Traumpartner gesucht

Single zu sein, gilt unter Christen oft als Stigma. Das haben auch Teilnehmer des „Forums Traumpartner“ in ihren Gemeinden erfahren, die bei der Veranstaltung in Stuttgart nach potenziellen Partnern Ausschau halten. Es zeigt sich aber auch, dass eine Beziehung nicht der einzige Weg ist, um glücklich zu sein.
Von PRO
Auch wenn das Treffen „Forum Traumpartner“ für Singles ab 20 Jahren ausgelegt ist, kommen zunehmend ältere hierher
Manchen Teilnehmern ist es peinlich, hier zu sein. Deshalb wissen nur die engsten Vertrauten von ihrem Date mit 200 anderen Singles: Beim „Forum Traumpartner“ in Stuttgart treffen einsame Herzen aus unterschiedlichen christlichen Lagern aufeinander und finden – wenn die Mischung stimmt – vielleicht sogar zueinander. Ausgerichtet wird es vom freikirchlichen Gospel Forum Stuttgart. „Ich weiß noch nicht so ganz, was ich davon halten soll. Eine Mischung aus lächerlich und gut“, sagt Annika, 31 Jahre alt. Ihr Beziehungsstatus: Dauersingle. Sie hatte noch nie eine Beziehung in ihrem Leben. Andere haben sich mit Herzklopfen auf den Weg in die Schwabenmetropole gemacht, so wie Beate. Seit sechs Jahren ist die 50-Jährige von ihrem Mann geschieden: „Nach so einer langen Zeit ist der Wunsch schon wieder da, einen Partner zu finden.“ Es ist Mittagszeit. Die ersten Vorträge haben die Teilnehmer hinter sich: eine Predigt zum Thema Wertschätzung und Tipps zum Small-Talk standen bisher auf dem Plan. Dann wird es auf einmal hektisch unter den Teilnehmern. „Alle Männer zu mir, wir brauchen Männer!“, ruft eine Mitarbeiterin laut in die Menge. Ihr Job: Männer und Frauen fürs Speed-Dating am Nachmittag zu akquirieren. Singles bis vierzig Jahre und ab vierzig Jahren sollen später in Gesprächen mit einer Dauer von wenigen Minuten potenziellen Partnern begegnen. Entsprechend ihrer Altersgruppe tragen sie sich im Gedränge der Masse in Listen ein. „Wir brauchen noch mehr Männer!“ Männer haben beim mittlerweile achten „Forum Traumpartner“ statistisch gesehen die besseren Chancen: Auf einen Mann kommen zwei Frauen. „Die Männer trauen sich irgendwie nicht hierher“, stellt Harald Bohner fest, der hier das erste Mal mitarbeitet und die Singles bei Gesprächen beobachtet. Buchautorin Tina Tschage weiß es genauer. Die 33-Jährige hat selbst keinen Partner und hat für ihr Buch über das Single-Dasein in vielen Gesprächen analysiert: „Generell stimmt das Verhältnis im christlichen Umfeld nicht. Frauen bekehren sich schneller, sind emotionaler unterwegs und deshalb sind sie deutlich in der Überzahl“, ist ihre Erkenntnis. Sie hofft, dass viel mehr Alleinstehende Angebote wie das „Forum Traumpartner“ nutzen. „Singles stellen sich oftmals selbst das Bein, weil sie denken, dass sowas in der christlichen Szene als Stigma gilt“, sagt sie.

