Luther-Nachfahrin: „Wo Kirche draufsteht, muss Reich Gottes drin sein“

Die ehemalige Pfarrerin Astrid Eichler sorgt sich um die Zukunft der Kirche. In der Verkündigung fehlt ihr der Jesus-Bezug. Im Gespräch mit pro erkärt sie, wie ihr Urahne Martin Luther die Kirche heute sehen und was er zur Ökumene sagen würde, sowie wie Kirche attraktiver werden kann.
Von PRO
Eine besondere Beziehung: Astrid Eichler und die Kirche

Sie hat Luther im Blut: Die ehemalige Pfarrerin Astid Eichler stammt in 15. Generation von Martin Luthers jüngster Tochter ab. Von der Evangelischen Kirche wünscht sie sich ein stärkeres Bekenntnis zu Jesus, sagt sie im pro-Interview. Sie übt aber auch Kritik an ihrem Urahnen und verrät, warum sie der Kirche treu bleibt.

pro: Es gibt den Playmobil-Luther, Luther-Nudeln, Luther-Bier und -Salami, Socken mit Luther-Motiv oder das Luther-Quietsche-Entchen fürs Bad. Frau Eichler, was halten Sie von dem ganzen Merchandise, den es aktuell zum Reformator Martin Luther gibt?

Astrid Eichler: (schmunzelt) Einerseits könnte ich sagen: Ach, lass doch, das ist ein netter und lockerer Spaß. Andererseits berührt es mich auch eigenartig. Weil es zu Martin Luthers Zeiten im Ablass um das Geld für Rom ging und heute geht es auch um das Geld. Wenn ich merke, dass diese Produkte innerkirchlich vertrieben werden, frage ich mich: Ist das richtig? Ich finde es nicht passend und ein bisschen peinlich.

Sie haben ein besonderes Verhältnis zu Martin Luther. Welche Bedeutung hat Ihr berühmter Vorfahr für Sie persönlich?

In meiner Kindheit war das schon für mich eine Herzensverbundenheit. Es war für mich in der DDR-Schule nicht ganz so einfach, dass wir Luther zunächst kennengelernt haben als den Verräter der Bauern und als den Konterrevolutionär.

Ich war immer stolz, von ihm abzustammen, weil ich wusste, er hat die Bibel übersetzt, er hat zu revolutionären Veränderungen geführt. Auch war für mich immer klar, ich komme aus einem lutherischen Elternhaus. Mein Vater hat sich auch immer als „guten Lutheraner mit einem Schuss pietistischen Öls“ bezeichnet. Für mich ist Luther ein Inbegriff von Freiheit und von Standhaftigkeit. Das verbindet mich mit ihm und das war in meinem Leben immer ein hoher Wert.

Welche Thesen würden Sie heute an die Kirchentür hämmern?

Wo Kirche draufsteht, muss Reich Gottes drin sein. Ich würde Thesen veröffentlichen, in denen es ganz stark ums Reich Gottes geht, um Jesus Christus, um Wahrheit und Freiheit.

Sie sagen auch, Ihnen fehlt von der Evangelischen Kirche in Deutschland das Bekenntnis zu Jesus. Inwieweit muss sich da etwas ändern?

Ich finde es total traurig, dass wir mit unserem höchsten Gut, unserem Herrn, ohne den es uns als Kirche gar nicht gäbe, so nachlässig umgehen. Predigten zu einem Text aus dem Römerbrief, Glauben an Jesus Christus, und dann kommt Jesus Christus gar nicht in der Predigt vor. Das finde ich schon ein Meisterstück an „Thema verfehlt“. Das finde ich wirklich schlimm und das gibt es immer mehr. Wir sind nicht eine religiöse Bewegung unter vielen religiösen Bewegungen, sondern wir sind Kirche Jesu Christi. Jesus Christus hat uns die Botschaft vom Reich Gottes anvertraut. Und was verkünden wir: Seid nett zueinander. Unsere Kirchen sind evangeliumsarm.

„Jesus Christus ist der Einzige, der Kirche attraktiv machen kann.“ Astrid Eichler

Was würde denn Luther zur Kirche heute sagen?

Luther ist als Choleriker bekannt. Ob das alles so stimmt, weiß ich nicht. Aber wenn es stimmt, dann könnte ich mir schon verstellen, dass er zu einer ziemlichen Zornesrede ausholen und um die Botschaft Jesu Christi ringen würde. Er würde zur Hochform auflaufen und fragen: „Was macht ihr da eigentlich mit dem Glauben, um den ich gerungen, gekämpft habe, für den ich mein Leben aufs Spiel gesetzt habe? Und dann tragt ihr auch noch meinen Namen als lutherische Kirche.“ Ich könnte mir vorstellen, dass er sagen würde: „Ich verbiete euch, meinen Namen dafür zu missbrauchen.“

Der Kirche laufen die Mitglieder davon, was nicht nur am demographischen Wandel liegt. Wie kann die Kirche wieder attraktiver werden und Mitglieder gewinnen?

