Trotz Furcht ums eigene Leben: Flüchtling soll abgeschoben werden

Der Vater und die Mutter wurden in Pakistan ermordet, der Bruder entführt. Trotzdem soll Zain Arshad, der aus Angst geflüchtet war, jetzt abgeschoben werden. In seinem Heimatland hatte ihn der Geheimdienst verfolgt.
Von PRO
Christliche Konvertiten droht in Pakistan der Tod. Im Bild ist eine Ausnahme aus der pakistanischen Provinz Sindh (Symbolbild).

Wenn der 20-jährige Zain Arshad aus seinem Leben berichtet, läuft es jedem Zuhörer kalt über den Rücken. Er war fünf oder sechs Jahre alt, genau weiß er es nicht mehr, als sein Vater vor seinen Augen ­erschossen wurde. „Er war Arzt. Und Informant des inländi­schen Geheimdienstes. Vermutlich wechselte er die Seiten. Jedenfalls behandelte er heimlich die Aufständischen, die Paschtunen und Belutschen“, berichtet der junge Mann mit der breitrandigen Brille in sehr gutem Deutsch.

Was genau in den Folgejahren passierte, weiß er nicht. Einiges hat er sich selber zusammengereimt oder weiß es von seiner älteren Schwester. Jedenfalls lebte die Mutter mit ihm und seinen beiden Geschwistern die nächsten zwölf Jahre innerhalb Pakistans auf der Flucht. Vermutlich, weil sie die Mörder angezeigt hatte und diese dafür Rache schworen. „Die Mörder waren welche vom Geheimdienst der Regierung, die den Seitenwechsel nicht hinnahmen“, ist Zain heute überzeugt.

Asylantrag abgelehnt

Immer wieder wurde die Mutter von alten Freunden des Vaters gewarnt, wenn die Gegner sie wieder aufgespürt hatten. Und erneut mussten sie fliehen. Als Zain 15 Jahre war, eskalierte die Situation. Die Mutter hatte enorme Angst um das Leben ihrer Kinder. Darum finanzierte sie einen Schleuser und schickte ihren älteren Sohn Zain mit diesem nach Europa – mit dem Ziel, er solle seine beiden Geschwister so schnell wie möglich nachholen. Dass ihre Angst nicht unbegründet war, zeigte sich bald. Vor zwei Jahren wurde die Mutter ermordet, vor einem Jahr der damals 16-jährige Bruder entführt. „Wir erhielten ein Video und Fotos davon, wie er gefoltert wurde. Wo er heute ist, weiß ich nicht.“

Zains Stimme zittert nicht. Man merkt ihm äußerlich nichts an. Was in ihm vorgeht, versteckt er gut. Trotzdem – er hat Angst. Um seinen Bruder. Um seine Schwester, die zu Verwandten in den Iran geflüchtet ist. Und jetzt auch noch wegen der eigenen Situation. Am Montag kam die Ablehnung des Einspruchs gegen die Ablehnung seines Asylantrags. „Wenn ich nach Pakistan fliege, wissen das die Leute vom Geheimdienst als Erstes. Die fangen mich doch noch am Flughafen ab“, ist er sich sicher.

Gericht: „Keine individuelle Verfolgungsgefahr“

Das Stuttgarter Verwaltungsgericht sieht das anders. Wie im Ablehnungsschreiben ausdrücklich erwähnt ist, glauben sie ihm zwar seine Geschichte, erkennen aber „keine individuelle Verfolgungsgefahr“ für Zain. Sie vermuten andere Zusammenhänge, die den Tod der Mutter und die Entführung und Folter des Bruders verursachten. Nur bis 12. Juli hat Zain Zeit, Berufung einzulegen. Die jedoch kostet weitere 900 Euro.

