Gnadau über Judenmission: Christuszeugnis ja, Bekehrungsversuche nein

Der Gnadauer Verband hat sich in einer Erklärung gegen jede Form von Antisemitismus ausgesprochen und die bleibende Erwählung Israels als Volk Gottes betont. Juden sollten nicht zum Religionswechsel gedrängt, aber Jesus als Messias bezeugt werden.
Von Norbert Schäfer
Steffen Kern, Gnadau, Pietismus, Präses

Der Evangelische Gnadauer Gemeinschaftsverband hat sich in einer Erklärung zur bleibenden Erwählung Israels als Volk Gottes bekannt und sich von jeder Form des Antisemitismus distanziert. „Als Christen stehen wir an der Seite der Juden und achten sie in Demut und Respekt als Gottes erwähltes Volk. Jeder Form von Judenfeindschaft oder Antisemitismus widersprechen und widerstehen wir in Solidarität mit dem jüdischen Volk“, lautet es in der Erklärung. Es ist das erste Mal in der Geschichte des Verbandes, dass er sich zum Verhältnis von Christen und Juden äußert.

„Herzstück der Erklärung ist die Betonung und das Festhalten der bleibenden Erwählung Israels“, sagt Steffen Kern, der Präses des Verbandes. Der Erklärung unter dem Titel „Von Gottes Treue getragen“ waren vor der einstimmigen Beschlussfassung durch die Gnadauer Mitgliederversammlung am 17. September intensive Beratungen in einem theologischen Arbeitskreis des Verbandes vorausgegangen. Die Erklärung weist darauf hin, dass sich die christliche Gemeinde durch Jesus Christus in den Bund Gottes mit Israel hineingenommen wisse.

„Jesus als Messias Israels und Heiland der Welt bezeugen“

„Wir halten zugleich fest, dass Gottes Bund mit seinem Volk Israel uneingeschränkt weiter besteht“, lautet es. Die Erwählung der Kirche löse die Erwählung Israels keinesfalls ab. Kern betonte auf PRO-Anfrage „das Christuszeugnis gegenüber Juden, aber ohne sie zum Religionswechsel bewegen zu wollen“. Laut Erklärung will der Verband „alle Bemühungen, Juden zum Religionswechsel zu bewegen“, unterlassen und ihnen zugleich „Jesus als Messias Israels und Heiland der Welt bezeugen“.

„Aus christlicher Sicht geht der Weg zum Heil immer nur über Jesus Christus – und zugleich ist Israel bleibend erwählt“, sagt Kern. Darin liege durchaus Spannung. „Im Pietismus haben wir sicher stärker betont, dass der Weg zum Heil über Jesus Christus – und allein durch ihn geht“, erklärt Kern, und weiter: „Zu Recht. Aber das andere muss eben daneben gestellt werden. Dann verlieren auch die Debatten um die Judenmission ihre Polarisierung und die Schwarzweißmalerei, die in unselige Fronten hineingeführt hat.“

Einstimmiges Votum der Mitglieder

Im Gespräch mit PRO betont Kern, dass das Wort „Judenmission“ überhaupt nicht in der Erklärung auftauche. Gnadau folgt im Grunde der Haltung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die die Mission von Juden ablehnt, die Juden ihrer jüdischen Identität berauben will. Anders als die EKD will Gnadau aber messianische Gruppen und Kreise unterstützen und mit diesen verbunden bleiben. Die Erklärung spricht sich zudem gegen „prinzipiellen Ausschluss von messianischen Juden aus kirchlichen Veranstaltungen oder Räumen aus“.

Der Gnadauer Präses misst der Erklärung aufgrund des einstimmigen Votums im Rahmen der Mitgliederversammlung eine „hohe Bindekraft und Verbindlichkeit“ für die angeschlossenen Werke und Verbände zu. Kern wies in dem Zusammenhang aber auf die juristische Unabhängigkeit der Verbandsmitglieder hin.

Der Evangelische Gnadauer Gemeinschaftsverband ist die Dachorganisation der landeskirchlichen Gemeinschaftsbewegung in Deutschland, in Österreich und in den Niederlanden. Er ist nach eigenem Bekunden die größte freie Bewegung im Raum der EKD. 34 regionale Gemeinschaftsverbände, sechs Jugendverbände, 13 Bibelschulen und theologische Ausbildungsstätten, sechs Missionsgesellschaften, 16 Diakonissen-Mutterhäuser, 13 Werke mit besonderer Aufgabenstellung und 16 diakonische Einrichtungen gehören dem Gnadauer Verband an.

