Kein Reli ohne Kirche

Nicht jeder, der Religionslehrer werden möchte, darf das auch. Denn die Kirche muss dazu ihre Erlaubnis geben. Für manche Freikirchler wird das zum Problem.
Von PRO
Wer Religion unterrichten möchte, muss Mitglied der richtigen Gemeinde sein
Maria Bergmann steht vor den 23 Schülern einer vierten Klasse und erzählt ihnen von Martin Luther. Eine Folge der Sendung „Willi will‘s wissen“ über den Reformator hat sie mit den Kindern schon angeschaut. Mit einem Memory über den Thesenanschlag und Rätselspielen trainieren die Schüler das Gelernte. Seit anderthalb Jahren ist Bergmann Religionslehrerin. Ihren Beruf durfte sie aber zunächst nicht ausüben, denn die Kirche hatte etwas dagegen. Maria Bergmann heißt eigentlich anders, aber ihren richtigen Namen möchte sie nicht in einer Zeitschrift lesen, um ihre Arbeitsstelle nicht zu gefährden. Sie ist Mitglied einer Gemeinde, die zum Bund Freier Pfingstgemeinden (BFP), gehört. Ihr Mann ist dort Pastor. Als sie Theologie und Mathematik auf Lehramt für Grundschule studierte, ahnte Bergmann nicht, dass es einmal Probleme mit ihrem Beruf geben könnte. Sie besteht ihr Examen und macht ein zweijähriges Referendariat. Doch dann ist Schluss mit Schule: Sie bekommt keine Lehrerlaubnis für das Fach Religion. Diese muss die zuständige Landeskirche ausstellen. Aber bei Freikirchlern tut die sich mitunter schwer damit. Bergmann wird ins Landeskirchenamt zu einem Einzelfallgespräch geladen. In den 45 Minuten geht es um Kindertaufe, Zungenrede und die Frage, ob Bergmann mit ihren Schülern beten würde. Von den Fragen fühlt sich Bergmann provoziert. Sie weiß, dass sie vor den Schülern ihren persönlichen Glauben und ihre Rolle als Lehrerin auseinanderhalten muss. Aber das interessiert in dem Gespräch wenig, erzählt sie später. „Ich habe mich wie eine ziemlich kleine Ameise im Fokus einer Lupe gefühlt, völlig machtlos.“ Bergmann bekommt eine schriftliche Absage, ohne Angaben von Gründen. „Die Verantwortlichen haben nicht mit meinen Mentoren und Seminarleitern gesprochen, sie haben meinen Unterricht nicht gesehen und mich nie in meiner Funktion als Lehrerin erlebt“, sagt sie, und der Ärger darüber ist ihr immer noch anzuhören. Die einzige Möglichkeit, doch noch Lehrerin werden zu können, ist, in die Evangelische Kirche einzutreten. Das tut sie – und bekommt ihre Lehrerlaubnis. An ihrem Glaubensleben hat sich nichts geändert. Aber als formelles Kirchenmitglied spielt das nun keine Rolle mehr.

Die Kirche ruft

Um Religion an einer staatlichen Schule zu unterrichten, benötigen angehende Lehrer in fast allen Bundesländern eine Bevollmächtigung von der jeweiligen Kirche. Bei den Katholiken nennt sie sich Missio, bei den Protestanten Vocatio oder Vokation. Nur in Bremen wird Religion „auf allgemeiner christlicher Grundlage“ unabhängig von einer Konfession unterrichtet. Für Religionslehrer genügt dort der universitäre Abschluss, eine Erlaubnis seitens der Kirche ist nicht nötig. Unter welchen Bedingungen in den Bundesländern die Vokation erteilt wird, ist Sache der jeweiligen evangelischen Landeskirchen. In der Regel ist es für Religionslehrer notwendig, Mitglied einer solchen zu sein oder einer Kirche anzugehören, die mit den evangelischen Landeskirchen Kirchengemeinschaft hat. Dies bedeutet, dass sie unter anderem die Ordination ihrer Pastoren gegenseitig anerkennen. So eine Vereinbarung gibt es zum Beispiel mit der Herrnhuter Brüdergemeine und der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK). „Wir haben grundsätzlich ein offenes und vertrauensvolles Verhältnis zur Evangelischen Kirche“, sagt Ruthard Prager von der Kirchenkanzlei der EmK. Vor allem dort, wo die Freikirche stark vertreten ist, gebe es bei Vokationen ihrer Mitglieder keine Probleme. Nur in Einzelfällen müsse sie die klerikalen Behörden an die Kirchengemeinschaft erinnern.

