Junge Menschen beten seltener als ältere

In einem Großteil der Länder weltweit beten junge Menschen weniger als ältere. Sie gehen auch seltener in Gottesdienste und gehören seltener religiösen Gruppen an. Besonders auffällig sind die Unterschiede in westlichen Ländern. Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue Studie des Pew Research Center.
Von PRO
Ältere Menschen halten es in vielen Ländern eher mit der Religion als jüngere. Wohlstand und Sicherheit könnten eine Ursache für Unterschiede in der Religiosität sein.

Junge Menschen unter 40 haben weltweit, vor allem in westlichen Ländern, weniger Bezug zur Religion. Das hat eine Studie des amerikanischen Pew Research Center ergeben. Das Forschungsinstitut hat dazu Daten aus über 100 Ländern verglichen. Das Ergebnis: Ein Unterschied zwischen den Generationen ist zwar nicht überall vorhanden, aber wo er vorkommt, sind es fast immer die Jüngeren, die der Religion weniger Bedeutung beimessen – unabhängig von sozialen oder wirtschaftlichen Faktoren oder davon, ob das Land insgesamt mehr oder weniger religiös geprägt ist.

Am deutlichsten ist der Generationenunterschied beim regelmäßigen Gebet. Er besteht in 71 von 105 zu dieser Frage untersuchten Ländern. Am weitesten klafft die Lücke in Japan: 29 Prozent weniger Junge als Alte beten täglich.

In 46 von in diesem Fall 106 befragten Nationen geben die unter 40-Jährigen seltener an, Religion sei ihnen „sehr wichtig“, als ihre älteren Landsleute. Ist das Niveau insgesamt niedriger, schrumpft auch die Lücke entsprechend. Nur in zwei Ländern ist jungen Menschen Religion im Schnitt wichtiger als älteren: in Georgien und in Ghana. In 58 Nationen gibt es keinen nennenswerten Unterschied.

Auch Zugehörigkeit zu religiösen Gruppen unter jungen Leuten niedriger

In 41 der 106 Länder rechnen sich weniger junge als ältere Menschen einer religiösen Gruppierung zu. Das gilt vor allem für Europa, Nord- und Lateinamerika. Im gesamten Afrika sowie im Mittleren Osten gibt es dagegen keine nennenswerten Unterschiede.

Im Pazifikraum ist die religiöse Landschaft sehr facettenreich. In Pakistan oder Indien etwa gehört fast jeder zu einer religiösen Gruppe – in allen Altersgruppen. Nur drei von 20 pazifischen Ländern haben die „Alterslücke“: Japan, Südkorea und Australien. Dafür klafft sie in diesen Ländern im weltweiten Vergleich sehr stark auseinander. In Südkorea etwa zählen sich 39 Prozent der Jüngeren zu einer religiösen Gruppe; unter den Älteren sind es 63 Prozent. Der Unterschied zwischen jung und alt um 24 Prozentpunkte wird im internationalen Vergleich nur noch von Dänemark und Kanada überboten.

Alterslücke vor allem in christlich geprägten Ländern

Die Top 20 der Länder mit der größten Alterslücke haben bis auf drei Ausnahmen – Südkorea, Japan und Tschechien – allesamt christliche Mehrheiten. Die Studie zeigt also: Dass junge Menschen weniger religiös sind, ist vor allem in christlich geprägten Ländern der Fall. In mehrheitlich muslimischen Ländern gibt es kaum nennenswerte Unterschiede, was die religiöse Zugehörigkeit angeht – oft aber auch, weil diese in Ländern wie Saudi-Arabien nicht optional ist.

Die Studie verwendet auch andere Kriterien, mit denen sich allerdings ein ähnliches Bild ergibt. So wurden sowohl junge als auch ältere Menschen gefragt, ob sie regelmäßig beten oder zum Gottesdienst gehen. Diese Kriterien sind allerdings nicht auf alle Religionen im gleichem Maße anwendbar. So ist etwa der regelmäßige Gottesdienstbesuch kein Indikator für die religiöse Hingabe eines Buddhisten – schlicht, weil es im Buddhismus keinen „Gottesdienst“ im christlichen Sinne gibt. Eingeschränkt gilt das auch für das Kriterium „Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppe“ – im Hinduismus etwa gibt es nichts, das mit einer christlichen Kirchenlehre vergleichbar wäre. Dort wird „Zugehörigkeit“ also anders definiert.