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21 Antworten

  1. Seltsam, das hört sich an wie etwas schwanger. Entweder man stellt sich voll hinter die messianische Juden UND steht zur Mission unter Juden oder lehnt beides ab. Da hat die EKD eine klare Linie, Kern ab nicht. Was eben nicht bedacht wird von Kern ist, dass jedes noch so kleines Abrücken hier von einer klaren biblischen Position auch die Abkehr von Mission überhaupt in kleinen Schritten ist. Denn dann wird man in wenigen Jahren auch in Gnadau davon reden, dass alle Religionen seligmachend sind und man Mission nicht mehr braucht.

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  2. ich kann nicht verstehen, wieso und insbesondere wie mein christliches Zeugnis und mein Reden von Jesus davon trennen kann/ muss/ soll, dass ich will, dass mein Gegenüber darauf reagiert und ich bewegt. Irgendwie klingt dieser „Klärungsversuch“, so, als darf man schon und zwar soll man nichts. Das NT ist voll von missionarischen Wegen, Berichten und Zeugnissen, die sowohl den Heiden als auch den Juden galten. Was davon hätte es unter diesem Beschluss nicht gegeben; was hätte es geben dürfen?

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  3. Wir freuen uns über die EINSTIMMIGKEIT dieser Haltung des Gnadauer Verbandes

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  4. Seit Kern in Gnadau das Sagen hat, gefällt mir die Linie nicht mehr. „Christuszeugnis ja, Bekehrungsversuche nein.“ „Juden sollten nicht zum Religionswechsel gedrängt, aber Jesus als Messias bezeugt werden.“ Klingt so ein bischen nach: Ich wasch` Dir den Pelz, aber ich mach Dich nicht nass… Wobei ich unter „Pelz waschen“ verstehe zu sagen „Du brauchst Christus, ohne Christus bist Du nicht gerettet!“ Genau in diesen Kontext fällt aber der Aufruf, sich, als Jude, (zu Jesus Christus) zu bekehren. Was Gnadau (Kern) ja offensichtlich ablehnt. Und damit m.E. nach falsch liegt. Es ist dem Juden, wenn er denn Christus noch ablehnt, zu sagen, dass ihm das WICHTIGSTE noch fehlt.

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    1. @Jo416
      Da haben Sie Herrn Kern mE missverstanden. Es geht ihm darum, dass man sie nicht zum Religionswechsel zwingen soll. Und dennoch hält er daran fest, dass „der Weg zum Heil immer nur über Jesus Christus geht“.
      Und es gibt doch auch Juden, die Jesus angenommen haben – messianische Juden.

      „Bekehrungsversuche“ sollten bei allen Menschen gleich welcher Religion sowieso abgelehnt werden. Denn man kann grundsätzlich niemanden bekehren – ein Mensch bekehrt sich, aber er kann nicht bekehrt werden. Das, was manche Christen tun und „Bekehrungsversuche“ nennen, ist auch nicht Mission, sondern Zwang und aus Zwang kann niemand Gott lieben.

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      1. Zwingen? Wieso zwingen? Zwingen kann man sowieso niemanden. Die Kreuzzüge sind viele Jahrhunderte vorbei. Da haben SIE wohl den Herrn Kern falsch verstanden, mit Verlaub.

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        1. Ah, Entschuldigung, jetzt weiß ich, wo der Punkt ist. Ja, „bewegen“ war der Begriff von Kern, nicht „zwingen“. Ich wollte ausdrücken, dass es ihm darum geht, dass sie nicht dazu gebracht werden sollten, dass sie sich „Christen“ nennen, katholisch, evangelisch etc werden. Also laut der Erklärung will der Verband „alle Bemühungen unterlassen, Juden zum Religionswechsel zu bewegen“. D.h. sie Juden sein lassen – und dass das gut geht auch mit einem Glauben an Jesus als Messias/Erretter, das zeigt die Existenz messianischer Juden.

          Zu „bekehren“: was ich meinte ist, dass WIR/MAN niemanden bekehren können/kann. Bekehrung ist nichts, was man mit einem anderen Menschen „machen“ könnte. Das vollzieht sich in diesem Menschen ohne Einwirkung anderer von außen. Ja, und natürlich ist das das Werk des hl Geistes.

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      2. „Denn man kann grundsätzlich niemanden bekehren – ein Mensch bekehrt sich, aber er kann nicht bekehrt werden.“ Ich glaube nicht, dass sich der Mensch selbst bekehrt, ich denke, er wird bekehrt, durch den Heiligen Geist. Glaube, auch der Prozess, der dorthin führt, ist Geschenk Gottes, nicht eigene Tat.

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        1. Meines Erachtens ist der Begriff „Bekehrung“ sowieso schwierig zu erklären. Ich finde ihn nicht gut. Nicht hilfreich. Was ist das eigentlich, „Bekehrung“? Wie geht sowas? Ist „Bekehrung“ nicht die „Wiedergeburt“? Jesus sagt zu Nikodemus in dem Nachtgespräch, dass man „von Neuem geboren werden muss“, damit man ins Himmelreich kommt. Ob man „Bekehrung“ durch „Wiedergeburt“ ersetzen kann? Vielleicht kann jemand unter den Foristen das gut erklären.

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        2. Ich danke Ihnen, @Kaja, dass SIE immer sachorientiert antworten bisher, die Würde des Anderen achtend und dessen Meinung, anders als @Carvalho, der viel Wert darauf legt, die Persönlichkeit des Anderen in schäbiger Weise herabzuwürdigen. Ich bedaure das sehr, dass mit diesem Menschen einfach kein anständiger, vernünftiger Dialog möglich ist.

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          1. Und trotzdem möchte ich @Carvalho freundlich die Hand reichen, mich mit ihm versöhnen.
            Es ist uns Christen nicht geboten, uns so zu zerstreiten. Sonst sind wir ein schlechtes Zeugnis vor der Welt. Ich bitte Sie um Frieden, @Carvalho! Danke.

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          2. Also werter Herr Weber, alias Jo146,
            Ihre Art des Auftritts ist dermaßen selbstgerecht, dass mir die Worte fehlen. Sie bezichtigen mich „schäbig“ zu sein und weder anständig noch vernünftig zu argumentieren – wieviele Finger dabei auf Sie zielen, will ich nicht kommentieren -, und dann reichen Sie mir großzügig die Hand zur Versöhnung… (weil Sie ja ein dermaßen guter Christ sind….)
            Zu dieser Form an durchsichtiger Selbstgefälligkeit werde ich mich nicht äußern!

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  5. Da die Bibel nur zwischen Juden und Nichtjuden unterscheidet, ist es gar nicht so kompliziert, wie es scheint.
    M.E. gibt es Juden die an den Messias Jeshua glauben und Juden die an einen anderen noch kommenden oder gar keinen Retter glauben. Genauso gibt es diese unter Nichtjuden.
    Als Jesus nachfolgende Christen sind wir aufgerufen so zu leben und zu reden, dass wir zu IHm einladen, das tun wir bestenfalls mit allen Menschen denen wir begegnen, ob sie Juden, oder Nichtjuden sind, und das verstanden schon die allerersten, hauptsächlich aus Jeshua-gläubigen Juden bestehenden Gemeinden auch so.
    Ich finde es ganz wichtig, dass der weiter bestehende Bund Gottes mit Israel erwähnt wird (z.B. Römer 9-11 und andere). Das sieht die weltweite Christenheit nicht einheitlich und die Ablehnung des Alten Bundes fand ihren Höhepunkt im 3. Reich und besteht weiter im Antisemitismus.

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    1. Einerseits stellen Sie alle Menschen, die nicht an Jesus glauben, gleich, das meint, es ist egal, ob es Juden sind oder nicht. Andrerseits schreiben Sie vom bestehenden Bund Gottes mit Israel – da frage ich mich: ja was nun? Erwähltes Volk, bestehender Bund oder gleich wie alle anderen, die nicht an Jesus glauben? Ich würde gerne verstehen, wie Sie das, was für mich ein Widerspruch ist, auflösen bzw. erklären.

