Flüchtlingspolitik von Angst geprägt

Die Theologin Elisabeth Hartlieb hat bemängelt, dass zu wenig sichere Zugangswege für Flüchtlinge geschaffen wurden. Grund sei eine „Politik der Angst".
Von Johannes Blöcher-Weil
Haben von ihren Eindrücken der Konferenz zum christlichen Umgang mit Grenzen berichtet: Elisabeth Hartlieb und Jürgen Blechinger

Die Privatdozentin für Systematische Theologie an der Philipps-Universität Marburg, Elisabeth Hartlieb, vertritt die Meinung, es gebe zwar ein Zugangsrecht für Flüchtlinge nach Europa, aber zu wenige sichere Zugangswege. Aus einer „Politik der Angst“ heraus versuchten Regierungen, Zugänge für Flüchtlinge durch Obergrenzen zu erschweren, statt für die notleidenden Menschen eine Willkommenskultur aufzubauen.

Bei dem Pressegespräch der Badischen Landeskirche am Montag in Karlsruhe sagte Hartlieb: „Ich glaube, dass wir uns bei den Flüchtlingen zu sehr von einer Politik der Zahlen leiten lassen.“ Hartlieb hatte vom 30. September bis zum 2. Oktober in Palermo an der „Konferenz zum christlichen Umgang mit Grenzen“ des Ökumenischen Rats der Kirchen teilgenommen und berichtet. Die Theologin kritisierte, dass Fluchtwege geschlossen, aber die Fluchtursachen nicht bekämpft würden.

Selbst mitten in Europa würden die Menschenrechte der Flüchtlinge missachtet, sagte Jürgen Blechinger. Der Jurist der Badischen Landeskirche für den Bereich Migration plädierte für einen effektiveren Zugang der humanitären Korridore. Bedenklich sei, dass die Menschen nun neben der Route über das Mittelmeer auch auf der Flucht durch die Sahara zu Tode kommen. „Es werden nicht die Strukturen gefördert, die Abhilfe schaffen, sondern eher diejenigen, die die Außengrenzen stärken“, sagte Hartlieb. Die Theologin forderte humanitäre Korridore für die Flüchtenden.

„Schutz von Flüchtlingen nicht kontingentierbar“

Herkunftsländer, beispielsweise Libyen, seien durchsetzt von Kriminalität und von Warlords beherrscht. Trotzdem suche die Politik die Zusammenarbeit mit ihnen. Hartlieb legte Biografien und Berichte von Geflüchteten vor. Demnach werden Frauen auf der Flucht immer wieder zur Prostitution gezwungen. Auch Männer würden schamlos ausgenutzt, drangsaliert und zu Opfern. Die Versorgung mit Nahrung sei prekär. „Hier dürfen wir uns als Kirchen nicht wegducken und müssen gegen den Missstand angehen“, forderte Hartlieb.

Blechinger wertet Zahlungen an verschiedene Länder für humanitäre Hilfsmaßnahmen rechtlich als bedenklich. „Wenn ich Libyen Geld in diesem Bereich gebe, ist dies ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht“, erklärte er. Mehr humanitäre Aufnahmeplätze würden seiner Meinung nach dringend gebraucht. Dadurch könnte auch die Zahl der Toten im Mittelmeer verringert werden. „Der Schutz von Flüchtlingen ist nicht kontingentierbar. Ansonsten müssten wir menschenrechtliche Konventionen aufgeben“, sagte der Jurist.

Von: Johannes Weil

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