Immer mehr ältere Singles

Aus ganz Deutschland sind die Singles für den Tag nach Stuttgart gereist. Aus München, Frankfurt und auch Hamburg. So wie Tobias, der mit schickem weißem Hemd und weinrotem Pullunder auf Frauensuche geht. „Das ist schon irgendwie als größte christliche Singlebörse im Süden bekannt.“ In den vergangenen Jahren hatte er seine Prioritäten auf den Beruf gelegt und deshalb auch noch keine Beziehung zu einer Frau. Nun will es der 35-Jährige entspannt angehen lassen, gucken, was auf ihn zukommt. Seit der dritten Auflage vom „Forum Traumpartner“ hat sich die Veranstaltung auch außerhalb der Region Stuttgart zum Selbstläufer entwickelt. „Viele kommen von außerhalb, weil sie von Freunden davon erfahren haben und in ihrem Umfeld keine Single-Arbeit gefunden haben“, stellt Christopher Straub fest. Er ist für die Teilnehmerbetreuung zuständig. Statt Liebe liegt aber erst einmal der Duft von Rinderbraten, Spätzle und Salat in der Luft. Jetzt ist die lichtdurchflutete Foyerhalle Schauplatz für die nächste Etappe des Tages. Beim Drei-Gänge-Menü sollen die Teilnehmer an Biertischen miteinander ins Gespräch kommen. An manchen Tischen gleicht die Zusammensetzung eher einem Familienfest, statt einem Singletreff. Da sitzt zum Beispiel der 25-jährige Student mit deutlich älteren Frauen zusammen. An einem anderen Tisch bleiben Frauen und Männer jeweils gleich ganz unter sich. Nach Vor-, Haupt- und Nachspeise sorgt Harald mit seiner Frau dafür, dass die Plätze getauscht werden. „Damit sollen die Leute ihren Bekanntheitsgrad steigern und Übung bekommen, mit anderen ins Gespräch zu kommen“, sagt er. So kommt es dann doch noch zu einer sinnvollen Durchmischung der Teilnehmer. Manche scheinen damit aber offensichtlich Probleme zu haben. Ihre Körperhaltung wirkt verkrampft oder sie blicken völlig desinteressiert über die gelben Tischblumen hinweg in die Weite des Raumes. „Mir sind das einfach zu viele Menschen“, sagt ein Teilnehmer. Auch wenn das Treffen für Singles ab 20 Jahren ausgelegt ist, kommen zunehmend ältere hierher. Bernhardt zum Beispiel. Wahrscheinlich einer der Ältesten mit 62 Jahren. Seit 13 Jahren ist er Single. Er hat auf den Bankreihen im Foyer auch schon die ein oder andere potenzielle Kandidatin entdeckt. „Single zu sein, hat zwar auch Vorteile, weil man machen kann, was man will, aber es ist schon ein Problem. Das bedeutet in meinem Alter, ein Einsiedler zu sein“, erzählt er. Er ist der Ansicht, dass es zu wenige Möglichkeiten gibt, christliche Partnerinnen ungezwungen kennenzulernen. „Nach Gottesdiensten ist dafür einfach der Rahmen nicht da.“