Die Kirche ist in dem Moment attraktiv, wenn sie das tut, wozu sie berufen ist. Nämlich zu den Menschen zu gehen und ihnen das Reich Gottes zu verkünden, neue Gemeinschaft zu stiften, Räume zu schaffen, wo Menschen in der Gegenwart Jesu Christi Gemeinschaft erleben über Grenzen hinweg. Ich glaube, dass Jesus Christus der Einzige ist, der Kirche attraktiv machen kann, alle unsere Anstrengungen werden sonst verpuffen. Dazu gehört für mich auch eine Offenheit für das übernatürliche Wirken und Reden, die Kraft des Heiligen Geistes.

Was würde denn Luther zur Kirche heute sagen?

Luther ist als Choleriker bekannt. Ob das alles so stimmt, weiß ich nicht. Aber wenn es stimmt, dann könnte ich mir schon verstellen, dass er zu einer ziemlichen Zornesrede ausholen und um die Botschaft Jesu Christi ringen würde. Er würde zur Hochform auflaufen und fragen: „Was macht ihr da eigentlich mit dem Glauben, um den ich gerungen, gekämpft habe, für den ich mein Leben aufs Spiel gesetzt habe? Und dann tragt ihr auch noch meinen Namen als lutherische Kirche.“ Ich könnte mir vorstellen, dass er sagen würde: „Ich verbiete euch, meinen Namen dafür zu missbrauchen.“

Der Kirche laufen die Mitglieder davon, was nicht nur am demographischen Wandel liegt. Wie kann die Kirche wieder attraktiver werden und Mitglieder gewinnen?

Die Kirche ist in dem Moment attraktiv, wenn sie das tut, wozu sie berufen ist. Nämlich zu den Menschen zu gehen und ihnen das Reich Gottes zu verkünden, neue Gemeinschaft zu stiften, Räume zu schaffen, wo Menschen in der Gegenwart Jesu Christi Gemeinschaft erleben über Grenzen hinweg. Ich glaube, dass Jesus Christus der Einzige ist, der Kirche attraktiv machen kann, alle unsere Anstrengungen werden sonst verpuffen. Dazu gehört für mich auch eine Offenheit für das übernatürliche Wirken und Reden, die Kraft des Heiligen Geistes.

Astrid Eichler im pro-Interview Foto: pro/Martina Blatt
Astrid Eichler im pro-Interview

Was würde Luther zur Ökumene als Einheit der katholischen und evangelischen Christen sagen?

Das ist sehr heikel, da müsste ich erst einmal mit ihm Rücksprache halten. Das würde ich ihn tatsächlich selber fragen. Ich glaube aber, wenn er die Katholische Kirche heute erleben würde, wäre er Ökumeniker. Weil es ihm damals nicht um eine neue Kirche ging, es ging ihm um Christus. Und in der Katholischen Kirche gibt es viele Orte, wo Christus verehrt wird. Ich glaube, da hätte Luther überhaupt kein Problem. Natürlich gibt es auch Ansatzpunkte, die von der Reformation her unberührt sind in der Katholischen Kirche, aber ich glaube, dass es für ihn heute wichtiger wäre, die Menschen zu finden, die Ja sagen zu Christus, zu der Gnade, dem Glauben. Dann würde Luther nicht die Kirchen voneinander trennen. Ich denke schon, dass er ökumenefähig wäre.

Sie sind Mitglied der Kirche, aber üben scharfe Kritik. Warum wollen Sie nicht aus der Kirche austreten?

Weil es meine Kirche ist! Gerade als Luthernachfahrin bin ich zutiefst verbunden mit dieser Kirche und ich spüre in mir eine ganz tiefe Traurigkeit um das, was in meiner Kirche geschieht. Ich würde den Kirchenverantwortlichen so gerne Fragen stellen und auch mit ihnen ringen um das, was Reformation aus meiner Sicht und meiner Überzeugung bedeutet. Nämlich Rückkehr zu Christus. Und nicht eine „Nicht-Orientierung“ daran, was gerade „in ist“.

Was würde Luther zur Ökumene als Einheit der katholischen und evangelischen Christen sagen?

Das ist sehr heikel, da müsste ich erst einmal mit ihm Rücksprache halten. Das würde ich ihn tatsächlich selber fragen. Ich glaube aber, wenn er die Katholische Kirche heute erleben würde, wäre er Ökumeniker. Weil es ihm damals nicht um eine neue Kirche ging, es ging ihm um Christus. Und in der Katholischen Kirche gibt es viele Orte, wo Christus verehrt wird. Ich glaube, da hätte Luther überhaupt kein Problem. Natürlich gibt es auch Ansatzpunkte, die von der Reformation her unberührt sind in der Katholischen Kirche, aber ich glaube, dass es für ihn heute wichtiger wäre, die Menschen zu finden, die Ja sagen zu Christus, zu der Gnade, dem Glauben. Dann würde Luther nicht die Kirchen voneinander trennen. Ich denke schon, dass er ökumenefähig wäre.

