„Zu Weihnachten drehen viele durch. Aber ohne Weihnachten drehen alle durch.“

„Rettet Weihnachten!“ Unter diesem Appell hat die Wochenzeitung Die Zeit Texte und Statements zusammengetragen, die sich mit dem diesjährigen Weihnachtsfest beschäftigen. Die katholische Kulturstaatsministerin Monika Grütters fasst es so zusammen: „Dieses Weihnachten wird anders sein als zuvor.“
Von Jörn Schumacher
Den Herrnhuter Stern stehe „für den Morgenstern, der die Nacht beendet und Christus versinnbildlicht“, erinnert die Wochenzeitung Die Zeit

Die Wochenzeitung Die Zeit hat in der Rubrik „Glauben und Zweifeln“ appelliert: „Rettet Weihnachten!“ Kulturstaatsministerin Monika Grütters sagt im Interview auf die Frage, wann sie als Katholikin zuletzt im Gottesdienst war: „Am zweiten Advent in meiner Berliner Gemeinde St. Ludwig, mit einem dieser Zeittickets, die man jetzt im Internet bucht.“ Doch es habe sich „fremd“ angefühlt, wenn so wenige Leute mit großem Abstand in der Kirche sitzen, so Grütters. „Gottesdienst soll ein Gemeinschaftserlebnis sein, und für uns Katholiken sind die Rituale eine wohltuende Gewohnheit.“ Wenn das wegfällt, wirke dies „wie ein Ausrufezeichen, dass etwas Krankmachendes zwischen uns allen steht“. Andererseits sei sie dankbar dafür, dass man überhaupt in die Kirche gehen könne.

Man könne geschlossene Kirchen nicht mit geschlossenen Geschäften vergleichen, so Grütters. „Wenn so viel Verstörendes passiert wie jetzt, dann belastet das uns alle im Innersten. Umso dringlicher ist das Bedürfnis nach Seelsorge. Das Digitale ist dafür sicher kein Ersatz.“ Die Ministerin fügte hinzu: „Dieses Weihnachten wird anders sein als zuvor, weniger wegen der Abstandsregeln und der Desinfektionsmittel, sondern weil Existenzsorgen im Raum stehen und weil uns die Trauer um geliebte Menschen, die noch leben könnten, gäbe es keine Pandemie, niederdrückt. Umso größer ist die Sehnsucht nach Trost und Hoffnung.“

Die Weihnachtsgeschichte sei „konkret und nah an unserer eigenen Lebenserfahrung“, so die Ministerin. „Gott kommt als kleines Kind zu uns, und dieses Kind schenkt uns einen Neuanfang. Ostern mit der Auferstehung ist ungleich abstrakter, in seinem theologischen Gehalt und rituell anspruchsvoller. Weihnachten dagegen ist gleichermaßen ein christliches wie ein weltliches Fest geworden. Außerdem fällt es in eine Jahreszeit, in der wir Gottes wärmender Botschaft bedürfen: Das kleinste Leben bringt Licht ins große Ganze.“

„Zum Kern von Weihnachten wiederfinden“

Der Zeit-Autor Georg Löwisch schreibt: „Dass Corona sich jetzt auch noch Weihnachten holen will, nehme ich persönlich.“ Der ehemalige Chefredakteur der Tageszeitung (taz) beschreibt, wie er mit seiner Familie Weihnachten feiert und was er vermissen wird. Experten und Politiker warnten, dass Weihnachten zum Kickstarter für die Pandemie werden könnte. So habe etwa im Januar Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz angesichts von möglichen vielen Todesfällen im Januar gesagt: „Ich weiß nicht, warum Weihnachten jetzt so überhöht wird.“ Löwisch antwortet ihm: „Oh ja, gerade jetzt.“ Für ihn gebe es den Moment, wo er alle Anspannung verliert: „Bei mir ist das meist an Heiligabend kurz vor dem Gottesdienst. Ich schließe die Augen, und es ist still.“ Der Zeit-Autor fügt hinzu: „Zu Weihnachten drehen viele durch. Aber ohne Weihnachten drehen alle durch. Das Fest tröstet.“

Löwisch mahnt: „In diesem Fest meiner Familie hat der Staat nichts verloren.“ Ihm sei aber auch klar: „Seit Corona hier gelandet ist, lernen wir abzuwägen. Wann ist das Risiko zu groß für andere und für mich? Wofür gehe ich es ein?“ Der Journalist fügt hinzu: „Vielleicht können wir den Kern von Weihnachten wiederfinden. Die Christen feiern, dass Gott zu den Menschen kam. Es ist ein Geburtstag. (…) Am Ende können Politik und Medizin es uns nicht abnehmen, wie wir feiern. Am Ende kommt es auf uns an. Weihnachten muss es jeder selbst werden lassen.“

„An Weihnachten wurde Gott geboren“

Unter der Überschrift „Was uns dieses Fest bedeutet“ heben die Leiterin des Zeit-Ressorts „Glauben und Zweifeln“, Evelyn Finger, und der Journalist und Theologe Wolfgang Thielmann ebenfalls die religiöse Bedeutung von Weihnachten hervor. „An Weihnachten wurde Gott geboren, als Kind, das dem Evangelium zufolge der Retter der Welt ist. Christen feiern die Geburt Jesu als Neuanfang und Erlösung. Doch auch für die, die keiner Kirche angehören, ja die behaupten, an gar keinen Gott zu glauben, scheint der alte christliche Feiertag noch immer etwas Heiligmäßiges an sich zu haben.“

Die Zeit-Autoren erinnern an den berühmten Herrnhuter Weihnachtsstern. „Erfunden hat ihn die Herrnhuter Brüdergemeine, eine evangelische Kirche, gegründet, um Flüchtlingen Heimat zu geben.“ Sie ergänzen: „Der Herrnhuter Stern hängt im Hamburger Michel, im Berliner Dom, in der Kuppel der Dresdner Frauenkirche. Er steht für den Morgenstern, der die Nacht beendet und Christus versinnbildlicht.“

Der Wissenschaftsredakteur Harro Albrecht von der Zeit betrachtet das Weihnachtsfest aus einer epidemiologischen Perspektive: „Ist ein hoher Kirchenraum nicht ebenso sicher wie ein gesangloser Aufenthalt im Freien? Ein hohes, weites Kirchengewölbe kann das Risiko einer Ansteckung sicher mindern, aber eben nur, wenn sich auf dem Gestühl nicht die Besucher drängen. Deswegen ist die Zahl der Teilnehmer an Gottesdiensten in diesen Zeiten auch begrenzt. Außerdem wäre es gut, wenn der Chor diesmal schweigt, der Pastor ein Mikrofon benutzt, der Gottesdienst nur kurz ist und etwas Durchzug im Gotteshaus herrscht.“

Von: Jörn Schumacher

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