976 war der geborene Ludwigshafener Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, von 1973 bis 1998 war er zudem CDU-Bundesvorsitzender. Kohl gilt als Ziehvater der heutigen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Bundesregierung und Partei. Zuletzt war das Verhältnis zwischen der Kanzlerin und ihrem einstigen Fürsprecher belastet. Wegen einer Spendenaffäre, in die Kohl maßgeblich verwickelt war, forderte Merkel Ende der 90er Jahre in ihrer damaligen Funktion als CDU-Generalsekretärin von der Partei, sich vom Übervater loszulösen. (pro)
Von: dpa/nob