Was den regelmäßigen Gottesdienstbesuch angeht, gibt es auch in vielen muslimischen Ländern eine Alterslücke, obwohl sich junge Menschen ihrer Religion dort insgesamt deutlich zugehöriger fühlen. So besuchen etwa in Tunesien 17 Prozent weniger junge Menschen mindestens einmal in der Woche die Moschee.

Existenzangst als möglicher Anreiz für Religion

Eine weitere Beobachtung: Überall dort, wo junge Menschen nach verschiedenen Kriterien tendenziell religiöser sind als Ältere – wo die Verteilung der Religiosität dem weltweiten Trend widerspricht –, hat es in der jüngeren Vergangenheit gewalttätige Konflikte gegeben. Als eine mögliche Erklärung nennen die Forscher, dass Instabilität und existentielle Unsicherheit zur Religiosität beitragen können. Während das Niveau an Wohlstand und Sicherheit weltweit tendenziell steigt – und daher die Religiosität unter jungen Leuten fällt –, bestätigen diese Fälle die Theorie durch Umkehrung.

In Liberia etwa gab es in den letzten dreißig Jahren zwei Bürgerkriege, von 1989 bis 1997 und von 1999 bis 2003. Die Daten für Liberia stammen aus dem Jahr 2009. Das heißt, dass zum Zeitpunkt der Befragung praktisch alle unter 40-Jährigen zumindest zeitweise in einem Kriegszustand aufgewachsen waren, während die Älteren eine friedliche Kindheit erlebt hatten.

Mehr Wohlstand, weniger Religion

Diese Wohlstands- und Sicherheitsthese ist eine mögliche Erklärung für abnehmende Religiosität. Demnach werde eine Gesellschaft umso weniger religiös, je mehr sie sich wirtschaftlich entwickelt, das tägliche Überleben gesichert ist und Krisen seltener werden. Einzelne Theorien sehen auch im steigenden Bildungsniveau einen Faktor – doch die Beziehung zwischen Religion und Bildung ist komplex. Gebildeter zu sein heißt laut der Studie keineswegs, automatisch weniger religiös zu sein

Eine andere Theorie sieht gar nicht die externen Faktoren als entscheidend an – laut ihr ist eine gesteigerte Religiosität im Alter einfach Teil der normalen Entwicklung der meisten Menschen; diese sehen sich etwa mit ihrer Sterblichkeit konfrontiert oder ändern ihre Wertvorstellungen. Beide Theorien schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich vielmehr, erklären die Forscher.

Religion am wichtigsten in Afrika, Südasien und dem Mittleren Osten

Die Studie gibt auch Aufschlüsse über die weltweite Verteilung von Religiosität. So liegen die Länder mit den meisten religiösen Menschen in Afrika, Südasien, dem Mittleren Osten und Lateinamerika. Europa, Nordamerika, Ostasien und Australien sind dagegen weniger religiös. Diese Beobachtung würde sich zu großen Teilen mit der Wohlstands- und Sicherheitsthese decken. Der Befund zeigt nämlich, dass die Religiosität in den Industrieländern – ob westlichen wie Deutschland oder östlichen wie Japan – tendenziell stärker abnimmt. Auch Faktoren wie die Lebenserwartung spielen hier eine Rolle.

So gibt es etwa eine umgekehrte Korrelation zwischen dem Bruttoinlandsprodukt eines Landes und der Rate, wie häufig seine Einwohner beten. Je reicher ein Land nach diesem Maßstab ist, desto seltener wird gebetet. Die einzige große Ausnahme: Die USA sind das einzige von 102 Ländern, das sowohl überdurchschnittlich reich ist als auch überdurchschnittlich viele Gebete gen Himmel schickt.

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