Zain verdient als „Bufdi“ (Bundesfreiwilligendienst) im Hausmeisterbereich der Wilhelmshilfe in Süßen 400 Euro im Monat – davon hat er im vergangenen Jahr bereits Geld abgezweigt, um den Rechtsanwalt zu zahlen, der den Einspruch gegen die Ablehnung des Asyls bearbeitet. Das Wohngeld seiner Einzimmerwohnung übernimmt die Ausländerbehörde, sein gesamtes Leben sonst finanziert er von seinem Bufdi-Lohn. Darauf ist er stolz. Auch darauf, dass er so gut Deutsch spricht und dass er den Hauptschulabschluss auf Anhieb geschafft hat. „Mir war klar, dass eine Rückkehr nicht möglich ist. Ich habe mir von Anfang an so viel Mühe gegeben, mich zu integrieren“, betont er.

Geld für die Berufung zusammenbekommen

Rückschläge gab es natürlich auch. Nach der Schule hatte Zain nach einem zweimonatigen Praktikum in der Süßener Wilhelmshilfe eine Ausbildungsstelle zum Altenpflegehelfer erhalten. „Die Arbeit mit den alten Leuten hat mir gefallen“, sagt er. Allerdings hat er den Theorieteil des Berufslebens unterschätzt. Als dann die Nachricht und das Video mit seinem Bruder kam, war er wochenlang nicht in der Lage, sich zu konzentrieren. Traumata stiegen wieder nach oben. Gesundheitliche Probleme folgten. Er musste seine Ausbildung abbrechen. Weil die Verantwortlichen bei der Wilhelmshilfe mit Zains Arbeit sonst zufrieden waren, gaben sie ihm eine zweite Chance als Bufdi.

Wie es jetzt weitergeht, das wissen weder Zain noch seine ehrenamtliche Flüchtlingshelferin Sandra Badami. Sie will „auf jeden Fall irgendwie die 900 Euro zusammenbekommen für die Berufung“. Und dann beten. Das tut auch Zain. Seit zwei Jahren ist er Christ. „Konvertieren wollte ich erst, nachdem mein Asylantrag angenommen wurde, weil die Leute sonst sagen, ich mach’ das bloß, um bessere Chancen zu haben“, sagt er. Er freut sich über Sandra Badamis Hilfe, die auch die Baptistengemeinde in Geislingen hinter sich weiß. Dort gibt es eine „Diakoniekasse“, in die auch für Zain gespendet werden kann.

Pakistan: Kovertiten droht Tod

Der Vorstandsvorsitzende von Open Doors Deutschland, Markus Rode, sieht die geplante Abschiebung des Pakistaners Zain Arshad in einer Reihe mit zahlreichen weiteren Ablehnungsentscheidungen für christliche Konvertiten. Er erklärt im Gespräch mit pro: „Pakistan steht auf dem Weltverfolgungsindex 2017 auf Position vier, weil Christen dort auf allen Ebenen von Staat und Gesellschaft in hohem Maß von Verfolgung bedroht sind. Das gilt umso mehr für Konvertiten wie den 20-jährigen Zain Arshad.“ Rode kann sich derartige Bescheide nur dadurch erklären, dass die in diesen Fällen zuständigen BAMF Entscheider aufgrund einer mangelhaften Qualifikation nichts von den massiven Konsequenzen ihrer Ablehnungsbescheide wissen. „Konvertiten droht bei ihrer Entdeckung in der Heimat der Tod – sei es durch den Staat, durch einen Mob aufgebrachter Muslime oder gar durch die eigene Familie.“

„Wir bitten das Auswärtige Amt deshalb dringend, die Informationen der Open Doors Länderberichte in seine Länderleitfäden aufzunehmen, um die Sicherheitslage von Konvertiten in ihren jeweiligen Heimatländern neu zu bewerten.“ In diesem Zusammenhang, sagt Rode, ist auch die Abschiebung des jungen Christen aus Pakistan erneut zu überprüfen. (pro)

Wir danken der Geislinger Zeitung für die Abdruckgenehmigung ihres Artikels, der einen großen Teil dieses Beitrags ausmacht.

Von: Claudia Burst / Geislinger Zeitung

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