Allianz-Beauftragter Heimowski: „Hören und verstehen“

Uwe Heimowski ist neuer Beauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) am Sitz des Deutschen Bundestags und der Bundesregierung. Im pro-Interview verrät der Theologe, warum man sich eigene Themen nicht stehlen lassen darf, und warum ihm die Ökumene am Herzen liegt.
Von PRO
Der Theologe Uwe Heimowski ist das Gesicht der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) in Berlin

pro: Herr Heimowski, was wollen Sie in den ersten 100 Tagen Ihrer Tätigkeit erreichen?

Uwe Heimowski: Den sehr unterschiedlichen Allianzleuten und ihren Themen ein Gesicht und eine Stimme zu geben, das wird meine Aufgabe sein. Wichtige Themen waren in den letzten Jahren etwa Religionsfreiheit und Lebensschutz, aber auch der Schutz von Menschenrechten und das Engagement gegen Menschenhandel. Innerhalb der Allianz werde ich dafür werben, dass man respektvoll mit Politikern umgeht und für sie betet. Und, dass man sich politisch engagiert und Verantwortung wahrnimmt in seiner Gemeinde und seinem Wohnort.

Was sind dabei die größten Herausforderung?

Die vielen Termine unter einen Hut zu bringen. Neben offiziellen Terminen soll genügend Zeit für die Kontaktpflege bleiben. Wolfgang Baake, mein Vorgänger, hat seit 1999 sehr viele Kontakte aufgebaut. Meine Aufgabe wird sein, diese Kontakte weiter zu pflegen und zudem weitere Gesprächspartner zu finden. Das gilt für den Bereich der Politik und auch für den Dialog der DEA mit den Kirchen, deren Beauftragte ebenfalls hier in Berlin tätig sind. Der Auftrag, mit dem ich angestellt bin, ist, mit allen Parteien im Deutschen Bundestag Kontakte zu pflegen und Schnittmengen zu finden.

Wollen Sie sich auch gegen die Diskriminierung von Christen einsetzen?

Christenverfolgung wird auf jeden Fall ein Thema bleiben. Christenverfolgung und generell das Thema Religionsfreiheit. Die DEA konnte hier in den letzten Jahren einen wichtigen Beitrag leisten, und ist froh, dass die Politik das Thema entdeckt hat. Zur Evangelischen Allianz gehören viele Kirchen, Freikirchen und Gemeinschaften, die in ihrer Geschichte Verfolgungen und Benachteiligungen erlebt haben, deswegen setzen wir uns heute für andere ein, die Ähnliches erleben müssen. Viele Missionare und Werke weltweit, die mit der DEA verbunden sind – wissen, was es bedeutet, wenn die Religionsfreiheit eingeschränkt wird. Sie sind Experten auf diesem Gebiet mit besonderem Gespür. Diese Expertise werden wir gerne zur Verfügung stellen. Deswegen werden wir das Thema weiter verfolgen und auch prominent besetzen.
Gleichzeitig ist wichtig, dass wir erkennen, welche Themen aktuell gesamtgesellschaftlich diskutiert werden. Da werde ich mich mit einklinken. Die Allianz hat sich in der Flüchtlingsfrage sehr früh zu Wort gemeldet. Fragen nach Solidarität, weltweiter Gerechtigkeit sind wichtig. Die Themen Menschenhandel und Prostitution verdienen aus meiner Sicht eine besondere Beachtung. Die Fragen des Lebensschutzes, nach dem Wert von Ehe und Familie, sind und bleiben natürlich auch weiterhin Allianz-Themen.

Hat die DEA inhaltliche Überschneidungen mit der Alternative für Deutschland (AfD)? Muss man sich nötigenfalls gegenüber der Partei abgrenzen?

Die DEA ist keine Partei. Das bedeutet, dass die Allianz sich nicht von irgendeiner Partei abgrenzen muss, sondern sie wird sich, wo das nötig ist, von Inhalten distanzieren. Dort, wo die AfD rassistisch ist, wo sie menschenverachtende Töne anschlägt oder Ängste schürt, werden wir uns davon distanzieren. Das ist klar. Aber es gilt nicht nur für die AfD: Wir müssen die Inhalte bewerten. Ich will das an einem anderen Beispiel verdeutlichen: Die DEA hat sich in Baden-Württemberg von den Grünen distanziert. Grund war der Bildungsplan. Dennoch haben wir große Schnittmengen mit den Grünen in anderen Themen wie Nachhaltigkeit, Ökologie oder bei den Menschenrechten. Wie sich das Verhältnis der DEA zur AfD entwickeln wird, kann ich überhaupt nicht sagen. Auch, weil man nicht weiß, wie die Parteienlandschaft nach der Bundestagswahl 2017 aussieht. Auf gar keinen Fall werden wir als DEA menschenverachtende Töne akzeptieren.

