Neue Debatte um kirchliche Haltung zum Islam

"Profs verreißen Kirchenschrift" titelt die "taz". "Fundamental - Evangelisches Bollwerk gegen den Islam" schreibt die "Frankfurter Rundschau". Gemeint ist ein am Montag von christlichen und jüdischen Wissenschaftlern vorgelegtes Buch, in dem die Handreichung der EKD zum Umgang mit dem Islam scharf kritisiert wird. Darin werde der Islam "herabwürdigend dargestellt", lautet einer der Vorwürfe – die die EKD zurückwies.
Von PRO

Insgesamt 14 christliche, muslimische und jüdische Professoren haben sich mit der Handreichung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zum Islam befasst, die Ende 2006 unter dem Titel „Klarheit und gute Nachbarschaft. Christen und Muslime in Deutschland“ vorgelegt wurde.

Initiiert wurde die kritische Begutachtung der Handreichung von dem Vorsitzenden des Interkulturellen Rates in Deutschland, Jürgen Micksch. Er war Interkultureller Beauftragter der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und Oberkirchenrat beim Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland. Micksch ist zudem Vorsitzender der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft „Pro Asyl“. Der Theologe und Soziologe initiierte die nun vorgelegte Aufsatzsammlung im Rahmen des Abrahamitischen Forums in Deutschland, einer Einrichtung beim Interkulturellen Rat. In ihm arbeiten Juden, Christen, Muslime und Bahá’i mit Stiftungen, Wissenschaftlern und Experten zusammen.

„Evangelisch aus fundamentalem Grund. Wie sich die EKD gegen den Islam profiliert“, lautet der Titel des Bandes, in dem sich die Autoren mit der EKD-Handreichung zum Islam befasst haben. Autoren sind Professoren  aus Basel, Frankfurt/Main, Erfurt, Hamburg, Marburg oder Siegen. Das im Frankfurter Lembeck Verlag veröffentlichte Buch umfasst 335 Seiten.

Handreichung: „Anmaßend und arrogant“

Darin kritisieren die Autoren etwa, die EKD-Handreichung bringe „keine theologische Klarheit und schadet der guten Nachbarschaft“, der Islam werde „herabwürdigend dargestellt“ und grundsätzlich würden „Gemeinsamkeiten der abrahamischen Religionen Judentum, Christentum und Islam nicht thematisiert“.  Zudem fördere die Handreichung „fundamentalistische Positionen bei Christen und Muslimen“ und gehe nicht auf die „verbreitete islamfeindliche Einstellungen in der deutschen Bevölkerung“ ein. Diese und weitere Kritikpunkte machten eine Revision der Handreichung erforderlich, so die Autoren. Die Handreichung sei „anmaßend und arrogant“ und darüber hinaus ein „Zugeständnis an die Evangelikalen“.

Der Frankfurter Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik kritisierte, die EKD habe sich mit dem in der Schrift vertretenen massiven Absolutheitsanspruch dialogunfähig gemacht. Die dortige Abwertung der Muslime sei ein „zivilisatorischer Rückfall“, erklärte der jüdische Gelehrte und Mitautor des Buches. Der katholische Theologe Karl-Josef Kuschel aus Tübingen warf der EKD  Arroganz und Herablassung vor, weil es in der Handreichung heiße: „Ihr Herz werden Christen doch schwerlich an einen Gott hängen können, wie ihn der Koran beschreibt und wie ihn Muslime verehren.“

Der evangelische Theologe Reinhold Bernhardt (Basel) sieht in der EKD-Schrift einen lehrmeisterlichen Tonfall, wie er ihn bislang nur aus Stellungnahmen von Evangelikalen oder der von der katholischen Glaubenskongregation unter dem heutigen Papst Benedikt XVI. verfassten Erklärung „Dominus Iesus“ kenne. Bernhardt äußerte laut Presseberichten die Vermutung, dass die EKD den Evangelikalen die Deutungshoheit beim Verhältnis zum Islam überlassen habe, um damit diese Gruppe zu Zugeständnissen in anderen Themen zu gewinnen, berichtet etwa die Nachrichtenagentur AP.

Huber: „Pauschale, einseitige Vorwürfe“

Der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber wehrte sich unterdessen gegen die „pauschale Vorwürfe“, die im Wesentlichen an Intention und Aussagen des Textes vorbeigingen. Die Vorwürfe bildeten nicht „das breite Spektrum der Diskussion ab, die durch diese Handreichung ausgelöst wurde, sondern vermitteln ein höchst einseitiges Bild“, so Huber.

Demgegenüber begrüßt es Huber, wenn die Diskussion zum Verhältnis von Christen und Muslimen in Deutschland verbreitert und vertieft wird. Wer sich, wie der Rat der EKD dies getan habe, mit einer profilierten Äußerung zu Wort melde, bejahe damit eine kritische Diskussion. Der Rat stelle sich der Kritik und werde auch die Beiträge des heute vorgelegten Bandes auf ihre Stichhaltigkeit prüfen.

