Muslime – zwischen Geschenken und Christmette

Der Islam gehört zu Deutschland, meint Bundespräsident Christian Wulff. Doch am traditionellen Weihnachtsfest scheiden sich die Geister der vier Millionen Muslime in der Bundesrepublik. Manche stört der Trubel im Advent und zur Weihnachtszeit. Andere mögen Schmuck, Stollen und Weihnachtsmärkte oder stellen sogar einen eigenen Tannenbaum auf. Ist das Feiern der Geburt Jesu eine Frage der Integration?

Von PRO

Hanim Ezder ist mit ihrer Weihnachtspost längst fertig. Blerina Cana hat die Geschenke für ihre beiden Kinder schon viele Tage vor Heiligabend eingepackt und vor neugierigen Blicken im Kleiderschrank verstaut. Sogar ein Weihnachtsbaum steht bereits im Wohnzimmer. Klingt zunächst nicht ungewöhnlich, aber: Die beiden Frauen sind gläubige Musliminnen und feiern das Christenfest nicht.

Die meisten Muslime wollen sich während der Advents- und Weihnachtszeit nicht ausgrenzen, sagt Aiman Mazyek, der neue Vorsitzende des Zentralrats der Muslime (ZMD) in Köln. "Im Gegenteil. Wir nehmen aktiv teil, gehen auch zum Weihnachtsessen mit den Arbeitskollegen", erzählt der 41-Jährige. "Es ist nicht so, dass Muslime dem Weihnachtsrummel entgehen wollten. Nein, das ist falsch. Da würde ich eher an Karneval denken. Die meisten sind offen und mit Sympathie dabei."

Für den Christbaum, gegen christliche Riten

Vier Millionen Muslime sind keine homogene Gruppe, jeder geht anders mit der christlichen Tradition um, meint Hanim Ezder, die aus der Türkei stammt und in Deutschland aufgewachsen ist. "Natürlich hält es jeder anders mit Weihnachten. Bei mir hört es definitiv auf, wenn es in religiöse, christliche Riten übergeht. Einen geschmückten Weihnachtsbaum könnte ich persönlich nicht mit meinem muslimischen Verständnis vereinbaren." Was macht sie am 24. Dezember? "Nichts Besonderes. Ich freue mich über einen arbeitsfreien Tag und auf Zeit mit meiner Familie."

Den Kommerz und Konsum rund um das Fest lehnt Ezder ab. "Die Stimmung, die Gerüche, das Flair – das fand ich schon in meiner Jugend schön – aber ich bedauere den ganzen Konsum und dass der immer früher anfängt, mit Lebkuchen schon nach den Sommerferien." Obwohl sie gerne Weihnachtsgebäck mag, vor allem Christstollen. "Das ist für mich allerdings nur ein Genussmittel – dass der Stollen das gewickelte Jesuskind symbolisiert, war mir nicht klar."

Mazyek meint: "Ich erlebe Weihnachten als eine sehr schöne und besinnliche Zeit, freue mich über den Schmuck in den Städten und gehe auch mit meinen Kindern zum Weihnachtsmarkt oder treffe mich dort mit Freunden." Der ZMD erhalte in der Vorweihnachtszeit auch viele Anfragen, ob Jesus im Islam eine Rolle spiele. Im Islam gilt Jesus als Prophet.

"Keinen Bezug zu Weihnachten zulassen"

Viele Muslime machen zu Weihnachten Geschenke, so wie auch Blerina Cana aus Albanien. Das gehe auch ohne Bindung an die christliche Religion – den Kindern zuliebe, erzählt sie. Millionen Deutsche gehörten ja schließlich auch keiner christlichen Kirche an und kauften trotzdem Geschenke und hätten einen Christbaum, meint Cana. "Wir feiern Weihnachten nicht, das ist für uns kein Fest", erzählt ihr 13-jähriger Sohn Besnik. "Aber wir bekommen trotzdem was geschenkt, wie die anderen auch. Und den Tannenbaum mit Kugeln und Kerzen haben wir, weil sonst meine kleine Schwester traurig wäre."

Es gibt aber auch Ablehnung: "Muslimische Familien, die sich sonst eher isolieren, die wenig Kontakte haben, wollen keinen Bezug zulassen zu Weihnachten", erzählt Erzieherin Silke Wirtz, die viele muslimische Kinder betreut. "Die Eltern sagen: ‚Weihnachten ist Christenfest‘ und nehmen die Kinder raus, wenn Adventsgottesdienst ansteht." Das sei aber eher die Ausnahme: "Die Kinder stellen Fragen zur Weihnachtsgeschichte, wollen basteln und auch zu Hause schmücken und backen. Die meisten Eltern verschließen sich da nicht."

"Wir empfinden Respekt gegenüber dem christlichen Fest. Viele Muslime gratulieren schriftlich zu Weihnachten oder wünschen dem Nachbarn ein frohes Fest", meint Mazyek. Als Sohn eines syrischen Vaters und einer deutschen Mutter ist er muslimisch groß geworden. Trotzdem hat der kleine Aiman auch mitunter Weihnachten unterm Tannenbaum erlebt: "Tanten und Onkels mütterlicherseits haben uns beschenkt. Als Kind habe ich doppelt profitiert, denn ich habe zu muslimischen Festen und zu Weihnachten Geschenke bekommen." (Yuriko Wahl/dpa)

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