In der politischen Auseinandersetzung wird die DEA oft in die rechte Ecke gestellt, weil ihr Themen wie Lebensschutz wichtig sind. Wie begegnen Sie solchen Anschuldigungen?

Ich halte es für grenzwertig, wenn etwa bei der Gegendemo evangelikale Teilnehmer des „Marsch für das Leben“, undifferenziert in einen Topf mit der AfD geworfen werden. Wer hier pauschal die Fundamentalismuskeule schwingt, muss sich selber fragen lassen, wie es um die eigene Toleranz bestellt ist. Ich war im vergangenen Jahr beim „Marsch für das Leben“ mit dabei, habe mich in diesem Jahr positiv geäußert und wurde darauf angesprochen, warum ich mit Beatrix von Storch (AfD) an einem Strang ziehen würde. Mir wurde unterstellt, ich sei für die AfD. Nein, das bin ich nicht.
Ich habe in meiner Heimatstadt Gera auch gegen die NPD demonstriert, als diese vor einem Flüchtlingsheim aufmarschiert ist. Neben mir gingen Mitglieder der Antifa. Ich bin beileibe kein Fan der Antifa. Ich halte jede Form von Radikalismus für gefährlich, aber sollte ich mich nicht klar gegen Neonazis positionieren, nur weil Linksextreme auch dagegen sind? Es ist immer gut, darauf zu achten, was man sagt, und mit wem man etws sagt. Aber zu wichtigen Themen zu schweigen, nur weil „die Falschen“ die gleiche Meinung haben, ist sicher keine Alternative.
Übrigens sind die Werte, für die der Marsch für das Leben eintritt, ein ureigenstes Anliegen der DEA. Die Allianz war schon lange für den Lebensschutz, als noch keine Spur der AfD am Horizont zu sehen war. Wir dürfen uns als Christen, seien wir progressiv oder konservativ, werden vereinnahmen, noch unsere Themen stehlen lassen. Die AfD hat sich einiger Themen bemächtigt, die uns schon immer am Herzen lagen, nicht andersherum.
Im Moment ist es ohnehin so: Egal, wie man sich zur AfD äußert, irgendwer findet es immer falsch. Aus meiner Sicht sollte man mit der AfD sehr differenziert umgehen. Man darf bei aller Kritik nicht übersehen: Auch eine Protestpartei ist demokratisch legitimiert. Daher hat es überhaupt keinen Wert, dass die Parteien auf die Wähler schimpfen, sondern sie müssen fragen, was die Menschen zu ihrem Protest treibt.

Liegt darin eine Chance für die DEA, etwa in dem sie eine Brücke baut zwischen dem Unmut vieler Wähler über die Politik und die Politiker?

Brücken bauen wollen wir auf jeden Fall. Ich möchte gerne den Menschen zuhören, aber auch bei ihnen dafür werben, zu verstehen, warum Politiker so entscheiden, wie sie entscheiden. Und ich möchte um Anerkennung dafür werben, mit welchem Engagement Politiker sich den vielen Aufgaben stellen. Ich hätte gerne, dass die Evangelikalen sagen: ‚Wir beten für unsere Politiker. Wir respektieren unsere Politiker, auch wenn wir anderer Meinung sind. Und wir nehmen unser Wahlrecht wahr.‘ Und da, wo wir als DEA eine politische Meinung haben, werden wir die auch selbstbewusst gegenüber der Politik vertreten. Wir wollen nicht meckern, sondern konstruktiv mitgestalten. Die Gefahr wenn man sich zu sehr den kritischen Stimmen annähert, ist, dass man selber zum Meckerfritzen wird. Das will ich nicht sein. Eines meiner Bücher heißt sehr bewusst „Ich bin dafür!“.

Wie wichtig ist Ihnen der Diskurs bei strittigen Themen? Wie wichtig ist ihnen der Dialog?

