Bischof Zollitsch: „Schutz der unterschiedlichen Lebensphasen“

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, hat vor einem "Dammbruch im Denken unserer Gesellschaft" beim Schutz von Leben - sowohl dem ungeborener als auch dem alter Menschen - gewarnt. In einem Essay für die Tageszeitung "Die Welt" nahm Zollitsch den Weltjugendtag in Sydney zum Anlass, die Aufgaben der Gläubigen im Staat zu verdeutlichen.
Von PRO

Das Motto des diesjährigen Weltjugendtages lautete: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird, und ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg. 1,8). Dieses Leitwort gelte jedoch nicht nur für die rund 200.000 Jugendlichen in Sydney. „Es ist der Auftrag aller Christen, durch die Kraft des Heiligen Geistes Zeugnis für das Evangelium abzulegen“, so Zollitsch in der „Welt“.

„Zeugnis geben“ bedeute dabei für Christen zweierlei: „Den Glauben weitertragen und die Botschaft Christi leben.“ Einerseits setzten sich Christen aktiv für eine bessere Welt ein; andererseits sei ihnen bewusst, dass sich eine perfekte Welt auf der Erde nicht realisieren lasse, und daher vertrauten sie auf die Vision von einer göttlichen gerechten Welt. Dies gebe ihnen „den notwendigen Antrieb für die aktive Gestaltung der Gesellschaft.“

Ethisch richtiges Verhalten der Bürger gefordert

Die Kirche stehe „unter einem politisch-diakonischen Auftrag, der sie zur aktiven und konstruktiven Mitgestaltung verpflichtet“, so Zollitsch. „Wenn sich die Kirche in gesellschaftlichen und politischen Fragen zu Wort meldet, dann geschieht dies in der Hoffnung, dass sie zur Klärung beitragen und manche Aspekte besonders gut ausleuchten kann.“ Dahinter stehe „die Sorge um die Menschen“ und nicht etwa ein Machtanspruch.

Schon im „Gemeinsamen Wort zur Zukunft unseres demokratischen Gemeinwesens“ von 2006 hätten die Evangelische Kirche in Deutschland und die Deutsche Bischofskonferenz geschrieben: „Demokratie braucht Tugenden“. Zollitsch führt aus: „Staat und Gesellschaft leben vom ethisch richtigen Verhalten der Bürger. Ein Verhalten, das sich nicht primär durch immer neue Gesetze und Regelungen verordnen lässt, sondern vor allem klare ethische Überzeugungen und authentische Vorbilder braucht.“ Als Beispiel nennt der Erzbischof von Freiburg die Beteiligung an Wahlen, das Beachten von Gesetzen, das Zahlen der Steuern oder den alltäglichen Einsatz füreinander in Form von Nachbarschaftshilfe oder in der ehrenamtlichen Arbeit in Vereinen und Verbänden. „Oft fernab der breiten Öffentlichkeit, ohne dass viel davon Notiz genommen wird.“

„Kinder dürfen kein Armutsrisiko darstellen“

Zollitsch begrüßt, „dass in den vergangenen Jahren das Thema Familienpolitik wieder zu einem Schwerpunkt unserer gesellschaftlichen Debatte geworden ist. Ehe und Familie haben grundlegende Bedeutung sowohl für die Entfaltung des Einzelnen als auch für die Zukunft unserer Gesellschaft. Indem sich Mann und Frau für die verbindliche Partnerschaft in der Ehe und für eine Familie entscheiden, leisten sie einen unschätzbaren Beitrag zum Gemeinwohl.“ Der Bischof warnt jedoch zugleich vor der Gefahr, dass Familienpolitik instrumentalisiert wird: „Eine Politik, die primär – und hier sind bereits die Begriffe verräterisch – an der ‚Marktfähigkeit‘ des Menschen und an dem ‚Humankapital‘ der Familien interessiert ist, wird den eigentlichen familiären Belangen nicht gerecht. (…) Wir brauchen eine familienfreundliche und Familien fördernde Gesellschaft und Rahmenbedingungen, in denen Familien ihre Aufgaben wahrnehmen können, und eine Atmosphäre, in der Kinder und Familien willkommen sind.“ Familien bräuchten „die gesellschaftliche und monetäre Anerkennung ihrer Leistungen. Kinder dürfen kein Armutsrisiko darstellen. (…) Denn ohne Kinder gibt es für unsere Gesellschaft keine Zukunft.“

Das menschliche Leben „in allen seinen Phasen“ müsse geschützt werden, dies sei „zentral für das gesellschaftliche Engagement der Kirche“, so Zollitsch. „Die Frage nach der Unverfügbarkeit des Lebens ist in zahlreichen Debatten virulent und wird in Zukunft durch die Weiterentwicklung der Biotechnologie und den medizinisch-technischen Fortschritt weiter an Bedeutung gewinnen.“

Zollitsch erinnert zugleich daran, dass sich die Kirche gegen eine Verschiebung des Stichtages beim Import embryonaler Stammzellen ausgesprochen habe. Auch in der Diskussion um eine aktive Sterbehilfe sei es wichtig, „einem Dammbruch im Denken unserer Gesellschaft vorzubeugen“: „Wer alten oder kranken Menschen ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Leben nahelegt, verändert die Einstellung zum Leben überhaupt.“

Weiter schreibt Zollitsch: „Wer jedoch die Menschenwürde auch in Alter und Krankheit bewahren will, der sucht keinen einfachen Ausweg aus dem Leben, sondern nach der Möglichkeit einer würdevollen Gestaltung dieser Lebensphase.“ Daher hält es der Bischof für erforderlich, die Palliativmedizin sowie die Hospize und ihre Arbeit zu stärken. „Wirkliche christliche Nächstenliebe ermutigt zum Leben, sie bestärkt und begleitet Alte und Kranke auch und gerade im Angesicht des Todes. Weil sie das Leben als ein Geschenk betrachtet, ist es ihr Ziel, das Leben zu erleichtern – und nicht den vorzeitigen Tod!“

Den ganzen Essay finden Sie hier. (PRO)

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