Patchwork-Religiosität bei Jugendlichen

Der christliche Glaube spielt im Alltag der meisten deutschen Familien keine Rolle. Viele Eltern lassen ihre Kinder selbst entscheiden, ob und wie intensiv sie sich mit Religion beschäftigen wollen. Das Magazin "Focus Schule" hat untersucht, was Jugendliche über Gott und den Glauben denken.
Von PRO

Nele will sich nächstes Jahr zum Konfirmandenunterricht anmelden, obwohl sie erst einmal in ihrem Leben einen Gottesdienst besucht hat. Ihre Eltern sind aus der Kirche ausgetreten. Damit Nele und ihr Bruder etwas über christliche Werte lernen, haben ihre Eltern sie an einer konfessionellen Schule angemeldet. Auf diese Art sollen die Kinder die Möglichkeit haben, einen eigenen "Zugang zur Religion zu bekommen, heißt es in dem Artikel "Was glaubst’n du so?" in der aktuellen Ausgabe von "Focus Schule".

Dass Eltern heute ihren Kindern oft freistellen, ob diese sich konfirmieren lassen, bestätigen auch andere Jugendliche, die das Magazin befragt hat. Nur wenige haben zuhause jemals gebetet oder sich mit dem Glauben beschäftigt. Jugendliche, denen die Eltern es selbst überlassen, ob sie sich zum Konfirmandenunterricht anmelden, fällt es schwerer, regelmäßig zu kommen, beobachtet der evangelische Pfarrer Sebastian Kühnen. Kinder von Eltern, die dem Glauben  positiv gegenüberstehen, zeigten deutlich mehr Engagement und Freude, so der Theologe.

Aus Pfadfindern werden meist keine Gemeindemitglieder

Die katholische Kirche erreiche viele Kinder und Jugendliche über die Pfadfindergruppen. So auch die 19-jährige Clara, die seit vielen Jahren bei den Pfadfindern teilnimmt und inzwischen Jugendleiterin ist. Sie ist nicht getauft, ihre Eltern bezeichnet sie als "nicht religiös". Dass die Kirche ihr die Möglichkeit zur Jugendarbeit bietet, findet sie gut, dennoch ist Taufe für Clara kein Thema. Daran habe sie noch nie gedacht. Aus den jungen "Pfadis" werden selten Kirchgänger – ohne Engagement der Eltern lassen sich Kinder kaum dauerhaft in lokale Gemeinden einbinden, fasst "Focus Schule"-Autorin Caroline Mascher zusammen.

Laut der Shell Jugendstudie 2010 geben 23 Prozent der Jugendlichen aus den westlichen Bundesländern an, sie glauben an einen persönlichen Gott. In den ehemaligen DDR-Ländern sagen das nur rund acht Prozent. Hier zeichnet sich ein Unterschied zu den Kindern aus muslimischen Familien ab: 44 Prozent von ihnen glauben an Gott.

Woran orientieren sich Jugendliche, wenn die Religion als wertgebende Instanz ausfällt? 70 Prozent der Schüler sagen, ihre Eltern seien ein moralisches Vorbild für sie.

Die Journalistin Caroline Mascher kommt zu dem Schluss: "Religion scheint im Jahr 2011 eine Frage der Bildung zu sein und der Glaube an Gott eher Ausdruck eines  individuellen Gefühls." Niemand möchte ganz auf Religion verzichten, irgendwie gehört sie im christlichen Abendland eben doch dazu, allerdings suche sich jeder "die Bestandteile seines Wertesystems" selbst zusammen, sagt der Jugend-und Bildungsforscher Heiner Barz. Diese Entwicklung bezeichnet er als "Patchwork-Religiosität". (pro)

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