Auf ein Wort mit dem Bewerber

Die meisten Landeskirchen setzen seit 2010 voraus, dass die freie Gemeinde zumindest Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (AcK) des jeweiligen Bundeslandes ist. Die AcK ist ein ökumenischer Zusammenschluss verschiedener Kirchen von Orthodoxen bis Baptisten. Der BFP und auch der Bund Freier evangelischer Gemeinden (BFeG) sind nur Gastmitglieder. Ein wesentlicher theologischer Knackpunkt dabei ist das unterschiedliche Verständnis von der Taufe. Mancherorts ist für freikirchliche Lehramtsanwärter, vor allem für die, deren Gemeinde nicht zum AcK gehört, ein persönliches Gespräch des Bewerbers mit Mitarbeitern des Landeskirchenamtes vorgesehen. So ist es beispielsweise in Niedersachsen geregelt. Die Nordkirche handhabt es ähnlich: Ziel sei es zunächst, sich gegenseitig kennenzulernen, erklärt eine Sprecherin. „Darüber hinaus dient das Gespräch dazu, die Ziele des Religionsunterrichts darzustellen und über die didaktischen Grundsätze zu diskutieren, um eine Übereinstimmung herzustellen. Eine gegenseitige Versicherung, dass man mit dem Religionsunterricht die gleichen Inhalte meint, führt zur Erteilung der Unterrichtserlaubnis.“ Konkreter sagen die Sachsen, worum es gehen kann: darum, wie der Bewerber die Bibel versteht, was er von der Ökumene hält und welche Haltung er zu Mission hat. Freikirchler müssen sich dort wie auch in anderen Landeskirchen – wie der Badischen und Bayerischen – verpflichten, keine „Sonderlehren“, eben zum Beispiel über die Taufe, zu verbreiten.

Pfingstler wünschen sich „neue Allianzen“

Für Ansgar Hörsting, dem Präses des BFeG und Vorsitzenden der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF), stellt sich die Frage, ab wann eine theologische Position aus landeskirchlicher Sicht eine „Sonderlehre“ ist und welche Bedeutung dies für den Unterricht haben würde. Frei- und Landeskirchen könnten trotz teilweise unterschiedlicher Verständnisse von Taufe bei der Erteilung des Religionsunterrichts gut zusammenarbeiten, ist er sicher. Von Landeskirchen, wo dies bereits möglich ist, habe er noch nie gehört, dass es in der Praxis Probleme gab. So sei das Verhältnis beispielsweise im Rheinland und in Westfalen sehr gut. Diese beiden sowie die Lippische Landeskirche haben gemeinsam besondere Vereinbarungen unter anderem mit dem Bund der FeG und dem der Evangelisch-freikirchlichen Gemeinden (EFG) getroffen. Auch ihnen wird die Vokation gewährt. Pfingstler sind in Fragen der Lehrerlaubnis weitgehend außen vor. Nur die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz hat eine Vereinbarung, der zufolge Mitglieder der VEF die Vokation bekommen können. Wobei in Brandenburg Religion kein ordentliches Schulfach ist, sondern ein Zusatzangebot der Kirchen. Zur VEF gehört auch der BFP. Frank Uphoff, Vize-Präses des Bundes, würde sich freuen, wenn es eine solche Regelung innerhalb der ganzen EKD gäbe. Denn er hat mit Blick auf die Zukunft noch eine viel grundsätzlichere Frage: „Wie können wir es überhaupt gestalten, dass der Religionsunterricht angesichts der Säkularisierung erhalten bleibt?“ Uphoff erwartet, dass sich der Staat gegenüber den Kirchen zunehmend neutraler verhalten wird und deren Rechte beschneiden könnte. „Wir sollten gemeinsam überlegen, wie wir damit umgehen. Da müssen neue Allianzen möglich sein“, sagt er. Sein Bund jedenfalls sei offen dafür. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/kirche/detailansicht/aktuell/schule-kirche-will-mit-muslimen-kooperieren-90005/
https://www.pro-medienmagazin.de/paedagogik/detailansicht/aktuell/muslime-unterrichten-christliche-religion-an-schulen-88397/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/kein-lebenskunde-unterricht-in-nrw-87198/
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