Studie: „Tiefes Misstrauen zwischen Islam und Westen“

Diese Woche will der niederländische Islamkritiker Geert Wilders einen Film gegen den Koran veröffentlichen. Sicherheitskräfte halten die emotionale Sprengkraft des Zehnminüters für größer als die der dänischen Mohammed-Karikaturen. Der Kampf der Kulturen scheint in die nächste Runde zu gehen. Eine aktuelle Studie untersucht, wie tief der Graben zwischen der islamischen Welt und dem "Westen" bereits ist.
Von PRO

Das Weltwirtschaftsforum in der Schweiz stellte diese Woche eine Studie zum Verhältnis zwischen dem Islam und dem Westen vor – es ist die bislang ausführlichste ihrer Art. Zusammengestellt hat sie John DeGioia, Präsident der Georgetown-Universität in Washington. Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Gallup durchgeführt, das Muslime wie Nichtmuslime in 21 Ländern befragte. Die Ergebnisse der Analysten des Instituts „Media Tenor“ fließen ebenfalls mit ein. Sie untersuchten, wie Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehsender in 24 Ländern über die eigene Kultur und „das Andere“ berichteten.

Wenig Optimismus in Bezug auf Dialog

Obwohl die Studie eine Fülle von interessanten Details birgt, ist das Hauptergebnis zunächst wenig überraschend. Zwischen dem Westen und dem Islam herrscht ein tiefes Misstrauen, schreibt Klaus Schwab, Gründer und Präsident des Weltwirtschaftsforums in Genf. Sowohl in den muslimischen als auch in den nicht-muslimischen Ländern sind die Menschen in Bezug auf einen Dialog miteinander wenig optimistisch. Mit Hilfe von neun Fragen wurde ein Index ermittelt, der misst, wie die Befragten die Dialogbereitschaft zwischen dem Islam und dem Westen wahrnehmen. Insgesamt konnten 100 Punkte (besonders optimistisch) erreicht werden. Der Durchschnittswert aller untersuchten Länder lag bei 37 Punkten. Einzig die Befragten in Bangladesch und Pakistan waren der Meinung, dass sich das Verhältnis zwischen dem Westen und dem Islam nicht verschlechtern wird.

Überraschende Ergebnisse bietet die Studie, wenn es um die Angst vor dem Miteinander der Kulturen geht. Während 70 Prozent der Amerikaner und 56 Prozent der Israelis „eine verstärkte Interaktion zwischen dem Westen und der islamischen Welt“ als Bereicherung empfinden, sehen sowohl die meisten Dänen (79 Prozent) als auch die Spanier (68 Prozent) und die Niederländer (67 Prozent) darin eine Bedrohung. Auffällig ist auch, dass in muslimischen Ländern wie Iran, Türkei und Malaysia eine deutliche Mehrheit der Befragten mehr Interaktion mit dem Westen befürwortet.

Als Begründung für die Angst der Europäer vor einem kulturellen Austausch führen die Autoren der Studie das wachsende Unbehagen über die Zuwanderung aus islamischen Ländern an. Diese habe zur der Wahrnehmung geführt, dass der Islam Europas kulturelle Identität bedrohe.

Muslime: „Der Westen respektiert uns nicht“

In vielen muslimischen Bevölkerungen herrscht jedoch der Eindruck vor, dass der Westen die islamische Welt nicht respektiert. Diese Einschätzung ist besonders in Ägypten (80 Prozent), der Türkei (68 Prozent) und in Saudi-Arabien (67 Prozent) verbreitet. Mehr als die Hälfte aller Befragten in Dänemark und Schweden und den USA bestätigen diesen Eindruck. Sie gaben an, dass ihr Respekt für Muslime nur gering ist.

Wie aber verhält es sich mit dem Respekt der Muslime gegenüber dem Westen? Hier geht der Befund auseinander: In Indonesien, dem Land mit dem größten muslimischen Bevölkerungsanteil, glauben 65 Prozent der Befragten, dass der Westen respektiert wird. Auch in allen anderen muslimischen Ländern, mit Ausnahme der Türkei, waren deutliche Bevölkerungsmehrheiten dieser Ansicht. Die westliche Welt teilt diesen Eindruck jedoch nicht: 82 Prozent der Amerikaner, breite europäische Mehrheiten und auch 73 Prozent der Israelis fühlen sich von den Muslimen missachtet.

„Muslime achten Meinungsfreiheit nicht“

Die Studie des Weltwirtschaftsforums erklärt die unterschiedliche Wahrnehmung so: Die in muslimischen Ländern weit verbreitete Ablehnung der USA wird in westlichen Ländern als Zurückweisung des gesamten Westens und seiner Wertvorstelllungen gedeutet. Dieser Eindruck werde durch kulturelle Zusammenstöße wie bei den Mohammed-Karikaturen verstärkt. Nach Ansicht des Westens werde hier deutlich, dass Muslime „westliche“ Werte wie Meinungsfreiheit nicht genügend achteten.

Die Studie untersuchte auch, welche Rolle die Medien bei der gegenseitigen Wahrnehmung spielen. Eine zentrale Erkenntnis lautet: „Medien aus islamischen Ländern berichten negativer über Individuen und Gruppen, die dem Christentum, dem Judentum oder nichtislamischen Ländern angehören.“ Iranische Journalisten berichteten mit über 60 Prozent am negativsten über die „Anderen“. Allerdings sind auch etwa 40 Prozent der deutschen Berichterstattung über Muslime negativ. In der Türkei werden die „Anderen“ dagegen nur in 20 Prozent der Fälle negativ dargestellt. (PRO)

Die gesamte englischsprachige Studie „Islam and the West: Annual Report on the State of Dialogue“ finden Sie online unter http://www.weforum.org/pdf/C100/Islam_West.pdf.

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