Ärztin muss wegen mutmaßlicher Werbung für Abtreibung vor Gericht

In Gießen muss sich die Medizinerin Kristina Hänel vor Gericht verantworten, weil sie auf ihrer Internetseite für Abtreibungen geworben haben soll. Der Ärztin drohen nun zwei Jahre Freiheitsstrafe.
Von PRO
Schwangerschaftsabbrüche sind nach Paragraf 218 Strafgesetzbuch in Deutschland verboten, aber unter bestimmten Voraussetzungen bleiben sie straffrei

Im mittelhessischen Gießen muss sich Ärztin Kristina Hänel im November vor Gericht verantworten, weil sie nach Auffassung der Staatsanwaltschaft im Internet für Abtreibungen geworben hat. Das Strafgesetzbuch sieht für „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“ im Paragraf 219a Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Die Verhandlung vor dem Amtsgericht Gießen ist nach Angaben der Hessenschau vom Montag für den 24. November angesetzt.

Dem Bericht zufolge engagiert sich die Ärztin seit langem bei Pro Familia, „um schwangeren Frauen in Notsituationen zu helfen“ und war in der Vergangenheit bereits zweimal von „radikalen Abtreibungsgegnern“ angezeigt worden. Allerdings ohne Erfolg, denn die Verfahren wurden jeweils eingestellt.

„Werbung“ contra freie Information

Die Staatsanwaltschaft bemängelt Hänels Internetauftritt aus dem Jahr 2015. Konkret gehe es nach Angaben des Sprechers der Gießener Staatsanwaltschaft, Thomas Hauburger, darum, dass die Homepage der Ärztin auf allgemeine Informationen über den Schwangerschaftsabbruch verlinkte und darauf hinwies, dass der Abbruch in der Praxis der Ärztin durchgeführt werde könne. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft war diese Verknüpfung von Informationen strafbar.

Dem Bericht des Hessischen Rundfunks zufolge liege es der Ärztin fern, für Abtreibung zu werben. Hänel will, dass sich Frauen zu dem Thema „frei informieren können“ und hat darum eine Petition im Internet gestartet, mit der die Ärztin unterbinden will, dass Abtreibungsgegner den Paragrafen 219a benutzen können, „um Ärzte anzuzeigen, zu belästigen, einzuschüchtern“. Nach Ansicht der Angeklagten ist der Paragraf 219a „veraltet und überflüssig“ und behindere „das Anrecht von Frauen auf sachliche Informationen“.

Hänel argumentiert in ihrer Petition, dass es sich bei dem Paragrafen um einen Strafrechtsparagrafen aus dem Jahr 1933 handle, „der ursprünglich geschaffen wurde, um unter anderem jüdische Ärzte zu kriminalisieren und ein Klima zu schaffen, in dem letztlich dann 1943 die Strafrechtsnorm nach eugenischen und bevölkerungspolitischen Gesichtspunkten umstrukturiert wurde“. Im Zuge der Gesetzesänderungen zum Schwangerschaftsabbruch sei der Paragraf nur leicht verändert und „kaum angewandt“ worden.

Bereits im September hatte die taz den Fall aufgegriffen. Gegenüber der Zeitung hatte die Ärztin erklärt: „Wenn der Paragraf 219a heutzutage tatsächlich so restriktiv ausgelegt wird, dann muss er weg. Oder geändert werden.“ Gegenüber der taz hatte die Gießener Staatsanwaltschaft erklärt, dass der Paragraf 219a verhindern soll, „dass ‚der Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit als etwas Normales dargestellt und kommerzialisiert wird’“.

Von: Norbert Schäfer

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