Viel Dschihad, wenig Religion

Eine Befragung der Vereinten Nationen unter Dschihadisten hat ergeben: Es ist nicht die Religion an sich, die Terroristen nach Syrien treibt, sondern der Wunsch, muslimische Glaubensgeschwister zu unterstützen.
Von Anna Lutz
Wer den Dschihad will, weiß nicht unbedingt, was der Koran damit meint. Das ist das Ergebnis einer Studie der Vereinten Nationen.

Terroristen, die nach Syrien ziehen, um im Dschihad zu kämpfen, haben wenig Ahnung vom Islam und sehen die Religion auch selten als wesentlichen Grund für ihre Reise ins Kriegsgebiet an. Das hat eine aktuelle Studie der Vereinen Nationen ergeben. Dafür haben Forscher 43 Rückkehrer aus Syrien nach ihren Motiven befragt. Die Islamisten waren ins Ausland gereist, um dort den Dschihad zu unterstützen, sind dann aber entweder aus freien Stücken zurückgekommen, oder wurden von Behörden unterwegs aufgehalten. Die Befragten stammen aus 12 verschiedenen Ländern, darunter sind Staaten der EU, des Nahen Ostens und Nordafrikas.

So gaben knapp 40 Prozent der Befragten an, sie fühlten sich verpflichtet, Mitmuslime vor der syrischen Regierung zu schützen. Die religiöse Bedeutung des Begriffs Dschihad und den Koran selbst hingegen kennen offenbar wenige. So zitiert die Studie einen Befragten mit den Worten: „Wir kennen den Dschihad aus Intuition heraus. Jeder Moslem kennt das intuitiv. Man muss das nicht studieren.“ Das Gefühl der Gemeinschaft spiele für junge Dschihadisten eine wichtigere Rolle als die Religion an sich, folgert die Studie. Belege dafür sehen die Forscher auch darin, dass lediglich sieben der Befragten angaben, in Syrien ein Kalifat errichten zu wollen. Die Idee eines Gottesstaates erscheint einem Großteil fremd.

Gruppengefühl statt Koranstudium

Die meisten Befragten verbindet ein geringer sozialer Status und ein geringer Bildungsgrad. Viele stammen aus angespannten Familienverhältnissen. Das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gruppe ist den Forschern zufolge ein wesentlicher Faktor bei der Entscheidung, in den Dschihad zu ziehen. Entsprechend relevant ist das persönliche Umfeld: Wer ins Ausland geht, habe in der Regel Kontakt zu islamistischen Netzwerken in Moscheen, auf der Arbeit, im Gefängnis oder an der Universität. Die Entscheidung zur Rückkehr hingegen beeinflusst den Angaben der Befragten nach am stärksten die Familie zuhause.

Die Macher der Studie legen Wert auf die Feststellung, dass die Erhebung nicht repräsentativ ist. Dies begründe sich vor allem darin, dass es schwer sei, geeignete Interviewpartner zu finden. Spannend ist dennoch, dass die Ergebnisse einer weiteren aktuellen Studie aus Wien widerspechen. Die nämlich hatte aufgrund einer Befragung unter islamistischen Straftätern festgestellt, dass die Religion für die meisten eine wesentliche Rolle bei der Radikalisierung spiele und viele Terroristen sich gut mit klassischen islamischen Quellen auskannten. (pro)

Von: al

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