Heiner Geißler: Luther wäre gegen Kirchenspaltung

Wenn Luther heutzutage leben würde, würde er sich in aktuelle politische Diskussionen „ganz stark einmischen“. Davon ist der ehemalige Bundesminister Heiner Geißler (CDU) überzeugt. Die Rechtfertigungslehre Luthers lehnt Geißler jedoch entschieden ab.
Von PRO
Dem langjährigen CDU-Generalsekretär Heiner Geißler sind die Kirchen in politischen Fragen „viel zu still“
Im Interview mit der Rheinischen Post zeigte sich der CDU-Politiker Heiner Geißler, der vor einem Jahr ein Buch mit dem Titel „Was müsste Luther heute sagen?“ herausbrachte, überzeugt, dass sich Luther, würde er heute leben, keiner Diskussion verweigern würde. Die beiden Kirchen müssten sich in aktuelle Themen viel mehr einbringen, findet der ehemalige Bundesminister. „Die Kirche darf nicht glauben, dass ihre Botschaft dadurch verbreitet werden kann, dass man von der Kanzel predigt. Sie muss die neuen Medien nutzen, in die Öffentlichkeit gehen, das Demonstrationsrecht für sich in Anspruch nehmen und vor allem Streit anfangen.“ Die Kirchen seien politisch gesehen „viel zu still“. Außerdem würde Luther wahrscheinlich die Spaltung der evangelischen und katholischen Kirche als überflüssig empfinden, sagte Geißler. „Schließlich sind alle wichtigen theologischen Probleme gelöst. Bis auf eine Ausnahme – die Unfehlbarkeit des Papstes. Das wird die katholische Kirche ökumenisch interpretieren müssen.“ Der Prozess der Einheit der beiden Kirchen müsste beschleunigt werden, findet Geißler, doch: „In beiden Kirchen gibt es aber Bremser und Betonköpfe, die an der Einheit der Christenheit gar nicht interessiert sind.“ Die Christen zählten zwei Milliarden Anhänger auf der Erde, damit seien sie „sozusagen der größte Global Player“. Geißler fügte hinzu: „Wenn sie sich zusammenschlössen und eine einheitliche Konzeption lieferten für eine Wirtschafts- und Friedensordnung auf dieser Erde, dann würden die Menschen auch wieder die Hoffnung bekommen, dass es eine gute Zukunft gibt.“

„Luthers Rechtfertigungslehre ist Irrlehre“

Die katholische Kirche müsse zudem das Zölibat abschaffen, „sonst gibt es immer weniger Priester“. Er sehe keine biblische Begründung dafür, dass Frauen kein kirchliches Amt ausüben dürfen. Luther habe den christlichen Glauben reformiert. Seine Rechtfertigungslehre lehnt Geißler jedoch entschieden ab. „Sie setzt ja voraus, dass die Menschen belastet sind von der Erbsünde, also mit vielen Schuldgefühlen durchs Leben gehen. Das ist aber ganz und gar nicht die Botschaft des Evangeliums.“ Er nennt diese Ansicht sogar einen „Irrglauben“, von dem sich die Kirche verabschieden müsse. Der 86-jährige Heiner Geißler trat im Alter von 19 Jahren dem Jesuitenorden bei, verließ ihn jedoch nach vier Jahren wieder, bevor er die Ordensgelübde Armut, Keuschheit und Gehorsam hätte ablegen sollen: „Mit 23 Jahren habe ich gemerkt, ich kann zwei – also mindestens eins – dieser Gelübde nicht halten. Die Armut war es nicht.“ Geißler studierte Philosophie und Jura, er promovierte 1960 an der Universität Tübingen. Er war zunächst als Richter tätig, 1965 wurde er in den Deutschen Bundestag gewählt. In seiner politischen Laufbahn war unter anderem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit. Außerdem war er zwölf Jahre lang Generalsekretär der CDU und sieben Jahre stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Zu den Büchern des Bestsellerautors gehören auch solche zu christlichen Themen, etwa „Was würde Jesus heute sagen? Die politische Botschaft des Evangeliums“ (2003), „Wo ist Gott? Gespräche mit der nächsten Generation“ (2000) und „Das nicht gehaltene Versprechen. Politik im Namen Gottes“ (1997). (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/politik/detailansicht/aktuell/geissler-furcht-vor-islam-berechtigt-90528/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/heiner-geissler-mehr-politisches-evangelium-in-den-kirchen-80316/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/schriften-von-martin-luther-werden-unesco-dokumentenerbe-95307/
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