Huber weiter: „Die ersten Leseeindrücke (…) lassen freilich bereits erkennen, dass nicht so sehr argumentative Einwände gegen die Handreichung des Rates, sondern tiefgreifende Unterschiede im theologischen  Urteil und in der Einschätzung der gesellschaftlichen und kulturellen Lage für diese Veröffentlichung ausschlaggebend sind.“

So wies Huber die Kritik zurück, dass „Gemeinsamkeiten der abrahamischen Religionen Judentum, Christentum und Islam“ in der Handreichung nicht ausreichend thematisiert würden. „Der Grund dafür liegt darin, dass es theologisch nicht weiterhilft, einzelne Vorstellungen aus ihrem Gesamtzusammenhang herauszulösen und miteinander zu vergleichen“, so Huber.

Außerdem werde Mission in dem von den Kritikern vorgelegten Band von vornherein als bedrängende oder unter Druck setzende „Missionierung“ verkannt. „Der Ansatz der Handreichung, Mission als respektvolle Begegnung, werbendes Zeugnis von der eigenen Erkenntnis der Wahrheit und offen für den Dialog zu bestimmen, wird übergangen“, so Huber. Der EKD-Ratsvorsitzende weiter: „Wer am Geist und am Ton der Handreichung Anstoß nimmt, sollte sich zuvor dem sachlichen Gehalt ihrer Feststellungen und Fragen stellen. Es kann nicht hingenommen werden, dass vor der Behandlung der Sache in Beschwerden ausgewichen wird, die sich auf Empfindungen von Lesern berufen.“

„Polemische Denunziation“

Huber wies den Vorschlag der Kritiker zurück, eine solche Handreichung gemeinsam mit Muslimen oder in Abstimmung mit Muslimen zu verfassen: „Ein solches Verfahren würde am ehesten dazu führen, dass kritische Anfragen in dem so vorbereiteten Text gar nicht vorkommen.“ Als „polemische Denunziation“ bezeichnete Huber den Vorwurf der Buchautoren, die EKD führe gar keinen Dialog mit den Muslimen, sondern „sie beobachtet und prüft sie im Gewande eines para-staatlichen Organs“.

Die in dem Band zusammengestellten kritischen Beiträge gingen im Wesentlichen an der Intention und den Aussagen der Handreichung der EKD vorbei. „Sie bilden auch nicht das breite Spektrum der Diskussion ab, die durch diese Handreichung ausgelöst wurde, sondern vermitteln ein höchst einseitiges Bild. Durch eine ganze Reihe von Beiträgen zieht sich der Vorwurf, die EKD tue nichts oder jedenfalls zu wenig, einer sich ausbreitenden ‚Islamophobie‘ entgegenzuwirken“, so Huber. Der Herausgeber des Bandes beginne das Vorwort mit einem Verweis auf „rassistische und islamfeindliche Briefe“. Es sei deutlicher Widerspruch nötig, wenn auf diese Weise suggeriert werde, die Handreichung sei mitverantwortlich für die Zunahme einer antiislamischen Stimmung.

Kritik an der Handreichung der EKD war bereits früher geübt worden, unter anderem vom Zentralrat der Muslime in Deutschland. Dieser hatte im Zuge der Debatte um das Papier im Februar ein Spitzentreffen von EKD und moslemischen Verbänden abgesagt. Ein Gespräch zwischen der Evangelischen EKD und dem neu gebildeten Koordinierungsrat der Muslime (KRM) im Mai hatte zu keiner Schlichtung der Meinungsverschiedenheiten geführt. Die islamischen Vertreter werfen der EKD weiter vor, mit ihrer „Handreichung“ vom November dem Dialog eher zu schaden als zu nützen. Hinzu kam die Kritik einer Theologengruppe, die sich in einem „Appell aus Baden“ dafür ausgesprochen hatte, beim christlich-islamischen Dialog auf Alleinvertretungsansprüche und Missionierungsversuche zu verzichten.

In der EKD-Schrift wird deutlicher als bisher ein Bekenntnis zur Mission auch unter Moslems gefordert. Zudem werden die Unterschiede zwischen dem christlichen und dem moslemischen Glauben deutlich hervorgehoben.

Rückendeckung erhielt die EKD unterdessen auch aus der Politik, etwa von dem Parlamentarischen Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Hartmut Koschyk. „Die Kritik an der EKD-Handreichung zum Dialog mit dem Islam wird dem Dokument nicht gerecht. Ein aufrichtiger Dialog von Muslimen und Christen in Deutschland ist unverzichtbar für den inneren Frieden. Die Handreichung (…) des Rates der Evangelischen Kirche bietet dazu wichtige Anstöße und Anregungen“, so Koschyk in einer Stellungnahme. Das Bemühen um klare Standpunkte als „Arroganz“ abzuqualifizieren, hieße, ehrlichen Gesprächen „einen Bärendienst erweisen“.

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