Religiöse Menschen wählen eher nicht die AfD

Religiöse Menschen wählen eher nicht die Alternative für Deutschland (AfD). Dies ist das Ergebnis eines Aufsatzes in der Schrift „Aktuelle Analysen“ der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung. Die Aufsatzsammlung widmet sich unter dem Titel „Das Kreuz mit der Neuen Rechten?“ rechtspopulistischen Positionen in der Gesellschaft.
Von PRO
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Die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung stellt in ihrer neusten Schrift „Aktuelle Analysen“ rechtspopulistische Positionen auf den Prüfstand. Verschiedene Aufsätze beleuchten das spannungsreiche Verhältnis der Alternative für Deutschland (AfD) zum christlichen Glauben. Eine wissenschaftlichen Studie kommt zu dem Ergebnis, dass religiöse Menschen eher nicht die AfD wählen.

Die AfD argumentiere vermeintlich religiös, um sich ein gemäßigt-bürgerliches Image zu geben und Stimmen aus den unterschiedlichen religiösen Milieus zu sichern. Trotzdem sympathisierten kirchliche Vertreter verschiedener Frömmigkeitsstile mit Akteuren dieses Milieus. Die Herausgeber kommen im Vorwort zum Ergebnis, dass sich christlicher Glaube nicht mit der „menschenverachtenden Programmatik, Rhetorik und Praxis neurechter Spin-Doktoren und ihrer Adepten verträgt“.

Eigene Religion als Identitätsmarker

Die Theologin Sonja Angelika Strube arbeitet heraus, dass Christen keinesfalls per se immun gegen rechtsextreme Einstellungen seien. Die Grenze verlaufe hier nicht entlang der Religions- oder Konfessionsgrenzen. Aus Sicht des Religionssoziologen Alexander Yendell wollten die Rechtspopulisten gerne das christliche Abendland bewahren. Dafür spielten Religion und Religiosität eine zentrale Rolle. Sie malten das Schreckgespenst einer angeblichen Islamisierung und der Unterwanderung der eigenen Kultur durch Migration. Zugleich sei die eigene Religion ein wichtiger Identitätsmarker. Anhand einer wissenschaftlichen Studie macht er deutlich, dass die Einstellung gegenüber anderen Religionsgemeinschaften positiver ist, je religiöser die Befragten sind. Religiöse hätten eine höhere Wahrscheinlichkeit, nicht die AfD zu wählen.

Maren Behrensen und Marianne Heimbach-Steins verweisen in ihrem Aufsatz darauf, dass der Begriff „Gender-Ideologie“ von unterschiedlichen Strömungen der AfD bedient und genutzt werde. Wenn von „Gender-Wahnsinn“ oder „Gender-Gaga“ die Rede sei, verdeutliche dies die Abwehrhaltung. Die Autorinnen werfen Gabriele Kuby und Birgit Kelle vor, dass sie an einem publizistischen Mythos arbeiteten, Gender stelle die Wahl des Geschlechts in die völlige subjektive Beliebigkeit.

„Gender-Feindbild“ fungiert als Bindemittel

Regelmäßig gebe es Forderungen, Mittel für die Gender-Forschung zu streichen. Die „religiös-fundamentalistisch geprägte Klientel“ betone den Wert von Familie, Kindern und dem Schutz des ungeborenen Lebens. Der „völkisch-nationalistischen Klientel“ gehe es darum, das „deutsche Volk“ als homogene ethnische Gruppe zu erhalten. Das Gender-Feindbild fungiere als Bindemittel zwischen unterschiedlichen Partei-Strömungen. Über das Lebensschutz-Anliegen suchten sie den Schulterschluss mit kirchlichen Milieus, wie etwa bei dem „Marsch für das Leben“.

Die Politikwissenschaftlerin Astrid Séville findet, dass ein spezielles politisches Klima rechter Gewalt zuträglich sein kann. Die AfD habe die Devise ausgegeben, „die Grenzen des Sagbaren auszuweiten“. Oft würden bisherige Minderheiten als etwas Fremdes dargestellt und einer organisch gewachsenen, homogenen Mehrheitskultur gegenübergestellt.

