Die schwarze Liste der grünen Stiftung

Die Webseite Agentin.org listet und beschreibt Personen, die angeblich „antifeministische“, fundamentalistische oder „familistische“ Ansichten haben – darunter bekannte konservative Christen. Dahinter steht die den Grünen nahestehende Heinrich-Böll-Stiftung.
Von PRO
Die Webseite Agentin.org führt ein Register für Personen, die unter anderem die Gender-Forschung kritisch sehen

„Antifeministische Kräfte sind europa- und weltweit vernetzt“, heißt es in der Selbstbeschreibung der Webseite Agentin.org, einem nach eigenen Angaben „Antifeminismus-kritischen Online-Lexikon“. Die Webseite, deren Name in Langform „Anti-Gender-Networks Information“ lautet, will jene Netzwerke samt ihres Einflusses und ihrer Ziele sichtbar machen. Optisch an das Lexikon Wikipedia erinnernd, gibt es Artikel zu Personen und Verbänden, die sich angeblich hier hervortun. Antifeministisches Denken definieren die Betreiber als das Streben nach der „Wiederherstellung ‚natürlicher Geschlechterrollen’, die Festlegung der Frau auf die Mutter- und Hausfrauenrolle im Heim, die Abschaffung sexueller Selbstbestimmung (u.a. durch Erschwerung oder Abschaffung legaler Abtreibungen) und die Marginalisierung von Homosexuellen.“

Zahlreiche der Artikel sind dabei sehr kurz. Über den Journalisten Matthias Matussek etwa enthält die Datenbank nur vier Zeilen, darunter: „Matthias Matussek fiel immer wieder mit antifeministisch, homophob oder islamfeindlich ausgerichteten Äußerungen auf“ oder „Matthias Matussek ist bekennender Katholik“. Matussek selbst machte sich auf Facebook über seinen Eintrag lustig:

Warnung vor „Familisten“

Gelistet werden darüber hinaus die Journalisten Birgit und Klaus Kelle, die „Demo für alle“-Organisatorin Hedwig von Beverfoerde sowie die „ultrakatholische“ Plattform kath.net. „Ultrakatholisch“, ein Attribut, dem auch das Ehepaar Kelle nahestehen soll, definiert sich laut Agentin.org als ein „rechtsgerichteter Katholizismus, der sich emanzipatorischen Bestrebungen im Katholizismus entgegenstellt“ und „in Geschlechter- und Familienfragen extrem konservativ auftritt“.

Der Journalist Alexander Kissler erscheint ebenfalls auf dem Radarschirm der Seitenbetreiber, auch wenn auf Agentin.org nur ein vager Satz über ihn zu lesen ist: „Alexander Kissler ist ein Autor und Journalist, der dem Ultrakatholizismus nahesteht.“

Großen Raum auf Agentin.org nimmt auch das Phänomen des „Familismus“ ein, angeblich eine Ideologie, die die bürgerliche Kleinfamilie als Leitform einer Sozialstruktur bezeichnet. „Im Familismus nimmt die (Groß-)Familie, das heißt die Vater-Mutter-Kind-Familie und die biologische Verwandtschaft die Funktion einer die Existenz des Einzelnen sichernden sowie den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang stützenden Instanz ein“, heißt es auf der Webseite in anklagendem Ton.

„Christlicher Fundamentalismus“ und evangelikale Gruppen

Deutlich kürzer fällt der Artikel zum „christlichen Fundamentalismus“ aus, über den es heißt, er lehne häufig außerehelische Sexualität, Homosexualität und Abtreibung ab. Einen Artikel zum Thema Islamischer Fundamentalismus oder Islamismus findet der Leser nicht, obgleich hier sicherlich kritisierenswerte anti-feministische Strukturen und Ideologien zu finden gewesen wären.

