US-Experte: Christentum in Europa prägende Religion

M ü n c h e n (PRO) – Das Christentum befindet sich in Europa nach wie vor in einer starken Position und muss aus diesem Grund ein Voranschreiten des Islams nicht fürchten. Diese Ansicht vertritt der US-amerikanischen Professor für Religion und Geschichte an der Penn State University, Philip Jenkins, in einem Gastkommentar in der "Süddeutschen Zeitung".
Von PRO

„Den Kirchgang selbst erachten viele Europäer nicht mehr als notwendig. Aber das heißt noch lange nicht, dass sie ihre christlichen Wurzeln verleugnen würden. Trotz der offensichtlichen Säkularisierung ihrer Gesellschaft sagen sechzig bis siebzig Millionen westeuropäische Christen, dass Religion in ihrem Leben eine große Rolle spielt“, schreibt der US-amerikanische Professor Philip Jenkins in einem Gastkommentar in der „Süddeutschen Zeitung“. Es sei deshalb eigenartig, „dass Kommentatoren wegen der Präsenz von rund 15 Millionen Moslems die Drohkulisse ‚Eurabien‘ beschwören, anstatt ihre Aufmerksamkeit einer christlichen Phalanx zu schenken, die um ein Mehrfaches größer ist“.

Überraschende Stärkung christlicher Traditionen

Statt einer muslimischen Unterwanderung des christlichen Abendlandes beobachtet Jenkins vielmehr eine überraschende Stärkung der christlichen Traditionen in den meisten Teilen Europas. Jenkins macht dies an der Wiederentdeckung des Pilgerns, der Begeisterung der Europäer für christliche Massenveranstaltungen oder den afrikanischen Christen in Frankreich fest.

Jenkins weiter: „Die Überbewertung der muslimischen Präsenz und ihres Wachstums führt zu einem Zerrbild.“ Derzeit hätten die Nationen Westeuropas einen muslimischen Bevölkerungsanteil von ungefähr 4, 3 Prozent. „Selbst wenn man extrem großzügig schätzt, wird die von Moslems abstammende Bevölkerung im Europa des Jahres 2050 nur bei 15 Prozent liegen. Und es ist mehr als unwahrscheinlich, dass sie alle ihrem Glauben streng folgen, ihn konsequent praktizieren oder ihn gar radikal und extremistisch ausleben werden“, so der Professor für Religion und Geschichte an der Penn State University in Pennsylvania.

Christen werden keine „verachtete Minderheit“

Die Befürchtungen vieler Menschen,  dass die Christen in Europa bald als verachtete Minderheit neben einer muslimischen Mehrheit leben werden, sind für Jenkins deshalb nicht nachvollziehbar. Im Westen Europas sei die Anzahl der Kirchgänger zwar stark zurückgegangen und die Anzahl der Ordinationen und die Zahl von Priesterseminaren stark geschrumpft.

„Aber zwischen den Trümmerhaufen der Religion kann man Zeichen von Glauben finden wie etwa die gigantische Bereitschaft von Europäern aller Altersklassen, christliche Massenveranstaltungen zu besuchen“, so Jenkins. Die leidenschaftliche Hingabe vieler Europäer für das Pilgern sei ein weiteres markantes Merkmal des heutigen Glaubens. Und „selbst im säkularen England bezeichnen sich 72 Prozent bei ihrer Steuererklärung als Christen, das sind  immerhin 35 Millionen offiziell registrierte Gläubige.“ Zudem hätten die Religionsdebatten der letzten Jahre – besonders während der Mohammed-Karikaturen-Affäre – viele „lauwarme“ Christen zum Nachdenken angeregt. Manche hätten dabei ihre christlichen Wurzeln wiederentdeckt.

Sowohl das Christentum als auch der Islam würden heute versuchen, sich an ein säkular dominiertes Umfeld anzupassen. Beide Religionsgemeinschaften hätten erkannt, dass sie große Schwierigkeiten haben werden, wenn sie in ihrer bekannten historischen Ausrichtung verharrten. Um ihrem Mitgliederschwund zu begegnen, versuchten die großen Kirchen, sich „viel stärker zu einer personengebundenen Heiligkeit („personal holiness“) und zum Strukturwandel ihrer Organisation zu bekennen“, so Jenkins. Dies sei der Grund für den hohen Zulauf von katholischen Laienorganisationen wie „Focolare“ und „Neocatechumenate“ oder evangelikalen und charismatischen Gemeinden, dem „bei weitem aktivsten Flügel der heutigen englischen Kirche, wobei sie den Stil der amerikanischen Mega-Kirchen nachahmen“.

Das Wachstum der christlichen Bevölkerung durch Einwanderung ist für Jenkins eine weitere erstaunliche Entwicklung. Im Großraum Paris gebe es beispielsweise über 250 protestantische Kirchen mit schwarzafrikanischem Einschlag. Und an einem typischen Tag in London „ist die Hälfte der Kirchgänger entweder afrikanischer oder karibischer Herkunft“. Und auch Deutschland habe mindestens 1.100 fremdsprachige evangelische Kirchen, die wiederum Ableger in ihren – meist afrikanischen – Mutterländern gründeten. Als Beispiel zitiert Jenkins die  „Christian Church Outreach Mission“, eine Organisation, die mittlerweile ein Dutzend Kirchen in Deutschland und über sechzig in Ghana gegründet habe.

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