Beides ist wichtig. Der Diskurs gehört zur Demokratie. Es ist völlig logisch, dass wir uns auch bei strittigen Themen zu Wort melden werden. Andererseits werde ich immer den Faden suchen, wo wir gemeinsam bei Themen anknüpfen können. Nehmen wir die engagierten Menschenrechtler, die sich mit großem Einsatz für Minderheiten einsetzen. Mit denen verbindet uns viel – egal ob wir das gleiche Leitbild von Ehe und Familie haben. Wo es Schnittmengen gibt werden wir sie suchen. Bei anderen Themen kommen wir nicht leicht auf einen gemeinsamen Nenner. Das darf aber den Willen zum Dialog nie in Frage stellen.

Welchen Stellenwert nimmt bei Ihnen die Ökumene ein?

Wirklich einen sehr großen. Bei mir persönlich, aber auch bei der DEA. Vor kurzem hat die DEA einen Beobachterstatus bei der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) erhalten. Die DEA ist von Beginn an eine ökumenische Bewegung auf einer klaren biblischen Grundlage. Jesus hat dafür gebetet, dass wir als Christen alle eins sein sollen. Wer das ernst nimmt, der muss ökumenisch sein. Das geht gar nicht anders. In der Bibel steht auch: „Alle eure Erkenntnis ist Stückwerk.“ Wenn ich bibeltreu sein will, dann muss ich auch das hören, was die anderen, die auch in der Bibel lesen, daraus verstehen. Nur dann bekomme ich ein Gesamtbild – das geht nicht ohne Ökumene.
Und noch ein ganz anderer Grund: in einer Gesellschaft, in der die Zahl der Christen immer weiter abnimmt, – ist es notwendigerweise so, dass man zusammen halten muss. Ich lebe im Osten Deutschlands, wir haben in Gera acht Prozent Kirchenmitglieder. Das heisst, wir Christen sind alle zusammengenommen nur eine Minderheit, und uns ist allen bewusst, dass wir nur gemeinsam etwas in dieser Gesellschaft gestalten können. Wenn wir wahrgenommen werden wollen, dann geht das nur gemeinsam. Deshalb halte ich Ökumene auch aus ganz praktischen Gründen in einer sich säkularisierenden Gesellschaft, für eine dringende Notwendigkeit.

Was liegt Ihnen persönlich auf dem Herzen?

Ich möchte gerne, dass Politiker eine Atmosphäre erleben, in der sie wertgeschätzt sind, jeder noch so kritische inhaltliche Diskurs muss in einer Atmosphäre der Wertschätzung stattfinden. Dann würde ich es gerne schaffen, dass Politiker feststellen, dass es Menschen gibt, die für sie beten.
Das zweite was mir wichtig ist, ist dass wir uns als Allianzleute auch interessieren für das, was in der Welt passiert, dass wir uns nicht in die Kirchgemeinden zurückziehen, sondern dass wir diese Gesellschaft mitgestalten, weil uns die Menschen am Herzen liegen.

Muss den die DEA einen eigenen Vertreter in Berlin haben? Die Kirchen sind ja hier bereits mit eigenen Vertretern vor Ort.

Diese Frage stellt sich, seit die DEA Vertreter beim Deutschen Bundestag und der Bundesregierung hat, immer wieder: Ehrenamtlich bereits seit 1999, das Büro in Berlin seit 2014. Die DEA wird in der Tat keine Kirche vertreten, sondern als Basisbewegung, ein bestimmtes Frömmigkeits- und Glaubensprofil in allen Kirchen. Wir verstehen, warum es von den Kirchen immer wieder Rückfragen gibt. Uns ist deshalb eine inhaltliche Abstimmung, so sie denn gewollt ist, sehr wichtig. Wenn wir so miteinander auf dem Weg sind, werden wir stärker in Berlin gehört werden können. Außerdem gehört eine gewisse Grundpluralitat zu allen christlichen, besonders den Evangelischen Kirchen. Deshalb müsste es willkommen sein, wenn eine Tonlage im gemeinsamen Orchester verstärkt wird.

Was wollen Sie hören, wenn wir in zehn Jahren auf ihren Job zurückschauen?

Er hat etwas bewegt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Norbert Schäfer. (pro)
Hinweis der Redaktion: Uwe Heimowski ist Vorstandsmitglied des Christlichen Medienverbundes KEP, zu dem auch das Christliche Medienmagazin pro gehört.Das Leben (neu) entdecken (pro)
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