Unwort des Jahres: „Herdprämie“ diffamiert Eltern

"Herdprämie" ist das Unwort des Jahres 2007. "Der Begriff diffamiert Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen wollen", begründete Horst Dieter Schlosser, Sprecher der Jury in Frankfurt am Main, die Entscheidung.
Von PRO

Wer das Wort „Herdprämie“ zum ersten Mal in die Diskussion gebracht hat, konnte auch die „Unwort“-Jury nicht genau bestimmen. Laut „Welt Online“ habe Ursula von der Leyen wenige Monate nach der Bundestagswahl 2005 als designierte Bundesfamilienministerin gesagt, das geplante neue Elterngeld, das seit Anfang 2007 in Kraft ist, solle „keine Herdprämie“ werden.

Als „Herdprämie“ titulierten Politiker von SPD und Grünen in der familienpolitischen Diskussion das Betreuungsgeld, dessen Einführung Politiker und Familienorganisationen gefordert hatten. Vor allem CSU-Politiker hatten sich für die Zahlung eines Zuschusses an Eltern, die ihre Kleinkinder zu Hause selbst betreuen, eingesetzt.

Herdprämie beleidigt auch Kinder

„Herdpämie“ – und die Varianten „Aufzuchtprämie“, „Gluckengehalt“ oder „Schnapsgeld“ – diffamiere Frauen, die ihre Kinder zu Hause erziehen wollten, begründete die Jury ihre Wahl. Möglicherweise sei der Begriff anfangs ironisch gemeint gewesen, so Schlosser. Es komme aber immer wieder vor, dass ein Wort durch Ironie in die Sprache komme, später aber nicht mehr so verwendet werde. Und „Herdprämie ist auf dem besten Weg, ihren ironischen Ursprung zu verleugnen“.

Der Begriff „Herdprämie“ zeige, „dass man mit Spott und Häme sehr schnell ein Eigentor schießen kann“, zitiert „Welt Online“ den Bundesvorsitzenden des Verbands deutscher Schriftsteller, Imre Török. Familienpolitiker von SPD und den Grünen hätten mit dem Wort „eigentlich überzogene konservative und chauvinistische Vorstellungen in der Diskussion um das Betreuungsgeld verspotten und kritisieren“ wollen. „Das Wort beleidigt und diffamiert aber alle Eltern, die aus den unterschiedlichsten Gründen die Betreuung zu Hause einem Krippenplatz vorziehen, und auch die Kinder“, so Torök.

„Ab in den Sprachmülleimer“

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Hartmut Koschyk, lobte gegenüber „Welt Online“, dass der „völlig inakzeptable Begriff endlich öffentlich abgelehnt worden“ sei. Seine Wirkung sei gesellschaftlich unverantwortlich und entwerte die häusliche Erziehungsleistung vieler Generationen.

Der familienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johannes Singhammer, freut sich über die Wahl, das gekürte Wort sei der Unwort-Jury auch aus seiner Fraktion vorgeschlagen worden. „Der Begriff ‚Herdprämie‘ muss ab sofort in den Sprachmülleimer wandern und auch dort für immer bleiben.“ Dagegen sieht die Vorsitzende des Bundestagsfamilienausschusses, Kerstin Griese (SPD), in dem Begriff nur „eine irreführende Verniedlichung des Betreuungsgeld-Problems“.

Thüringens Sozialminister Klaus Zeh und die Landes-CDU begrüßen die Wahl des Wortes „Herdprämie“ zum Unwort des vergangenen Jahres. Wichtige Hilfen wie das Thüringer Erziehungsgeld und das künftige Betreuungsgeld auf Bundesebene würden so gedankenlos durch vorurteilsbelastete Begriffe abgewertet. Dabei gehe es nur darum, den Eltern die Wahlfreiheit zwischen Betreuung zu Hause oder in einer Kindertagesstätte zu ermöglichen.

Der Journalist Hans Leyendecker, Mitglied der Jury, erklärte im Interview mit dem Online-Portal „Newsclick“: „Der Begriff ist nicht einfach so im Volksmund entstanden, sondern eine politische Vokabel, die bewusst als geringschätziger Kampfbegriff eingeführt wurde, um Menschen auszusortieren.“ Er hoffe aber, dass der Begriff nun aus der aktuellen Diskussion verschwinden werde. „Zumindest aber haben wir eine Debatte angeregt. So wird das Wort nicht mehr so unbedacht gebraucht. Bevor ich es verwende, überlege ich es mir vielleicht noch mal.“

Das Unwort des Jahres wird seit 1991 gekürt. Es bezeichnet „sprachliche Missgriffe“ aus dem öffentlichen Leben, die im zurückliegenden Jahr besonders negativ aufgefallen sind und möglicherweise sogar die Menschenwürde verletzen. Unwort des Jahres 2006 war „freiwillige Ausreise“.

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