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    2. Ja ich finde es wirklich nicht kompliziert oder widersprüchlich:
      Wenn ich nach der Art mein Leben zu gestalten, oder dem Grund meiner Werte gefragt werde von einem Atheisten, einem Hindu, einem Moslem, oder einem Juden, verändert sich meine Lebensweise oder Argumentation nur in der Weise, dass ich meinen Wortschatz anpasse um verstanden zu werden, aber nicht den Inhalt. Was Gott in dem Anderen bewirkt, ist Seine Sache, und m.E. wohl nicht abhängig von mir.
      Dass Gott mit den Juden einen eigenen Plan hat und mit Nichtjuden einen , begrenzt ja nicht sein souveränes Handeln an jedem einzelnen Menschen.

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  6. Ich denke mal, es geht einfach darum, etwas „Fingerspitzengefühl“ zu zeigen und sich als Christen nicht über unsere „älteren Geschwister“ zu erheben (Römer 11). Wenn wir durch unser Verhalten Christus bezeugen, ist das „Mission“ genug.

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  7. Die Mission der Juden beraubt laut Herrn Kern / EKD die Juden also ihrer jüdischen Identität ?

    Welche Rechtfertigung wird Jeschua am Tage der Rechenschaftslegung wohlgefällig „abnicken“ ?

    Auch Saul war berufen zu leiten, mochte aber doch lieber dem Volk wohlgefällig sein als dem Schöpfer…

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  8. Man kann niemanden „bekehren“, das muß jeder selbst tun, das bedeutet Entscheidungsfreiheit. Auch Jesus hat niemanden „zugetextet“ ihm nachzufolgen. Das bedeutet Mission eben nicht. Mission bedeutet in Worten und Taten Jesus und das Evangelium zu bekennen. Christ zu werden bedeutet eben nicht, einem Verein oder einer Partei beizutreten, eine Ware zu kaufen oder eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Die Christenheit hat mit Zwangschristianisierung viel Unheil angerichtet. Daß man daraus Lehren gezogen hat, ist richtig. Es bedeutet eben nicht, daß man nicht mit Andersgläubigen über Jesus und sein Erlösungswerk sprechen darf. Wichtiger ist es aber, das Christsein so zu leben, daß andere Menschen neugierig werden, nach Jesus fragen, dann können und sollen wir Zeugnis geben.

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  9. @Carvalho: Dann eben nicht. Mein Anliegen war es, diesem schäbigen „Hin und her“ zwischen uns beiden (Sie sehen darin richtiger Weise durchaus Selbstkritik an mir, an der es Ihnen offenbar vollständig fehlt) mal ein Ende zu empfehlen. Das wollen Sie aber anscheinend nicht. Nun, ich will diesen Disput zwischen uns nicht mehr. Hier kann und wird es keinen Sieger geben. Dann „eseln“ Sie sich mit Anderen, mit mir nicht mehr.

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    1. @Jo146 (alias E. Weber)
      Und auch in dieser Antwort die kaum zu überbietende Selbstgerechtigkeit des Herrn Weber. Freilich sind Sie selbstkritisch und ich nicht. Wie billig ist denn das?!?!
      Was man davon halten soll, dass Sie sich eine alternative Identiät zugelegt haben, um mir in einem Forumsbeitrag „zweistimmig“ zu widersprechen, mag jeder selbst beurteilen. (Und dann haben Sie das geleugnet und anschließend wurde dies Leugnung gelöscht… irgendwie Kindergeburtstag…. oder?)
      Ich wiederhole mich ungern:
      Ich poste hier nicht, weil der Diskurs mit Ihnen oder ähnlichen Bewohnern Fundamentaliens vergnügungssteuerpflichtig wäre oder ich fundamentalistische Positionen für intellektuell irgenwie veritabel halten würde, so dass man da ernsthaft diskutieren könnte.
      Es geht mir darum, dass bestimmte Positionen, die aus dem Glauben eine lächerliche, bildungsfeindliche und angstbesetzt-dualistische Angelegenheit machen, so nicht stehen lasse. Und Sie sind – in beiden Identitäten – diesbezüglich besonders rabulistisch aufgetreten.
      Was Sie unter „eseln“ verstehen und zu verstehen geben mögen, soll Ihr Geheimnis bleiben.
      MfG

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