Digital-Industrie hinterfragt Nutzung von Smartphones

Das Smartphone gehört heute fast selbstverständlich zum Alltag der jungen Generation. Das Gerät steht jedoch im Verdacht, Süchte hervorzurufen. In einem Interview von Zeit Online wirbt der amerikanische Computerwissenschaftler David Levy aber auch dafür, aus der eigenen Techniknutzung zu lernen.
Von PRO
Das Smartphone gehört heute fast selbstverständlich zur jungen Generation

Die Computer-Industrie hat zu lange alles Digitale gefeiert und nicht ausreichend hinterfragt. Diese These vertritt der Computerwissenschaftler David Levy im Interview von Zeit Online. Kaum jemand habe der Begeisterung für den Fortschritt und für das Neue widersprochen.

Jetzt beginne im Silicon Valley eine Debatte darüber, ob die Nutzung von Smartphones auch süchtig mache. Einschlägige Betriebssysteme sollten bald auch Eigenschaften enthalten, mit denen Smartphonebesitzer ihr Nutzerverhalten überwachen können. Diese Entwicklung in Bezug auf das Suchtverhalten befürwortet Levy: „Zum ersten Mal geben auch Tech-Leute zu: Wir haben ein echtes Problem.“

„Es liegt an einem selbst, sein Verhalten zu ändern“

Zur Abhängigkeit tragen aus seiner Sicht Belohnungssysteme in den Sozialen Medien bei. Die Unternehmen setzten dort Reize und versprächen in unregelmäßigen Abständen Belohnungen. Der Digitalkritiker und ehemalige Google-Mitarbeiter Tristan Harris hat aufgrund der vielen Reize empfohlen, das Smartphone auf den Schwarz-Weiß-Modus umzustellen.

Levy geht davon aus, dass es wissenschaftlich bald als Suchtverhalten gewertet werde, dass manche Menschen ihr Smartphone kaum weglegen können. Die neuen technischen Möglichkeiten brauchten natürlich die Fähigkeit und den Willen des Nutzers, von diesen zu lernen: „Es ist gut, dass es diese Werkzeuge gibt, doch sie allein stellen keine Lösung dar. Es liegt an einem selbst, sein Verhalten zu ändern.“

Bedenken hat er, ob die Unternehmen ihren Hunger nach Profit zähmen. Positiv sei immerhin, dass dies ein Thema sei: „Wir sollten uns nicht länger nur über die neuesten Features des iPhones begeistern oder darüber, was man alles Tolles mit seinem Telefon anstellen kann. Stattdessen sollten wir uns fragen: Was macht ein erfülltes Leben aus? Technische Geräte können uns in mancher Hinsicht dabei helfen, ein solches zu führen. Sie können uns aber auch daran hindern.“

Levy: Wer häufig offline ist, muss seine Freunde aufklären

Er erforsche deswegen auch, wie der User durch die Nutzung der neuen Software mehr über sich selbst erfahren kann: „Da diese Geräte in fast jedem Lebensbereich eine Rolle spielen, könnten wir sie auch als Spiegel unser selbst verstehen. Der zeigt uns, was für ein Leben wir führen – und ob wir daran vielleicht etwas verändern wollen.“ Wer häufig offline sei, müsse darüber seine Freunde aufklären. Das digitale Verhalten hänge nämlich nicht nur vom persönlichen Verhältnis zu unseren Geräten ab, sondern habe auch Auswirkungen auf unser Umfeld.

Deshalb sollten die Nutzer die möglichen Konsequenzen mitbedenken. Das amerikanische Bildungssystem sehe bisher noch nicht die Notwendigkeit. Trotzdem plädiert Levy für ein Schulfach Technologie- und Medienerziehung. Der Wissenschaftler behauptet, dass „wir in einer derart beschleunigten, uns überfordernden Kultur leben, dass sich das Bildungssystem schwertut, noch Neues zuzulassen“. In der wissenschaftlichen Lehre beobachtet er, dass junge Menschen oft dieselben Fragen und Vorbehalte gegenüber der Technologie haben wie die Älteren.

„Außerdem verstehen mehr Menschen, dass wir stärker aufeinander achten sollten und mit unseren negativen Emotionen besser umzugehen verstehen müssen.“ In Amerika beobachte er eine extreme Polarisierung – sowohl online als auch offline. Die Gesellschaft müsse wieder lernen, Meinungsunterschiede auszuhalten. Es sei nicht sinnvoll, andere Menschen zu beschimpfen, nur weil eine Person ihre Ansichten nicht teilt.

Levy ist Professor an der Information School der University of Washington in Seattle. In seinem Buch „Mindful Tech“ hat er zu einem bewussteren Umgang mit Technologie aufgerufen.

Von: Johannes Blöcher-Weil

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