Gespräch zwischen Kretschmann und Evangelikalen: Bildungsplan wird überarbeitet

Der Bildungsplan-Entwurf in Baden-Württemberg wird überarbeitet. Das machte Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei einem Gespräch mit führenden Vertretern von pietistischen und evangelikalen Werken deutlich. Diese erneuerten ihre Kritik, dass der derzeitige Entwurf nicht mit dem christlichen Menschenbild zusammenpasse.
Von PRO
Der Bildungsplan wird überarbeitet, sagte Winfried Kretschmann bei einem Gespräch mit Vertretern der Landeskirche sowie evangelikaler und pietistischer Werke. Trotz Kontroversen sei es ein Beitrag zur Verständigung gewesen
Der Bildungsplan müsse dem Menschenbild entsprechen, das auch der Landesverfassung und dem Schulgesetz zugrunde liegt. Das betonten die führenden Vertreter des Pietismus, der evangelikalen Bewegung und aus Kreisen der Evangelischen Landeskirchen, die Kretschmann am Donnerstag zu einem Gespräch eingeladen hatte. Für das christliche Menschenbild sei das Gegenüber von Mann und Frau grundlegend. Der Bildungsplan-Entwurf gehe jedoch von der Ideologie des Gender Mainstreaming aus, nach der es nicht nur zwei, sondern eine Vielzahl von Geschlechtern gebe. „Wir achten jeden Menschen – völlig unabhängig von seiner sexuellen Orientierung. Gegenüber jeder Person gilt unsere Toleranz und volle Akzeptanz, mehr noch: unsere Wertschätzung, unser Respekt, ja von unserer christlichen Gesinnung her unsere Nächstenliebe“, hoben die Kritiker des Bildungsplanes hervor. Der Bildungsplan fordere von Schülern die Akzeptanz sexueller Vielfalt als pauschale gesellschaftliche Norm. Sexuelle Vielfalt sei jedoch ihrer Auffassung nach „keinesfalls in gleicher Weise normgebend wie die Ehe von Mann und Frau“. Diese habe als vorzügliche Lebensform zu gelten und werde auch im Grundgesetz besonders geschützt. Der freiheitliche Staat müsse verschiedene Gesinnungen akzeptieren. Der Ministerpräsident sagte, es sei „selbstverständlich“, dass sich „der Bildungsplan am Schulgesetz und an der Landesverfassung“ und dem darin verankerten christlichen Menschenbild orientiere. Aus diesem resultiere die gleiche Würde aller Menschen und das Recht auf gleiche Behandlung ebenso wie das christliche Liebesgebot. Er vertrete nicht die Gender-Theorie, die ein anderes Menschenbild propagiere. Sie sei auch nicht die Grundlage des Bildungsplanes. Gleichwohl stehe Kretschmann für das Gender Mainstreaming. Es gebe einen gesellschaftlichen Wertewandel, dem seine Politik auch Rechnung tragen und den sie befördern wolle. Ehe und Familie hätten zwar bei jungen Menschen nach wie vor einen hohen Stellenwert. Aber man müsse auch zur Kenntnis nehmen, „dass es in der Gesellschaft eine Vielzahl familiärer Lebensentwürfe gibt, etwa Patchworkfamilien, eingetragene Lebenspartnerschaften oder Alleinerziehende“, teilte das Staatsministerium mit. Die Regierung mache jedoch keinen „Gesinnungslehrplan“. Das Recht der freien Meinungsäußerung gelte auch in der Schule. Das Ziel davon, „sexuelle Vielfalt“ im Bildungsplan zu verankern, sei es, Schülerinnen und Schülern noch deutlicher als bisher Wertschätzung, Toleranz und Weltoffenheit zu vermitteln. Die Toleranz von sexueller Vielfalt sei für Kretschmann „Ausdruck einer liberalen Verfassungsordnung“. Formulierungen im Arbeitspapier zum Bildungsplan hätten allerdings zu Missverständnissen geführt. Diese sollten zeitnah ausgeräumt werden. Dies ändere aber nichts an dem Anliegen, Menschen vor Intoleranz und Diskriminierung zu schützen.

„Akzeptanz aller Menschen“ statt „Akzeptanz sexueller Vielfalt“

Laut Kretschmann seien sich die Gesprächspartner einig gewesen, dass gemeinsam ein entschiedener Einsatz gegen Diskriminierung aller Minderheiten nötig sei. „Angesichts der Vielfalt an Wertvorstellungen, Lebensweisen und ethischen Orientierungen unserer Gesellschaft müssen Politik und Kirchen ein tolerantes und diskriminierungsfreies Miteinander unserer Bürgerinnen und Bürger fördern“, sagte er. Die Vertreter der Kirchen forderten unter anderem, die „einseitige Fokussierung auf die Akzeptanz sexueller Vielfalt“ zu ersetzen durch die „Akzeptanz und Wertschätzung aller Menschen, insbesondere auch von Menschen mit Behinderungen, Migranten, alten Menschen und Angehörigen verschiedener Religionen“. Diese erlebten in größerer Zahl zum Teil schwerere Diskriminierungen als Menschen mit verschiedensten sexuellen Orientierungen. Die Kritiker warnten zudem vor einer Ideologisierung der Gesellschaft durch Gender Mainstreaming, „insofern es über die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Akzeptanz aller Menschen hinausgeht“. Außerdem solle die Politik die Ehe zwischen Mann und Frau sowie die Familie als Keimzelle der Gesellschaft neu wertschätzen: „Wenn es eine Querschnittsaufgabe in den Bildungsplänen geben muss, wäre dies die verfassungsrechtlich gebotene und für eine nachhaltige Gesellschaft zukunftsträchtige.“

Konstruktive Atmosphäre trotz Kontroverse

Neben Kretschmann und Staatssekretär Rust nahmen an dem Gespräch unter anderem EKD-Ratsmitglied Tabea Dölker, Pfarrer Steffen Kern, Vorsitzender des Evangelischen Gemeinschaftsverbandes Württemberg „die Apis“, Pfarrer Detlef Krause, Direktor der Liebenzeller Mission, der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb, sowie weitere Vertreter pietistischer und evangelikaler Werke teil. Neben dem Bildungsplan sprach die Runde über grundsätzliche Aspekte von christlichen Werten, Toleranz und gesellschaftlicher Vielfalt. Steffen Kern sagte gegenüber pro, das Gespräch habe zur Verständigung und Klärung wichtiger Punkte beigetragen. Es habe eine sehr gute, vertrauensvolle Atmosphäre geherrscht, der mehrstündige Austausch sei konstruktiv und ehrlich gewesen. „Es gab eine Hörbereitschaft auf beiden Seiten mit dem Versuch, ein gegenseitiges Verstehen zu erreichen.“ Kontroverse Ansichten habe es vor allem bei der Frage gegeben, inwiefern die geschlechtliche Polarität und die Ehe von Mann und Frau konstitutiv zum christlichen Menschenbild gehören. Nach Auffassung von Kretschmann verändere sich dies in der gegenwärtigen Gesellschaft. Auch Kretschmann bewertete das Gespräch als offen und vertrauensvoll. Es habe zur „Versachlichung der Debatte um den Stellenwert von sexueller Vielfalt geführt“. Zwischen Landesregierung und Kirchen gebe es keine Differenz in der Zielsetzung, die Schulen zu einem Ort des gegenseitigen Respekts und der Toleranz zu machen. Kretschmann ermutigte die Kirchenvertreter dazu, sich in die „plurale Gesellschaft mit ihren Wertvorstellungen einzubringen“. (pro)
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