Ein Stücken Zink bestätigt Luthers letzte Ruhestätte

Einen „historischen Kriminalfall“ nennt es der MDR: Ein Stück Zink beweist fast 500 Jahre nach Martin Luthers Tod, dass er tatsächlich in der Schlosskirche zu Wittenberg beerdigt wurde. Heimlich wurde es vor langer Zeit aus dem Grab entfernt und ebenso heimlich innerhalb einer Theologenfamilie von einer Generation zur anderen weitervererbt.
Von Jörn Schumacher
Dieses Stückchen Zink stammt vom inneren Sarg Martin Luthers. Lange wurde bestritten, dass Luther wirklich in der Schlosskirche zu Wittenberg beerdigt wurde.

Das Stücken Zink, das vorige Woche in der Stiftung Luthergedenkstätten Wittenberg der Öffentlichkeit präsentiert wurde, ist mehr als als Stückchen Schrott. Am vergangenen Montag jährte sich der Todestag des bekannten Reformators Martin Luther zum 473. Mal. Luther wurde neben der Kanzel, auf der er oft gepredigt hatte, beigesetzt. Doch schon kurz nach dessen Tod kursierten Gerüchte, dass einige seiner Anhänger den Leichnam heimlich woanders beerdigt hätten, oder aber dass der katholische Kaiser Karl der V. Luthers Leichnam verbrannt habe. Wurde Martin Luther nun wirklich in der Wittenberger Schlosskapelle beerdigt oder nicht? Wegen des Zinkstücks sind sich die Experten laut einem MDR-Bericht nun sicher: Ja, in der Wittenberger Schlosskirche liegt Luthers letzte Ruhestätte.

Welchen erstaunlichen Weg das Metallstück als Indiz eines historischen Kriminalfalls genommen hatte, berichtete der Theologe Helmut Liersch am Mittwoch, den 13. Februar, kurz vor Luthers Todestag also, im Augusteum Wittenberg vor einem großen neugierigem Publikum.

Grabschändung zu besten Gottesdienstzeit

Von 1883 bis 1892 wurde die Schlosskirche in Wittenberg anlässlich des 400. Geburtstags Luthers grundlegend renoviert. Dies bot eine einmalige Gelegenheit, dem Gerücht, Luther liege hier gar nicht beerdigt, wortwörtlich auf den Grund zu gehen. Allerdings hatte Kaiser Wilhelm I. höchstpersönlich verboten, das Grab des großen Reformators zu öffnen. Die feierliche Einweihung der geschichtsträchtigen Kirche sollte am 31. Oktober desselben Jahres stattfinden, da passten keine unbequemen Fragen, ob Luther wirklich hier beerdigt ist oder nicht. „Luther und die Schlosskirche waren gewissermaßen Chefsache“, erklärt der Schriftsteller Andreas Montag in der Mitteldeutschen Zeitung. „Und in dieses Konzept passten keine zweifelnden Überlegungen, wie sie seit Luthers Tod und seiner Beisetzung in der Schlosskirche im Jahr 1546 immer wieder angestellt worden waren.“

Auch Wilhelms Nachfolger Friedrich III. und Wilhelm II. bestätigten das Verbot übrigens. Es hielt den damaligen königlichen Regierungsbaumeister Groth und seinen Maurerpolier Römhild allerdings nicht davon ab, es trotzdem zu tun. Sie suchten sich im Jahr 1892 den 14. Februar aus, einen Sonntagvormittag, um zur besten Gottesdienstzeit unbemerkt zur Baustelle an der Schlosskirche zu gehen, um Luthers Grab zu öffnen. Würde sich darin ein Sarg befinden?

Zink und ein Stück des Sarg-Griffs

Vom Holzsarg Luthers war nicht mehr viel übrig. Allerdings fanden der Architekt und sein Maurer noch den Zinksarg, der sich innerhalb des Holzsargs befand. Er diente damals zum Schutz des eigentlichen Leichnams. Es war nun also klar: Luther war hier tatsächlich beerdigt. Da die Ausgrabung jedoch gegen ein königliches Verbot verstieß, konnten Groth und Römhild niemandem von ihrem historischen Fund berichten.

Irgendwann erzählte Maurerpolier Römhild dann doch von seiner damaligen Entdeckung. Er war mittlerweile Küster der Kirche geworden und führte Touristen herum. Erst 1913 bekannte Römhild zudem, dass er aus dem Grab ein „Souvenir“ mitgenommen hatte: ein Stückchen von Luthers Zinksarg, rostige Überreste eines der Nägel aus dem äußeren Holzsarg aus Luthers Grab sowie einen Griff des Sarges.

Er vertraute die Stücke dem damaligen Superintendenten Emil Quandt an, der aber aufgrund des Verbots ebenfalls niemanden davon erzählen konnte. Er packte die Fundstücke, die Luthers Grab eindeutig belegten, mit einem Brief in ein Kästchen. Dieses Kästchen wurde dann in der Familie Quandt von Generation zu Generation weitervererbt. Durch die Zeit hinweg wanderte es von Wittenberg nach Berlin und Königsberg, zum Schluss auf den Dachboden des Braunschweiger Theologen Martin Quandt, Urenkel des damaligen Superintendenten von Wittenberg. Quandt fand das Kästchen auf dem Dachboden seiner 1959 verstorbenen Großmutter, und erst im Ruhestand nahm der sich Zeit, sich den Inhalt genauer anzuschauen. Martin Quandt sagt gegenüber dem MDR: „Keiner hatte das Kästchen geöffnet. Es lag die ganze Zeit zwischen den Büchern.“

Im Reformationsjahr 2017 erzählte Quandt einem Freund, dem Theologen Helmut Liersch, dass er eventuell Teile von Luthers Sarg in seinem Privatbesitz habe. Liersch wiederum verwies auf den handschriftlichen Vermerkt auf der Schachtel: „Privateigentum. Ein Stückchen vom Zinksarge Dr. Luthers, bei Öffnung des Grabes in der Schlosskirche unter Leitung des Baumeisters Grothe am 14. Februar 1892 herausgenommen vom Maurerpolier Römhild.“

Quandt war bereit, die Beweisstücke für Luthers letzte Ruhestätte dem Lutherhaus in Wittenberg zu übergeben. Stefan Rhein, Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, freut sich über die Gabe. Er will die Stücke gemeinsam mit dem Griff von Luthers Sarg in einer neuen Dauerausstellung im Lutherhaus präsentieren. Gegenüber dem MDR sagte Rhein: „Es ist etwas Einmaliges. Für alle, die bisher gezweifelt haben, können wir nun fest sagen: Luther ist wirklich in der Schlosskirche beerdigt. Es lohnt sich, in die Schlosskirche zu Luthers Grab zu kommen.“

Von: Jörn Schumacher

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