Auch allein glücklich sein

Das Gospel Forum bietet seit vier Jahren zwei Mal jährlich ein Treffen wie das „Forum Traumpartner“ an. Ins Leben gerufen wurde es durch Alleinstehende der Gemeinde selbst. „Diese Veranstaltungen sind nicht hauptsächlich dafür da, einen Traumpartner zu finden, sondern selbst einer zu werden. Und sie sollen einen Weg aufzeigen, in der eigenen Situation Freude zu finden“, sagt Pastor Matthias Frank. Das Problem, dass ältere Singles kaum Kontaktmöglichkeiten haben, ist ihm bekannt. „Junge Singles unter dreißig kommen eher durch die Junge-Erwachsenen-Arbeit in Gemeinden mit Gleichaltrigen in Kontakt. Bei den Älteren wird es schon schwieriger“, sagt er. „Hier müssen wir und andere Gemeinden Lösungen finden und den Bedarf aufgreifen.“ Immer noch herrscht im Foyer eine laute Geräuschkulisse mit angeregten Gesprächen der in Schale geworfenen Singles. „Eigentlich haben wir bereits alle Regeln des Smalltalks gebrochen“, sagt eine Frau, die mit anderen ihresgleichen zusammensitzt. Die Teilnehmer sollten es eigentlich vermeiden, über Religion und Beruf zu sprechen, so der Vorschlag. „Aber eigentlich macht das ja viel von uns aus.“ Wenn es nach den Erfahrungen von Annika geht, sitzen hier viele „arme Leute“ rum. Viele aus ihrer Gemeinde betrachteten sie nur als jemanden, der es „noch nicht geschafft“ hat. „In unserem Gottesdienst wird immer wieder für Familien gebetet, für uns Singles aber kaum“ – Erlebnisse, von denen auch an anderen Tischen zu hören ist. Grund dafür ist häufig das christliche Idealbild in Gemeinden von Ehe, glaubt die freie Theologin Tina Tschage. „Viele Gemeinden müssen Singles erst einmal wahrnehmen“, appelliert die 33-Jährige. „Und dann nicht einfach beten: ‚Schenk doch den richtigen Partner.‘ Gemeinden müssen ernsthafte Angebote für Singles schaffen und auch über relevante Themen sprechen, die Singles betreffen – Sexualität zum Beispiel.“ „Hi, wie geht’s, ich bin der Uli“, „Ich die Kathrin – bist du Paulus?“ Die Gespräche beim Paarsuchen-Spiel nach dem Mittagessen sind spielerisch und lockern die Atmosphäre auf. Mit gelben Zetteln auf dem Rücken torkeln die Singles durch einen Seminarraum. Ziel ist es, den Partner mit der passenden gelben Karte zu finden. Tarzan sucht Jane und das C das A, wieder um mit anderen ins Gespräch zu kommen. „Ich war schon öfter hier dabei und hatte ganz coole Gespräche. Auch ein paar Dates haben sich entwickelt, aber bislang habe ich noch keinen Partner gefunden“, sagt Esther. Genau deshalb bleibt die 37-Jährige weiter dran und wirkt überhaupt nicht entmutigt. Sie ergreift in ihrer Situation selbst die Initiative, um nicht alleine zu sein: Mit Freunden hat sie eine christliche Freizeitgruppe für Singles gegründet. Die trifft sich einmal im Monat zum Kochen, Kanufahren oder Ausgehen. Angebote, die auch für andere Alleinstehende von Interesse sind. Zum Beispiel für Jan. „Es ist schön, als Single mal nur mit Singles zu zusammen zu sein. Gerade von jungen Familien oder Leuten, die früh geheiratet haben, fehlt oft das Verständnis dafür, wie es ist, Single zu sein“, sagt er. Ein Patentrezept, wie man als Single glücklich sein kann, hat auch Tina Tschage nicht. „Jede Lebensphase hat ihre eigenen Höhen und Tiefen“, sagt sie. „Singles sollten sich bewusst machen, dass ihre Situation viele Vorteile hat, die zum Beispiel Verheiratete nicht haben.“ Sie selbst lebt mit einer anderen Single-Frau und einer Familie in einer Lebensgemeinschaft. Außerdem ist sie bei „EmwAg“ – „Es muss was Anderes geben“ – aktiv, einem Netzwerk, das unter anderem nach alltagstauglichen Formen für Gemeinschaft von Alleinstehenden sucht. „Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine ist“, zitiert sie aus der Bibel. „Wir denken immer, dass die Ehe der einzige Weg ist, um glücklich zu sein, was so nicht stimmt.“ Sie ermutigt Singles dazu, sich auf den Weg zu machen, Gemeinschaft und Beziehungen mit anderen zu suchen, um sich dadurch für eine mögliche partnerschaftliche Beziehung auch „schleifen“ zu lassen. Im Seminarraum unterbricht Lobpreismusik die mittlerweile angeregten Gespräche zwischen den Männern und Frauen. Jetzt soll es Tipps für den richtigen Umgang bei der Partnersuche geben – vielleicht ist das für den einen oder anderen mittlerweile auch zur Nebensache geworden. Für sie könnte die Partnersuche mit diesem Tag ein Ende haben. (pro)

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe 2/2016 des Christlichen Medienmagazins pro. Bestellen Sie pro kostenlos unter der Telefonnummer 06441/915151, via E-Mail an info@pro-medienmagazin.de oder online.

https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/singles-in-der-gemeinde-87442/
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