Vergleich mit Hintertürchen

Das Arbeitsgericht Gießen hat im Arbeitsrechtstreit zwischen einer Redakteurin und ERF Medien einen Vergleich vorgeschlagen. Dieser sieht die Rücknahme der Kündigung vor. Bis Ende Mai können die Parteien den Vergleich annehmen.
Von PRO
Das Arbeitsgericht Gießen hat im Rechtsstreit einer ERF-Mitarbeiterin mit ihrem Arbeitgeber einen Vorschlag für eine friedliche Lösung unterbreitet

Das Arbeitsgericht Gießen hat in einem Arbeitsrechtsstreit zwischen ERF Medien (ERF) und einer Mitarbeiterin am Dienstag einen Vergleichsvorschlag unterbreitet. Der ERF hatte der Redakteurin, die seit mehr als 27 Jahren bei dem christlichen Medienwerk in Wetzlar beschäftigt ist, vorgeworfen, am Vorstand vorbei Recherchen gegen einen ehemaligen Mitarbeiter geführt und dadurch den Betriebsfrieden gestört zu haben.

„Ich wollte Schaden vom ERF abwenden“, erklärte die Klägerin. Sie erhielt im November 2017 eine Abmahnung, danach eine Freistellung und schließlich im Februar 2018 die Kündigung. Dagegen hatte sie geklagt. Bis zum 29. Mai können die Parteien dem Vergleichsvorschlag zustimmen.

Der Kammertermin vom Dienstag ist Teil einer Reihe von Prozessen, in der insgesamt drei Mitarbeiter von ERF Medien gegen ihre Kündigungen geklagt haben. Anlass für die Verfahren war ein mittlerweile nicht mehr bei ERF Medien beschäftigter, ehemaliger leitender Angestellter. Gegen ihn waren schwere Verdachtsvorwürfe des sexuellen Missbrauchs im Zusammenhang mit einer früheren Tätigkeit aufgetaucht. Denen waren die drei Mitarbeiter von ERF Medien nachgegangen.

Richterin mahnt zu Frieden

Gegen die Abmahnung der 49-jährigen Klägerin äußerte Richterin Claudia Rieger in der Verhandlung formale und rechtliche Bedenken. Die Abmahnung lasse nicht erkennen, welche Pflicht der Arbeitnehmer verletzt habe. Zudem gebe die Abmahnung keinen Hinweis auf arbeitsrechtliche Konsequenzen im Wiederholungsfall. Mehrfach wies die Richterin auf die fehlende Warnfunktion der Abmahnung hin und mahnte beide Parteien zu einer gütlichen Einigung. Der Verursacher des Unfriedens bei ERF Medien (Anmerkung der Red.: der ehemalige Bereichsleiter) sei unterdessen nicht mehr im Betrieb, stellte die Richterin fest. Beim vorangegangenen Gütetermin konnte keine gütliche Einigung erzielt werden.

In einem „christlichen Verein“ solle es möglich sein, „Frieden“ zu halten, erklärte die Richterin und schlug nach einer Sitzungsunterbrechung einen Vergleich vor. Dem Vorschlag der Richterin auf Weiterbeschäftigung in Verbindung mit einer schriftlichen Erklärung stimmte die Klägerin zu.

Dazu war ERF-Anwalt Hirschmüller zunächst nicht bereit. Nach einer Beratungspause mit seinem Mandanten bat der Rechtsanwalt von ERF Medien um zwei Wochen Bedenkzeit. Der Vorschlag des Gerichts sieht nun vor, dass die Kündigung zurückgezogen wird, ebenso die Abmahnung. Zudem soll die Klägerin schriftlich bekunden, dass sie ihren Vorstand nicht in Misskredit bringen wollte und sich in Zukunft bei einem Anfangsverdacht sofort an den Vorstand wenden wird. Beide Parteien haben nun bis zum 29. Mai Zeit, dem Vergleichsangebot des Gerichts zuzustimmen.

Der Hintergrund

Bei der Verhandlungs-Serie war es immer wieder darum gegangen, zu welchem Zeitpunkt der Vorstand von den Vorwürfen gegen den ehemaligen Mitarbeiter erfahren hatte. Richterin Rieger zitierte in der Verhandlung am Dienstag eine Stellungnahme vom Januar 2017, in der der ehemalige Bereichsleiter die mutmaßlichen Straftaten gegenüber dem Vorstand dementiert hatte. „Spätestens seit diesem Zeitpunkt hatte der Vorstand Kenntnis“, stellte die Richterin fest.

Einer der klagenden Mitarbeiter hatte beim Gütetermin vor Gericht die ordentliche Kündigung mit einer Abfindung in Höhe von 45.000 Euro akzeptiert. Die Klage einer Kollegin, der nach einer ordentlichen Kündigung auch noch außerordentlich gekündigt worden war, war vom Gericht in Gießen abgewiesen worden. Die ERF-Redakteurin hatte sich nach dem Erhalt der ordentlichen Kündigung auf Facebook abfällig über ihren Arbeitgeber geäußert. Darin hatte das Gericht in seinem Urteil von Anfang Mai eine „grobe Beleidigung“ gesehen und sah die außerordentliche Kündigung in dem Fall durch den Arbeitgeber als gerechtfertigt an.

(Aktenzeichen beim Arbeitsgericht Gießen: 8Ca62/18)

Von: Norbert Schäfer

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