Mitarbeiterin unterliegt im Rechtsstreit mit ERF Medien

Redakteure von ERF Medien hatten auf eigene Faust in der mutmaßlich kriminellen Vergangenheit eines Kollegen recherchiert. Ihnen wurde gekündigt. Zwei Mitarbeiter klagten vor dem Arbeitsgericht auf Wiedereinstellung. Am Dienstag hat das Arbeitsgericht eine Klage abgewiesen. Grund ist ein Facebook-Eintrag der Klägerin.
Von PRO
Das Arbeitsgericht Gießen hat die Klage einer ERF-Mitarbeiterin auf Wiedereinstellung abgewiesen

Das Arbeitsgericht Gießen hat am Dienstag die Klage einer ERF-Mitarbeiterin auf Wiedereinstellung abgewiesen. Die Klägerin hatte als Reaktion auf eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber auf Facebook gepostet: „Manche Arbeitgeber sind an Drecksäcklich-keit nicht zu überbieten. Meiner gehört leider dazu! Quo vadis ERF …“ und daraufhin eine außerordentliche Kündigung erhalten. In dem Facebookeintrag erkannte das Gericht in seinem Urteil vom Dienstag eine „grobe Beleidigung“ und sah dadurch die außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber als gerechtfertigt an. Nach Verkündung des Urteils hat der Anwalt der Klägerin, Stefan Menz, auf Anfrage von pro erklärt, nach Vorlage der schriftlichen Urteilsbegründung „voraussichtlich Berufung gegen das Urteil einlegen“ zu wollen.

Klägerin lehnte Vergleich mit Arbeitgeber ab

Beim Kammertermin im April hatte die Klägerin einen Vergleich mit ihrem Arbeitgeber kategorisch abgelehnt und auf der Weiterbeschäftigung bei ERF Medien bestanden. Richterin Claudia Rieger hatte beide Parteien auf die Vorteile einer gütlichen Einigung hingewiesen und dabei eine Abfindung in Höhe von 35.000 Euro für die Klägerin in den Raum gestellt. Schon beim Gütetermin, der dem Kammertermin am 17. April voranging, hatte die Klägerin, die seit 27 Jahren bei ERF Medien beschäftigt war, einen Vergleich ausgeschlagen.

Bei der Verhandlung im April hatte die 49-jährige Redakteurin und alleinerziehende Mutter von zwei Kindern eingeräumt, dass sie sich nach der erfolgten ordentlichen Kündigung zu einem unüberlegten Facebook-Eintrag hatte hinreißen lassen. Vor Gericht hatte die Klägerin argumentiert, dass nur ein kleiner „Freundeskreis“ den Facebook-Eintrag habe sehen können und dieser nach einer Stunde auf eigene Initiative hin wieder von ihr gelöscht worden sei. Dennoch hatte unterdessen ihr Arbeitgeber Kenntnis von dem Facebook-Eintrag erhalten und darin eine unzumutbare Beleidung durch die Mitarbeiterin erkannt und ihr daraufhin fristlos gekündigt. Dass Zeitraum und Empfängerkreis des Facebook-Eintrages begrenzt gewesen seien, wertete auch das Gericht als unerheblich und wies die Klage der Mitarbeiterin ab.

Schwelender Konflikt

Den Kündigungen und dem Gerichtstermin ging ein schwelender Konflikt zwischen der Klägerin, zwei weiteren Kollegen und ihrem Arbeitgeber voran, bei dem Abmahnungen, Freistellungen und Hausverbote durch ERF Medien ausgesprochen wurden. Der Grund: Die Klägerin und zwei weitere Mitarbeiter von ERF Medien hatten eigenständige Recherchen gegen einen ehemaligen Bereichsleiter geführt, weil sie von einer Informantin von mutmaßlich strafbaren Handlungen aus einer vorhergehenden Tätigkeit erfahren hatten. Im Raum standen sexuelle Missbrauchsvorwürfe. Der Arbeitgeber sah durch das Vorgehen der Mitarbeiter den Betriebsfrieden gestört.

Inzwischen hat ERF Medien das Arbeitsverhältnis mit dem ehemaligen Bereichsleiter einvernehmlich gelöst. Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat in dem Zusammenhang Ermittlungen aufgenommen, die sich unter anderem auf die Rechercheergebnisse der ERF-Mitarbeiter stützen, die der ERF-Anwalt des Wetzlarer Medienhauses, Martin Hirschmüller, beim Kammertermin im April als „Larifari“ bezeichnet hatte. Hirschmüller argumentierte vor Gericht, dass die Klägerin den ERF-Vorstand nicht informiert habe und am Vorstand des Werkes „vorbeigearbeitet“ habe. Dem hatte der Anwalt der Klägerin widersprochen. Menz argumentierte zudem vor Gericht, dass der Mitarbeitervertretung (MAV) von ERF Medien, die der Kündigung zugestimmt hatte, wichtige Detailinformationen bezüglich des Facebook-Eintrages seiner Mandantin nicht bekannt gewesen seien. Zudem habe seine Mandantin in der Sache auch keine Abmahnung erhalten, die eine spätere, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätte. Menz hatte weder für die ordentliche, noch für die fristlose Kündigung ausreichende Gründe erkannt und in dem Facebook-Eintrag seiner Mandantin auch keine persönliche Beleidigung gesehen.

Auf die Rolle der MAV ging Richterin Claudia Rieger in der mündlichen Urteilsverkündung am Dienstag nicht ein. Das Arbeitsgericht Gießen hat nach der Urteilsverkündung drei Monate Zeit, das Urteil in schriftlicher Form zu begründen. Liegt die schriftliche Urteilsbegründung vor, hat die Klägerin einen Monat lang Zeit, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Das Berufungsverfahren würde dann am Landesarbeitsgericht in Frankfurt verhandelt.

Der Kammertermin für ein weiteres Verfahren ist für den 15. Mai angesetzt. Auch die in diesem Fall betroffene Mitarbeiterin klagt auf Wiedereinstellung.

(Aktenzeichen beim Amtsgericht Gießen: 8 Ca 50/18)

Von: Norbert Schäfer

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen