Kirchenglocken im Libanon: Mitten im Chaos überleben

Der libanesische Autor Marius Deeb ist überzeugt: „Ohne Christen gäbe es keinen Libanon.“ In einem Vortrag hat er die Situation der Christen im Libanon beleuchtet und über den neuen christlichen Präsidenten des Landes, Michel Aoun, als einen „bemerkenswerten Mann“ gesprochen.
Von PRO
Die griechisch-orthodoxe St. George's-Kathedrale in Beirut

„Die Religionsfreiheit im Libanon ist ein Vorbild für alle Christen in der Levante und in Ägypten: Sie läuten laut die Kirchenglocken und tragen ohne Furcht christliche Symbole in der Öffentlichkeit.“ Der emeritierte libanesische Professor für International Studies, Marius Deeb, hat am vergangenen Mittwoch zum Thema „Die Christen im Libanon – Mitten im Chaos überleben“ am Boston College referiert. In anderen Staaten wie Ägypten, würden Christen hingegen „die ganze Zeit schikaniert und ihre Kirchen verbrannt“ werden; in der Türkei seien die Christen bereits vor Jahrzehnten praktisch ausgelöscht worden.
Es sei der Wunsch der Christen im Libanon nach einer „freiheitlichen offenen Gesellschaft“ gewesen, der geholfen habe, diese trotz Krieg und Gewalt zu erhalten. Die Geschichte der christlichen Führungskräfte des Landes belege dies. Christliche Politiker hätten für die Bewahrung des demokratische Systems gekämpft, „in dem alle religiösen Gruppen gleich behandelt und auf allen Ebenen der Regierung vertreten sind und in dem die Grundrechte gewährleistet sind“, erklärte Deeb, Autor des Buches „Syria‘s Terrorist War on Lebanon and the Peace Process“.
Im Angesicht ihrer durch Krieg und Konflikte verwüsteten Heimat hätten Christen das Land „immer wieder neu aufgebaut und an eine bessere Zukunft geglaubt“. In den vergangenen Jahrzehnten sei der prozentuale Anteil der Christen zwar stark gesunken, es sei jedoch „vollkommen inakzeptabel“, christliche Exil-Libanesen nicht mitzuzählen, sagte Deeb. Für sie forderte er die libanesische Staatsbürgerschaft zurück. Die libanesische Diaspora sei ein integraler Bestandteil der libanesischen Gesellschaft.

Westliche Unterstützung für christlichen libanesischen Präsidenten

Deeb forderte zudem die Christen im Westen auf, nicht nur den Libanon, sondern vor allem den christlichen libanesischen Präsidenten Michel Aoun zu unterstützen. Von Aoun, der am 31. Oktober sein Präsidentschaftsamt angetreten hat, erwartet Deeb Erfolge in verschiedenen Bereichen, zum Beispiel bei der Reintegration der südlibanesischen Armee, der Verbesserung der Beziehungen zwischen Israel, Syrien und dem Libanon, dem Kampf gegen Korruption oder der Verbesserung der Grundversorgung.
Er verspricht sich zudem Vorteile durch die Beziehungen des Präsidenten zur Hisbollah. Deeb bezeichnet sie zwar als „Schurken“, doch zur Vorbeugung von Konflikten könne eine solche Verbindung hilfreich sein.
Die Wahl Aouns, der gegen die syrische Besetzung des Libanon kämpfte, sei möglich geworden durch den sinkenden Einfluss des schiitischen Irans und des sunnitischen Saudi-Arabiens auf den Libanon, erklärte Deeb. In der Wahl des neuen Präsidenten sieht Deeb ein positives Zeichen für einen „neuen Dialog unter den Libanesen“.
Der Vortrag von Marius Deeb fand im Rahmen der Vortragsreihe „Die Zukunft der religiösen Minderheiten im Nahen Osten“ der Organisation „Christian Solidarity International“ statt. (pro)Mossul: Eroberung ist noch keine Befreiung
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