Evangelikale haben auf Agentin.org einen umfangreichen Eintrag. „Aufgrund patriarchaler Bibelstellen neigen evangelikale Strömungen zu einem familistischen Weltbild und entsprechenden Aktivitäten“, heißt es dort etwa. „Der Evangelikalismus ist, sobald er politisch auftritt, neben dem Ultrakatholizismus eine Form des Christlichen Fundamentalismus.“ Die Deutsche Evangelische Allianz und deren Generalsekretär Hartmut Steeb haben auf Agentin.org Einträge, die allerdings noch keinen Text enthalten. Steeb wird zudem etwa als Sprecher auf einer „Demo für alle“ gelistet.

Auch das Christliche Medienmagazin pro hat bislang eine leere Seite, wird jedoch gelistet als „Kirchenpolitische Vertretung“ auf der Seite zum Thema „Evangelikalismus“ – eine sehr vage Beschreibung. Der Evangelische Nachrichtenagentur idea widmen die Autoren von Agentin.org immerhin vier Zeilen, zwei davon befassen sich mit einem Preis, den idea 2013 an Hedwig von Beverfoerde verlieh.

Wer steht hinter dem „Online-Pranger“?

Der Autor Henryk M. Broder nannte Agentin.org in der Zeitung Die Welt einen „Online-Pranger“ und schilderte, wie schon Kleinigkeiten zu einem Eintrag auf der Plattform führen können. Die Webseite agiere „wie ein Geheimdienst der Guten, der bestimmte Ansichten durchsetzen und andere in Verruf bringen will.“ Dass man dies so sehen kann, haben die Macher von Agentin.org offenbar erwartet. Die Frage „Stellt die Agent*In nicht Personen an den Pranger und ist eine Art „Schwarze Liste“?“, wird in der Selbstbeschreibung so beantwortet: „Nein. Die Personen und Organisationen stellen sich selbst in der (medialen) Öffentlichkeit und/oder im Internet mit antifeministischen Positionen dar. Die Autor*Innen geben dies in den Artikeln sachgenau wieder.“

Die Mittel für die Webseite Agentin.org werden nach eigenen Angaben vom Gunda-Werner-Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung zur Verfügung gestellt. Die Böll-Stiftung sagt über sich selbst, eine „parteinahe Stiftung der Grünen mit Sitz in Berlin“ zu sein. Zur dreiköpfigen Redaktion von Agentin.org gehört die Professorin Elisabeth Tuider, Autorin eines umstrittenen Buches zur Sexualkunde im Unterricht. Zur Redaktion gehören darüber hinaus die Soziologen Andreas Kemper und Henning von Bargen.

Der Berliner Tagesspiegel nennt Agentin.org indes „Eine Art Verfassungsschutzbericht der Gender-Szene“, und zeigt bissig auf, wie es wäre, den Spieß umzudrehen: „Wie wäre es mit einer steuerfinanzierten Namensliste von rechts außen, auf der Gender-Professorinnen, schwule Blogger und linksfanatische Schmalspur-Terroristen nebeneinander zur Observation freigegeben werden?“

Warum eine gemeinnützige politische Stiftung sich mit einer Webseite wie Agentin.org angreifbar macht, erschließt sich nicht. In der Satzung der Heinrich-Böll-Stiftung heißt es: „Weltweit soll durch die politische Bildungsarbeit der Stiftung sexueller Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Inter-Menschen (LSBTI) entgegengewirkt werden.“ Deswegen auch solche Journalisten und zivilgesellschaftliche Akteure, die keine extremistische Position einnehmen, auf einen Index zu setzen, ist diesem Ziel nicht dienlich. Außerdem steht in den Statuten: „Die Bildungsarbeit der Stiftung fördert die wechselseitige Achtung von Menschen jeden Alters, verschiedener Herkunft, kultureller und geschlechtlicher Identität und politischer Meinung sowie die politische und kulturelle Gleichstellung von Migrantinnen und Migranten.“

Das Christliche Medienmagazin pro hat die Redaktion von Agentin.org am Montag um Stellungnahme zu mehreren Fragen zu Arbeit und Aufgabe des Portals gebeten. Trotz Nachfrage steht die Antwort aus. (pro)

Von: mb

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