Der Münchener Theologe Lukas David Meyer verweist darauf, dass Rechtspopulisten trotz zahlreicher Konflikte mit den Kirchen den Anspruch erheben würden, „christliche“ Positionen zu vertreten. Vor allem das kirchliche Engagement für Flüchtlinge habe den Protest der AfD auf den Plan gerufen. Während im Bundestagswahlprogramm die Begriffe „Christentum“ und „christlich“ nur drei Mal auftauchten, fielen „Islam“ und „muslimisch“ insgesamt 30 Mal.

Gerhard Hirscher hat in seinem Aufsatz herausgearbeitet, dass die AfD unter Menschen mit stärkerer konfessioneller Bindung weniger Zuspruch findet und die eng an die Kirche Gebundenen die AfD meiden. Die Partei habe Mitte 2014 noch ein relativ ausgewogenes Programm gehabt und sich dann immer weiter nach rechts entwickelten. Ob katholische „Fundamentalisten“ oder protestantische „Evangelikale“ stärker oder weniger stark der AfD zusprechen, könne mit den Mitteln der empirischen Wahlforschung nicht beantwortet werden. Wahlen würden in Zukunft verstärkt nicht mehr entlang konfessioneller Linien entschieden.

Uwe Heimowski, Politikbeauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz am Bundestag, wirbt in seinem gemeinsamen Beitrag mit Rene Markstein dafür, den Begriff „evangelikal“ differenziert zu betrachten. Die Deutsche Evangelische Allianz (DEA) spreche sich dezidiert gegen Ausgrenzung und fremdenfeindliche Tendenzen aus. Nach der Bundestagswahl 2017 verneinte sie Schnittmengen „zu rassistischen und geschichtsverfälschenden Positionen“.

Drei Hauptmotive für die AfD-Wahl

Trotzdem seien auch evangelikale Christen für rechtspopulistische Positionen empfänglich. Eine 2019 durchgeführte qualitative Untersuchung arbeitete drei Hauptmotive über das Warum heraus. Neben den Gesetzestreuen gebe es die Werteorientierten und die Enttäuschten. Die Werteorientierten beklagen, dass die Parteien immer häufiger biblische Wahrheiten und christliche Werte wie Familie und Ehe aufgeben.

Für diese Christen sei die Bibel, auch in politischen Dingen, der einzige Orientierungspunkt. Während der AfD der „Mut zur Wahrheit“ attestiert wird, habe die CDU „christliche Werte“ verlassen und laufe einem „links-grünen“ Mainstream hinterher. Heimowski sieht einen großen Facettenreichtum in der evangelikalen Bewegung. Bei einigen gebe es definitiv eine inhaltliche Nähe zur AfD. Bei den Enttäuschten und Gesetzestreuen spiele der christliche Glaube zwar eine wichtige Rolle, hänge aber nicht unmittelbar mit einer AfD-Präferenz zusammen.

Heimowski wirbt dafür, die Berührungspunkte zu rechtspopulistischen und neurechten Medien kritisch und differenziert zu hinterfragen. Evangelikale Christen seien aber nicht aufgrund ihrer Evangelikalität empfänglicher für rechtspopulistische Positionen. Eine differenzierte Betrachtung könne zu einem fruchtbaren Dialog führen. Evangelikale könne man nicht auf eine bestimmte Gruppe reduzieren, weil es sich um eine transkonfessionelle Bewegung handele, die Landes- und Freikirche verbindet.

Sarah Schmid skizziert in ihrem Beitrag, dass viele rechte Parteien die christliche Identität durch eine „muslimische Massenmigration“ bedroht sehen. Das gemeinsame Feindbild und der ideologische Kitt dieser Parteien sei die Ablehnung des Islam. Auch die AfD weise immer wieder darauf hin, dass das christliche Abendland durch den Islam bedroht sei.

Von: Johannes Blöcher-Weil

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