Sie sind Mitglied der Kirche, aber üben scharfe Kritik. Warum wollen Sie nicht aus der Kirche austreten?

Weil es meine Kirche ist! Gerade als Luthernachfahrin bin ich zutiefst verbunden mit dieser Kirche und ich spüre in mir eine ganz tiefe Traurigkeit um das, was in meiner Kirche geschieht. Ich würde den Kirchenverantwortlichen so gerne Fragen stellen und auch mit ihnen ringen um das, was Reformation aus meiner Sicht und meiner Überzeugung bedeutet. Nämlich Rückkehr zu Christus. Und nicht eine „Nicht-Orientierung“ daran, was gerade „in ist“.

Astrid Eichler hat zum Reformationsjubiläum ein Büchlein mit dem Titel „Mein lieber Urahn“ in einer begrenzten Auflage veröffentlicht. Darin schreibt sie Briefe an ihren Vorfahren. Foto: pro/Martina Blatt
Astrid Eichler hat zum Reformationsjubiläum ein Büchlein mit dem Titel „Mein lieber Urahn“ in einer begrenzten Auflage veröffentlicht. Darin schreibt sie Briefe an ihren Vorfahren.

Sie nennen viel positives Wirken von Luther. Gibt es für Sie auch Punkte, wo Luther falsch lag?

Ja, klar. Da ist zu oberst das Thema mit den Juden. Das ist wirklich ein sehr schmerzliches Erbe. Ich finde es wichtig zu sagen, er war Kind seiner Zeit. Aber er hätte in seiner Position nicht einfach nur Kind seiner Zeit bleiben dürfen, weil er in anderen Punkten aus seiner Zeit herausgestiegen ist und dieser voraus war. Diesen Weg gilt es kritisch aufzuarbeiten. Ich finde es wertvoll, dass unsere Kirche das auch kritisch aufarbeitet.

Sie kritisieren im Rahmen des Reformationsjubiläums den Umgang mit der Lehre Luthers. Gibt es Punkte, bei denen Sie begrüßen, dass dieses Thema von einer großen Öffentlichkeit besprochen, gesehen und anerkannt wird?

Ja, absolut. Ich möchte auch nicht als die Absolut-Kritikerin gesehen werden, die kein gutes Haar an allem lässt. Das entspricht mir überhaupt nicht. Jedoch: Wenn andere so viel Gutes sagen, muss ich das ja nicht wiederholen, sondern dann darf ich auch das andere sagen. Aber natürlich finde ich es genial, dass es im Zuge des Reformationsjubiläums ein aufeinander Zugehen gibt zwischen katholischen und evangelischen Christen und Verantwortungsträgern. Das macht mich sehr hoffnungsvoll. Können wir nicht in zehn Jahren das nächste 500-jährige Jubiläum feiern, damit es wieder einen Schub gibt? Das ist wie ein Katalysator für die Ökumene. An der Stelle möchte ich es wirklich sehr positiv sehen. Und das halte ich für etwas Wertvolles.

Vielen Dank für das Gespräch.

Sie nennen viel positives Wirken von Luther. Gibt es für Sie auch Punkte, wo Luther falsch lag?

Ja, klar. Da ist zu oberst das Thema mit den Juden. Das ist wirklich ein sehr schmerzliches Erbe. Ich finde es wichtig zu sagen, er war Kind seiner Zeit. Aber er hätte in seiner Position nicht einfach nur Kind seiner Zeit bleiben dürfen, weil er in anderen Punkten aus seiner Zeit herausgestiegen ist und dieser voraus war. Diesen Weg gilt es kritisch aufzuarbeiten. Ich finde es wertvoll, dass unsere Kirche das auch kritisch aufarbeitet.

Sie kritisieren im Rahmen des Reformationsjubiläums den Umgang mit der Lehre Luthers. Gibt es Punkte, bei denen Sie begrüßen, dass dieses Thema von einer großen Öffentlichkeit besprochen, gesehen und anerkannt wird?

Ja, absolut. Ich möchte auch nicht als die Absolut-Kritikerin gesehen werden, die kein gutes Haar an allem lässt. Das entspricht mir überhaupt nicht. Jedoch: Wenn andere so viel Gutes sagen, muss ich das ja nicht wiederholen, sondern dann darf ich auch das andere sagen. Aber natürlich finde ich es genial, dass es im Zuge des Reformationsjubiläums ein aufeinander Zugehen gibt zwischen katholischen und evangelischen Christen und Verantwortungsträgern. Das macht mich sehr hoffnungsvoll. Können wir nicht in zehn Jahren das nächste 500-jährige Jubiläum feiern, damit es wieder einen Schub gibt? Das ist wie ein Katalysator für die Ökumene. An der Stelle möchte ich es wirklich sehr positiv sehen. Und das halte ich für etwas Wertvolles.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Martina Blatt.

Von: Martina Blatt

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